Neues Ökumene-Papier: Keine Stellungnahme zu großen Streitpunkten
Wer deutliche Stellungnahmen zu den großen Streitpunkten in der Ökumene sucht, die in den deutschsprachigen Diözesen diskutiert werden, sucht im neuen "Ökumene-Vademecum" für Bischöfe vergeblich. Es geht um konfessionsverbindende Ehen, aber nicht um die Kommunion des konfessionsverschiedenen Partners. Es geht um eucharistische Gemeinschaft, aber nicht um das kontrovers diskutierte Votum des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen. Es geht um das gemeinsame Erbe der Heiligen Schrift, aber nicht um die Perspektiven für eine deutschsprachige ökumenische Einheitsübersetzung. Kurz: Es ist ein weltkirchliches Papier, kein spezifischer Beitrag zur Situation bestimmter Ortskirchen. Das vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen am Freitag veröffentlichte kompakte Dokument fasst im wesentlichen den Stand der offiziellen Ökumene zusammen in der Form einer praktischen Arbeitshilfe für Bischöfe. Die sieht die Vatikan-Behörde nämlich als zentral an: "Der dem Bischof anvertraute Dienst ist der der Einheit innerhalb seiner Diözese, in der Ortskirche und der Weltkirche", heißt es im Vorwort der Broschüre.
Ökumene ist nicht einfach nur eine weitere Aufgabe in einer langen Liste von bischöflichen Verantwortlichkeiten, betont der Einheitsrat: "Das ökumenische Engagement eines Bischofs ist keine optionale Dimension seines Dienstes, sondern Pflicht und Verpflichtung." Ökumene sei aber auch eine Verpflichtung aller Christen. Wenn sie in ihrem Leben, Glauben und Handeln darin versagen sollten, sichtbares Zeichen der Einheit zu sein, dann versagten sie zugleich in ihrer missionarischen Aufgabe. Mit Papst Franziskus bringt das Dokument die Arbeit an der Einheit der Kirche auf den Dreiklang "zusammen gehen, zusammen beten, zusammen arbeiten".
Um das zu erreichen, gibt das Vademecum den Bischöfen einige sehr konkrete Empfehlungen mit, die in weiten Teilen bereits im noch im Pontifikat Johannes Pauls II. erschienenen Ökumenischen Direktorium zu finden waren – etwa die Aufforderung, eine institutionelle Zuständigkeit für Ökumene in Bistümern und auf Ebene der Bischofskonferenzen, aber auch in den einzelnen Pfarreien zu schaffen. Neu dazugekommen sind teilweise kleinteilige Handreichungen, etwa zu den Webseiten der Bistümer, auf denen das ökumenische Engagement deutlich erkennbar sein soll.
Keine Einheit auf Kosten der Wahrheit
Theologisch behält das Vademecum die bisherige Linie der Kirche bei: Zwei Prinzipien sollen leitend sein. Erstens sei Ökumene keine Kompromissveranstaltung, "als ob Einheit auf Kosten der Wahrheit erreicht werden könnte". Die Suche nach Einheit führe zu einer umfassenderen Wertschätzung offenbarter Wahrheiten. Dabei gelte es aber, die Hierarchie der Wahrheiten im Blick zu behalten: "Indem Wahrheiten gewichtet anstatt einfach nur aufgezählt zu werden, gewinnen Katholiken ein besseres Verständnis der Einheit, die schon unter den Christen besteht". Zweitens sei Ökumene von Wohlwollen und Anstand getragen. "Die Tugend des Wohlwollens gebietet, dass Katholiken auf polemische Darstellungen der Geschichte und Theologie des Christentums verzichten und es insbesondere vermeiden, die Positionen anderer Christen falsch darzustellen".
Drei Dialoge beschreiben das ökumenische Gespräch: der Dialog der Liebe, der Wahrheit und des Lebens; alltägliches ökumenisches Zusammenleben, der Dialog über die Lehre mit dem Ziel einer Heilung von Spaltungen und die Zusammenarbeit in pastoralen und diakonischen Aufgaben. Viel Potential für ökumenische Zusammenarbeit liege genau darin: in der Hilfe bei sozialen Notlagen, im Einsatz gegen Unrecht und Gewalt und für die Bewahrung der Schöpfung.
