Standpunkt

Wer Christus König nennt, muss auch Missbrauchsopfer so betrachten

Veröffentlicht am 20.11.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Jeder Mensch ist wertvoll wie ein König oder eine Königin, findet Peter Otten. Wer Christus einen König nennt, müsse deshalb alle Menschen so betrachten. Das sollte man in der Kirche auch beachten, wenn es um Opfer sexualisierter Gewalt geht.

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Am Sonntag erklingt im Evangelium der Schlussakkord eines krassen Kirchenjahres. Und dieser Akkord scheppert und rumst, als hätten sich die Berliner Philharmoniker mit Ozzy Osbourne zusammengetan: "Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan." Krawumm.

Wer die Geringsten sind, die nicht bekommen, was für sie heilsam und lebensnotwendig wäre, das wird in diesen Tagen wieder auf entsetzliche Weise deutlich: Menschen, die im Erzbistum Köln Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind und nach langen Jahren des Vertuschens und Verschweigens auf Seiten der Täterorganisation sowie nach einem vermeintlichen Prozess der Aufklärung und Aufarbeitung, den sie motiviert und voller Vertrauen mitgegangen sind, formulieren: Wir wurden wieder missbraucht.

Dem steht dieser donnernde Schlussakkord am Christkönigstag entgegen. Er bringt die Pointe des ganzen Evangeliums zum Erklingen: Jeder Mensch ist allein deswegen, weil es ihn gibt, wertvoll wie ein König oder eine Königin. Niemand darf ihn antasten. Und wer Christus einen König nennt, kann das ernsthaft doch nur tun, wenn er den Hungernden, den Verdurstenden, den Geschundenen, den Nackten, das traumatisierte Opfer sexualisierter Gewalt ohne Diskussion und Bedingung tatsächlich als König betrachtet.

Am kommenden Sonntag werden auch Bischöfe überall auf den Kanzeln Christus einen König nennen. Bedenkt: Christus ist gerade deswegen ein aufregender König, weil die Menschen merken: Der will ja nichts für sich haben. Kein Geld und Gold, keinen Vorteil, keine Reputation, weder Ansehen noch Stand. Keine Hinterzimmer, keine Hintergedanken. Die Macht Christi ist das Gegenteil eines Regimes.

Der Schlussakkord des Evangeliums vom Sonntag könnte dann so klingen: "Wenn ihr nicht alles dafür tut, dass Opfer sexualisierter Gewalt in echt und nicht nur in Absichtserklärungen Könige und Königinnen sein können, dann verachtet ihr mich."

Heißt: Wo Macht keine Angst mehr macht, sondern den anderen zum König, da beginnt der Himmel. Und wo das nicht passiert, halt die Hölle. Man sollte meinen: eine leichte Wahl.

Von Peter Otten

Der Autor

Peter Otten ist Pastoralreferent in der Pfarrgemeinde St. Agnes in Köln. Seit einigen Jahren bloggt er unter www.theosalon.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.