Franziskus und die Frauen
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Aufs Große betrachtet, ist es eine Randnotiz. Wie viele Frauen für den Papst in Rom arbeiten, was sie da tun, ob sie gerne bei Sankt Peter andocken oder nach ein paar Jahren dann doch lieber weitersegeln, wie sich ihr Anteil am Ganzen der päpstlichen Belegschaft über die Jahre entwickelt: All das interessiert die weite Welt heutzutage nicht drängend, und Sie finden mich, eine Frau im Vatikan, in diesem Punkt komplett einsichtig. Und doch.
Bekenntnis lässt sich in Zahlen messen
Und doch schadet ein wenig Neugier auf den weiblichen Vatikan nicht, wenn wir darin übereinstimmen, dass die Frauenfrage die katholische Kirche in ihre Zukunft begleiten wird. Die Sache ist vielschichtig, wir greifen uns hier eine eng umrissene, aber symbolisch bedeutsame Stelle heraus. Es ist so: Im Vatikan, seinem eigenen Staat, kann der Papst nach Belieben schalten und walten. Wie ernst er es also meint mit seinem Bekenntnis zu geteilter Verantwortung in der Kirche zwischen Priestern und Laien, Männern und Frauen, müsste sich deshalb im Vatikan gewissermaßen nachzählen lassen.
Alle Papst-Angstellten sind je nach Tätigkeit und Verantwortungsgrad in Gehaltsstufen ("livelli") erfasst. Öffentlich sind solche Zahlen natürlich nicht. Aber im Vatikan ist man nicht nur gut organisiert, sondern auch weniger zugeknöpft, als es den Anschein haben könnte, zumindest wenn man seine – hinreichend harmlose – Anfrage seriös begründet und auf den richtigen Kanälen vorträgt. Um es kurz zu machen, beim Heiligen Stuhl haben vor einem Jahr (das sind meine neuesten Zahlen) 649 Frauen gearbeitet, gut 24 Prozent aller Beschäftigten. Zehn Jahre zuvor, unter Papst Benedikt XVI. noch, waren es 385 gewesen, 17,6 Prozent. Die Zahl der weiblichen Papstangestellten beim Heiligen Stuhl hat also in einem Jahrzehnt um gut zwei Drittel zugelegt, vom Anteil her um gut ein Drittel. Fast jede(r) vierte Beschäftigte am Heiligen Stuhl ist heute eine Frau. Das ist nicht nichts.
Papst Franziskus hat einige wenige Frauen in Positionen von herausgehobener Sichtbarkeit befördert. Vier Untersekretärinnen (etwas wie Staatsminister in weltlichen Regierungen) gibt es heute am Heiligen Stuhl, die einflussreichste kam im Januar 2020 am Staatssekretariat dazu, Franziskus hat diese Stelle neu geschaffen. Wenn wir nicht auf die Spitze, sondern auf die Mitte schauen, stellen wir fest, dass mindestens die Hälfte der weiblichen Kräfte an der Kurie Akademikerinnen sind. Frauen wirken in mittleren bis gehobenen Positionen als Fachreferentinnen, Archivarinnen, Abteilungsleiterinnen, Informatikerinnen oder Journalistinnen, Seite an Seite mit gleich qualifizierten und gleich entlohnten Männern, von denen einige Priester sind. Gewiss, die Aufteilung folgt oft genug dem klassischem Schema. Beispiel Vatikanbibliothek: Präfekt und Vizepräfekt sind ein Priester und ein männlicher Laie, doch sämtliche Abteilungsleiter sind neuerdings Frauen, hochqualifizierte Fachkräfte. Eine solche Konstellation macht außerhalb des Vatikans nicht von sich reden. Im Vatikan selbst mehren sich zur gleichen Zeit die Beispiele einer "Verweiblichung" der vatikanischen Führungsebene vom unteren Rand her wie selbstverständlich.