Auch in der geistlichen Gemeinschaft sieht das Dokument solche Potentiale, wenn auch für den Alltag die kontroversen Fragen nach Amts- und Eucharistieverständnis ausgeblendet werden. Stattdessen soll der Fokus auf gemeinsamem Gebet liegen: Das Vaterunser, die Psalmen und die biblischen Lobgesänge seien gut geeignet, um konfessionenüberspannend gemeinsam zu beten. Auch eine gemeinsame geistliche Schriftlektüre empfehle sich. Nur in einem Halbsatz wird auf die Chancen gemeinsamer Bibelübersetzungen eingegangen – allerdings ohne näher auszuführen, dass eine ökumenische deutschsprachige Einheitsübersetzung wesentlich an den Anforderungen Roms gescheitert war.
Teilhabe am sakramentalen Leben –aber wie?
Ähnlich ist auch der Abschnitt über konfessionsverbindende Ehen. Sie sollten "nicht als Probleme gesehen werden, da sie oft ein bevorzugter Ort sind, an dem die Einheit der Christen aufgebaut wird". Gegenüber dem Schmerz, der im Kontext dieser Familien durch die Trennung der Christen entstehe, dürfe man nicht gleichgültig sein. Über die Möglichkeiten und Grenzen des Sakramentenempfangs schweigt das Vademecum aber – nur mit Blick auf die Kinder aus solchen Ehen und die Sakramentenkatechese wird das Thema überhaupt angesprochen.
Das neue Ökumene-Papier im Wortlaut
Das Dokument mit dem Titel "Der Bischof und die Einheit der Christen: Ökumenisches Vademecum" ist bisher nur auf Italienisch, Spanisch, Französisch und Englisch erschienen.
Immerhin: Gleich der folgende Abschnitt ist überschrieben mit "Teilhabe am sakramentalen Leben". Dort werden die Grundsätze aus dem Ökumenismusdekret des Zweiten Vatikanums in Erinnerung gerufen, die, so das aktuelle Dokument, in gewisser Spannung stehen: "die Bezeugung der Einheit der Kirche und die Teilnahme an den Mitteln der Gnade" (Dekret Unitatis Redintegratio, Nr. 8). Dem ersten Grundsatz zufolge setzen die Sakramente der Eucharistie, Versöhnung und Krankensalbung volle Kirchengemeinschaft voraus, während der zweite Grundsatz auch eine gewisse Öffnung unter bestimmten Umständen zulässt, wie das Vademecum mit Verweis auf das Ökumenische Direktorium von 1993 betont. "'Communicatio in sacris', 'Teilhabe am Heiligen', ist daher für das Heil der Seelen unter bestimmten Umständen erlaubt. In diesen Fällen ist sie als erstrebens- und lobenswert anzuerkennen." Zugleich wird aber noch deutlicher betont, dass "Sakramente nie aus bloßer Höflichkeit geteilt" werden dürfen: Die Zulassung von Christen, die nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, erfordert immer einen Prozess der pastoralen Unterscheidung.
Das Dokument schließt mit einem Überblick über die verschiedenen Dialoge mit den unterschiedlichen Konfessionsfamilien und Zusammenschlüssen von Kirchen. Die Liste ist beeindruckend: Vierzehn Gesprächspartner in bilateralen Dialogen zählt sie auf. Dazu gehören verschiedene orthodoxen Traditionen bis hin zu kleineren Gemeinschaften wie den Alt-Katholiken der Utrechter Union und der Heilsarmee. Drei multilaterale Partner, der Weltrat der Kirchen, das "Globale Christliche Forum" und die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa, werden zudem aufgeführt. Die Aufzählung zeugt von einer intensiven Kontaktarbeit, die teilweise auch zu Durchbrüchen in der wechselseitigen Anerkennung und Wertschätzung geführt hat – ein deutliches Beispiel für die "Heilung der Erinnerungen" ("healing of memories"), die ihre Wurzeln im Zweiten Vatikanum und der ökumenischen Versöhnungsarbeit Papst Paul VI. hat, und die auch das Vademecum als zentral für die Ökumene heute ansieht.
Der eigentlich rein informierende Anhang hat das Potential, mit dem aus deutscher Sicht oft sehr zögerlich wirkenden, bloß die bestehenden Aussagen des Lehramts wiederholenden Hauptteil des Vademecums zu versöhnen, dessen praktische Impulse in den deutschsprachigen Diözesen wohl schon lange umgesetzt sein dürften. Die Liste der vielen Dialoge, bei denen mit Beharrlichkeit die theologische Kärrnerarbeit der gemeinsamen Suche nach der Wahrheit in kleinen Schritten vorangebracht wird, macht Hoffnung, dass auch kleine Schritte irgendwann zum Ziel führen.