Fünf Jahre "Laudato si": Umweltengagement der Kirchen "zu langsam"
Mit seiner Umwelt-Enzyklika "Laudato si" hat Papst Franzikus auch die Kirche zu mehr Einsatz für die Schöpfung aufgerufen. Am Sonntag wird das Schreiben fünf Jahre alt. Beim kirchlichen Umweltengagement sieht Lisa Amon aber auch heute noch viel Luft nach oben. Im Interview spricht die Nachhaltigkeitsreferentin im Bistum Eichstätt über die Vorbildrolle der kleinen Diözese und sagt auch, was die Kirche in Sachen Umweltengagement noch verbessern muss.
Frage: Frau Amon, Sie sind Nachhaltigkeitsreferentin im Bistum Eichstätt. Was genau ist ihre Aufgabe?
Amon: Ich koordiniere die Umwelt- und Klimaarbeit – insbesondere die Bildungsangebote – im Bistum Eichstätt. Das sind ganz unterschiedliche Arbeitsfelder. Einer meiner Hauptarbeitsbereiche ist die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit umweltrelevanten Themen. Neben der Koordination der Kolleginnen und Kollegen im Referat Schöpfung und Klimaschutz hier im Bistum konzipiere ich also hauptsächlich Bildungskonzepte für Schulen, Jugendgruppen aber auch Erwachsene, zum Beispiel unsere Umweltbeauftragten in den Pfarrgemeinderäten und Kirchenverwaltungen. Wir wollen aber auch ganz praktisch etwas tun und versuchen, den ökologischen Fußabdruck des Bistums Eichstätt zu verringen. Diese Maßnahmen betreffen sowohl die Kirchengemeinden als auch die Ordinariatsverwaltungen.
Frage: Welche Maßnahmen sind das?
Amon: 2013 haben wir hier im Bistum eine "Klimaoffensive 2030" gestartet, nachdem wir ein Klimaschutzkonzept erstellt hatten. Wir wissen ziemlich genau, wie viel CO2 wir 2010 ausgestoßen haben. Unser Ziel ist es, bis 2030 50 Prozent CO2 im Bistum einzusparen. Momentan arbeiten wir daran, dieses Ziel anzupassen und die Klimaoffensive weiterzuentwickeln. Die Klimakrise verlangt größere Anstrengungen und folglich ambitioniertere CO2-Einsparziele.
Frage: Was setzen Sie dafür denn konkret um?
Amon: Wir haben damit begonnen, uns dafür einzusetzen, dass in den Kirchenverwaltungen Umweltbeauftragte benannt werden. Das sind unsere wichtigsten Kümmerer vor Ort. In den Kirchenverwaltungen wird beispielsweise entschieden, ob eine alte Ölheizung durch eine umweltfreundliche Heizung ersetzt wird. Die Umweltbeauftragten sollen dabei den Nachhaltigkeitsaspekt im Blick behalten. Durch Schulungen versuchen wir auch, die Pfarreien zu einem ressourcenschonenden Verhalten anzuregen, damit sie zum Beispiel nachhaltige Pfarrfeste organisieren. In der Ordinariatsverwaltung haben wir außerdem ein Umweltmanagement-System eingeführt und werden regelmäßig von externen Prüfern kontrolliert, ob wir unsere Umweltziele in der Verwaltung einhalten und bekommen dementsprechend ein Zertifikat. Nur wenige andere katholische Ordinariate in Deutschland sind so zertifiziert. Damit wollen wir auch ein Vorbild sein: Wir können ja nicht von den Pfarrbüros verlangen, dass sie Recyclingpapier einsetzen, aber die Briefe, die aus dem Ordinariat an die Pfarrbüros gehen, sind es dann nicht. Das, was wir von den Pfarreien verlangen muss der Kopf der Bistumsverwaltung, das Ordinariat, auch umsetzen.
Frage: Eine gewisse Vorbildrolle haben Sie als relativ kleines Bistum Eichstätt mit Ihrem Umweltengagement ja auch unter den deutschen Diözesen. Müsste sich nicht eigentlich jedes Bistum das Thema Umweltschutz so deutlich auf die Fahne schreiben, wie Sie das tun?