2014 habe ich begonnen, mir die nicht so ins Auge fallenden Ernennungen von Frauen im Vatikan zu notieren. Ich staune jedesmal wieder, wenn ich diese Extra-Liste durchgehe. Zum einen darüber, dass wirklich das dritte Jahrtausend anbrechen musste, um die ersten Frauen als Konsultorinnen an der Glaubenskongregation zu sehen (2018). Zum anderen darüber, wie umsichtig Franziskus vorgeht, undercover fast. Einen Schwung Kardinalpräfekten in Frührente schicken und sie mit geistlich begabten Kurienmanagerinnen ersetzen? Nicht sein Ding. Er weiß, dass Brüche der Kirche nicht guttun. Aber wo Franziskus schon keine Frauen an der Spitze einer Behörde einsetzt, beruft er welche als Mitglieder. Das ist vom Grundgesetz der Kurie ebenso wenig gedeckt, liegt aber unter der Wahrnehmungsschwelle. So kam bereits 2014 eine Ordensoberin als Mitglied an die Missionskongregation, und 2019 berief der Papst sieben Ordensoberinnen auf einmal zu Mitgliedern der Ordenskongregation. In dieser Funktion sind sonst die Kardinäle und Bischöfe der Weltkirche vertreten. Konsultorinnen bat Franziskus geradezu en masse in den Vatikan, ich nenne hier nur die Premieren: vier Beraterinnen für das Generalsekretariat der Bischofssynode, eine für den Staat der Vatikanstadt und sechs auf einen Schlag für den vatikanischen Wirtschaftsrat, darunter mit Marija Kolak und Charlotte Kreuter-Kirchhof zwei Deutsche. Der Leiter des Wirtschaftsrates, Kardinal Reinhard Marx, macht schon lange keinen Hehl daraus, dass es zum Wohl der Kirche eine "kritische Masse" an Frauen im Vatikan braucht, damit die klerikale Kruste aufbricht. Der Papst steht da auf seiner Seite.
Frauen sollen die institutionelle Kultur prägen
Zum ersten Mal hat Franziskus jetzt darüber gesprochen, warum er Frauen im Vatikan fördert, aber lieber schön sachte. Er will auf diesem Weg, so schreibt er es in seinem neuen Buch "Wage zu träumen!", Einfluss darauf nehmen, wie die Mitte der Weltkirche tickt. "Das ist etwas, was mich auch hier in Rom beschäftigt: wie die Präsenz und Sensibilität von Frauen besser in die Entscheidungsprozesse des Vatikans integriert werden können. Die Herausforderung für mich hat darin bestanden, Räume zu schaffen, in denen Frauen auf eine Weise Leitung übernehmen können, die es ihnen erlaubt, die Kultur zu prägen, und die sicherstellt, dass sie geschätzt, respektiert und anerkannt werden." Aus Sicht des Papstes ist es ein Irrtum zu glauben, mit der Ernennung kompetenter Frauen in Machtpositionen allein wäre schon alles in Butter. Denn daraus folgt noch lange nicht, "dass eine weibliche Führungsfigur die Kultur einer Institution ändert".
Im Übrigen stellt Franziskus in dem Buch klar, "dass die erweiterte Rolle von Frauen in der Kirchenleitung nicht vom Vatikan abhängt und auch nicht auf bestimmte Rollen beschränkt ist". Wer so denkt, sagt der Papst sinngemäß, der will nur die Priester sehen, den Beitrag der Frauen aber übersehen. In vielen Diözesen wirkten heute schon mehr Frauen als Männer in der Leitung. "In Amazonien leiten Frauen – Laien wie Ordensfrauen – ganze Kirchengemeinden. Zu sagen, dass sie nicht wirklich Leitung seien, weil sie keine Priester seien, ist Klerikalismus und respektlos."
Papst Franziskus, Dezember 2020.
Kolumne "Römische Notizen"
In der Kolumne "Römische Notizen" berichtet die "Vatikan News"-Redakteurin Gudrun Sailer aus ihrem Alltag in Rom und dem Vatikan.