Bischof Hanke: Kirche hätte sich in 1980ern den "Grünen" öffnen sollen
Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke steht für einen ökologischen und solidarischen Lebensweg. Allerdings konnte er das früher im Kloster Plankstetten noch leichter umsetzen als heute als Bischof. Dass die alten Fenster in seinen jetzigen Diensträumen im Winter einen starken Wärmeverlust prouzieren, ist ihm gar nicht recht. Im katholisch.de-Interview berichtet er, wie es das Bistum dennoch schaffen will, klimaneutral zu werden - und was das dann doch wieder mit seinem Heimatkloster zu tun hat.
Frage: Bischof Hanke, Schwester Philippa Rath aus Rüdesheim hat Sie vor Jahren einmal als "Ökobischof" bezeichnet. Würden Sie sich auch so beschreiben?
Hanke (lacht): Es stimmt schon, ich habe eine lange ökologische Geschichte. Ich würde mich jetzt nicht unbedingt als "Ökobischof" bezeichnen – aber wer mich so nennen will, kann mich so nennen. Wobei mir aus theologischer Perspektive der Begriff einer "ökologische Lebensweise" nicht reicht. Ich spreche lieber von einer "solidarischen Lebensweise": Teilen, achtsam mit Gottes Schöpfung umgehen und sie nicht ausbeuten, gehört ja zum christlichen Grundgedanken.
Frage: Wie setzen Sie das im Bistum Eichstätt um?
Hanke: Das Bistum setzt starke ökologische Akzente. Wir wollen klimaneutral werden und erarbeiten im kommenden Jahr einen Maßnahmenkatalog, um die CO2-Emissionen in Einrichtungen und Kirchengemeinden der Diözese rechnerisch auf Null zu senken, und einen Zeitplan, bis wann das umgesetzt sein kann. In einem ersten Schritt haben wir auf Ökostrom umgestellt. Wir haben ein sehr aktives Umweltreferat. Gerade erst wurde ein neues Projekt auf den Weg gebracht: Die Benediktiner-Abtei Plankstetten, mein Heimatkloster, soll als geistliches Zentrum für Schöpfungsspiritualität im Bistum wirken und den ökologischen Weg in die einzelnen Ebenen der Diözese begleiten. Es geht bei der solidarischen Lebensweise eben auch um eine geistlich-spirituelle Dimension: Wenn ich überzeugt bin, dass diese Welt nicht alles ist und uns eine andere Wirklichkeit erwartet, dann gehe ich mit allem geschöpflichen Materiellen gelassener um.
Frage: Wo leben Sie ganz persönlich in Ihrem Alltag Umweltbewusstsein?
Hanke: Ich muss zugeben, dass ich vor meiner Zeit als Bischof noch wesentlich näher dran war an der ökologischen Praxis. Das ist jetzt einfach nicht mehr so möglich. Ich lebe in einem Altbau, das ist erstmal natürlich nicht sonderlich ökologisch. Wenn ich nur an die Heizkosten denke oder die Fenster in meinen Diensträumen… Die sind alt und im Winter gibt es einen großen Wärmeverlust. Da würde ich mir schon andere Bedingungen wünschen, aber es gibt eben auch Grenzen. Was den Haushalt anbelangt, kauft meine Hauswirtschaft regional und biologisch ein: beim regionalen Metzger, vom Biobauern auf dem Markt und auch Produkte aus Plankstetten sind dabei. Wenn ich längere Strecken zurücklegen muss, zum Beispiel für die Anreise zur Bischofskonferenz oder zum Synodalen Weg, fahre ich regelmäßig mit der Bahn. Bei manchen Terminen ist es sogar möglich, Fahrgemeinschaften zu bilden und auf diese Weise die Umweltbelastungen zu reduzieren.
Frage: Wenn man an Umweltaktivisten denkt, dann fällt einem "Fridays for Future" ein, aber nicht die Kirche. Warum hat man da anderen das Feld überlassen?