Amon: Die Bistümer sind unterschiedlich weit, weil sie sich auch unterschiedlich lang mit dem Thema beschäftigen. Man muss dabei auch die strukturellen und finanziellen Voraussetzungen berücksichtigen, gerade in den Ost-Bistümern. Aber spätestens seitdem die Enzyklika "Laudato si" veröffentlicht wurde, hat sich in allen Bistümern einiges getan. Die Bischöfe haben ja im Nachgang der Enzyklika zehn Handlungsempfehlungen herausgegeben und sich selbst dazu verpflichtet, 2021 einen ersten Bericht über das eigene Schöpfungsengagement abzulegen. Angesichts der Größe der Aufgabe kann man aber nur sagen: Wir haben im kirchlichen Umweltengagement sicher noch viel Luft nach oben.
Frage: Sie haben die Enzyklika "Laudato si" angesprochen. Das Schreiben wird am Sonntag fünf Jahre alt und war durchaus ein Aufruf des Papstes an die Kirche, sich verstärkt für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen. Werden seine Worte genug berücksichtigt?
Amon: Ob genug getan wird, kann ich im Einzelnen nicht beurteilen. Aber es ist unstrittig, dass dieser Aufruf vom Papst als vielleicht einziger globaler Autorität, die wir noch haben, etwas bewirkt hat. 2015 fand ja auch die Klimakonferenz in Paris statt, und vielleicht hat "Laudato si" den Pariser Klimavertrag sogar erst ermöglicht. Innerkirchlich ist die Enzyklika jedenfalls ein Lehrschreiben, das wir jetzt umsetzen müssen. Papst Franziskus hat deutlich gemacht, dass das im Sinne von Glaubwürdigkeit und christlichem Schöpfungsengagement wichtig ist. Vom Wissen zum Tun zu kommen ist aber nicht immer einfach. Und das nicht nur im kirchlichen Kontext, sondern auch im Privaten oder der Wirtschaft. Die Prozesse sind angestoßen – angesichts der drohenden Klimakatastrophe allerdings vielleicht zu langsam. Aber immerhin haben wir uns als Kirche auf den Weg gemacht.
Frage: Wenn man von konkreten Maßnahmen in den Bistümern liest, sind das oft ein neues Elektroauto für das gesamte Ordinariat oder Solarzellen auf dem Dach eines Pfarrheims. Reicht das als kirchliches Engagement für den Klimaschutz?
Amon: Was Sie ansprechen sind einzelne Leuchtturmprojekte. Darüber sollten wir eigentlich hinaus sein. Schöpfungsverantwortung sollte in den kirchlichen Strukturen zur Regel werden und nicht die Ausnahme in einzelnen Leuchtturmprojekten. Das ist eine große Aufgabe.
Frage: Sie werben dafür, dass man auch heute noch die Enzyklika lesen sollte. Warum?
Amon: Der Text von "Laudato si" ist heute aktueller denn je. Gerade in dieser Zeit der Corona-Pandemie bekommen wir die Grenzen unserer menschlichen Macht vor Augen geführt. Wenn wir diese Chance nicht nutzen, darüber nachzudenken, wie wir unser Leben und unsere Wirtschaft schöpfungsfreundlicher hinbekommen, haben wir nicht das gelernt, was wir aus dieser Krise lernen können. Um auch im privaten Lebensstil etwas zu verändern, können die Gedanken des Papstes in der Enzyklika sehr wertvoll sein.
Frage: Der Klimawandel scheint aufgrund der Corona-Pandemie gerade in der Öffentlichkeit nicht mehr das drängendste Thema zu sein. Trotzdem erledigt er sich nicht von allein. Was muss sich in nächster Zeit ändern – auch in der Kirche – um dieses Problem anzugehen?
Amon: Wir haben einen Lockdown erlebt, bei dem Dinge herunterfahren wurden, von denen wir dachten, dass das nicht möglich ist. Zum Beispiel die Einstellung des Flugverkehrs. Es wäre falsch, jetzt alles wieder so hochzufahren, wie vorher. Man muss jetzt diese Chance nutzen, um den Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu vollzuziehen. Das ist sicherlich unbequem und da ist auch die Politik gefordert, entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen. Und da wir als Kirche insgesamt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sind können auch wir entsprechend agieren. So können wir zum Beispiel beim Einkauf regionale Kreisläufe unterstützen und darauf achten nach welchen Kriterien die Produkte hergestellt wurden, die wir einkaufen. Es könnte eine große Chance für die Verantwortlichen in den Bistümern sein, sich das bewusst zu machen und nach Umsetzungsmöglichkeiten zu suchen. Diese veränderte Praxis muss dabei nicht zwangsweise mit Mehrkosten verbunden sein. Kirchliches Handeln könnte so als Vorbild für andere Akteure dienen und die Glaubwürdigkeit in Sachen "Schöpfungsverantwortung wahrnehmen" würde enorm gestärkt.