Hanke: Die Kirche hat in der Tat eine große Chance verschlafen. In den 1980er Jahren gab es eine Art "säkulare Asketen-Bewegung", aus der dann die Partei der Grünen zusammengesetzt wurde. Der Bewegung hätten wir uns mehr öffnen sollen. Wir haben damals andere gesellschaftspolitische Aspekte in den Vordergrund gestellt, das Verbindende zu wenig gesehen. Dennoch: Gerade Ordensgemeinschaften sind schon in den 1990er Jahren den ökologischen Weg konsequent gegangen – allerdings ohne große Pressekonferenzen und übrigens auch ohne große sonderliche Beachtung der verfassten Kirche.
Frage: Das Kloster Plankstetten betreibt seit über 25 Jahren ökologische Landwirtschaft. Wie kam es dazu?
Hanke: Wir Benediktiner haben generell einen starken Bodenkontakt – allein dadurch, dass wir unser Leben lang an einem Ort bleiben und uns dadurch mit der unmittelbaren "Umwelt" stark verwurzeln. Da liegt es nahe, Verantwortung für diese Umwelt zu übernehmen. Wir hatten damals aber auch einen ganz praktischen Grund: Unsere Klosterschule wurde geschlossen. Als die letzten Schüler weg waren, mussten wir uns nach neuen Aufgaben umsehen. Mein Vorgänger als Abt war diplomierter Landwirt. Er hat die klostereigenen Werkstätten und landwirtschaftliche Betriebe wieder hochgefahren, die vorher kaum noch genutzt wurden. So haben wir uns eine neue Einnahmequelle erschlossen. Als ich dann Abt wurde, war der zweite Schritt naheliegend, nämlich auf ökologische Wirtschaftsweise umzustellen. Das Lob, das wir im Chorgebet in den Psalmen gesungen haben, haben wir so auch mit unseren Händen praktiziert. Ich wehre mich dagegen, dass in manchen Kirchenkreisen die Ökologie so als etwas "Ideologisches" abgetan wird. Nein, das ist ein zutiefst christlicher Lebensstil. Wenn man die frühchristlichen Schriften liest, findet man diese schlichte, einfache, bescheidene, maßhaltende Lebensweise.
Frage: Das Papstschreiben "Laudato si" ist jetzt fünf Jahre alt. Wie lautet Ihre Zwischenbilanz?
Hanke: "Laudato si" ist außerhalb der Kirche überraschenderweise stärker beachtet worden als in der Kirche. Da ist noch Luft nach oben, sich den vom Papst vorgestellten solidarischen Lebensstil stärker zu eigen zu machen. Wir als Kirche im Westen sind mit unserem Denken und unserer Mentalität doch stark mit dem materiellen Habenwollen und dem aktuellen Wirtschaftssystem verbunden, das auf Wachstum und immer mehr Wohlstand ausgerichtet ist. Aber so kann das in Zukunft nicht weitergehen. Das spricht der Papst sehr deutlich an.
Frage: Was können Christen konkret noch besser machen?
Hanke: Wir können unseren persönlichen Lebensstil ändern. Zum Christsein gehört nicht nur, zur Liturgie zu gehen, sich in der Nachbarschaftshilfe oder sozial zu engagieren, sondern Christsein heißt eben auch Bereitschaft zur Umkehr im Lebensstil, Bereitschaft zum Verzicht, Bereitschaft zum Teilen. Die biblische Überlieferung der wunderbaren Brotvermehrung lehrt uns: Wer teilt, vermehrt. Und schließlich bedeutet ein christlich-solidarischer Lebensstil auch, dass sich jeder einzelne stärker in die gesellschaftspolitische Diskussion einbringen muss. Wie die Wirtschaft in Zukunft auszurichten ist, ist da sicher ein neuralgischer Punkt. Klar darf es da keine holzschnittartigen, schnellen Lösungen geben, schließlich hängen auch Arbeitsplätze und Familien daran. Aber wir müssen diesen Ozeanriesen, der diese Wirtschaft nunmal ist, so langsam auf einen anderen Kurs bringen, wenn wir als globale Gemeinschaft Zukunft haben wollen. Auch der globale Süden muss am Wohlstand teilhaben.