Standpunkt

Wo die Kirchenlehre Menschenrechte bricht

Veröffentlicht am 09.12.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Wenn sich der Papst gesellschaftlich für Rechte von Frauen starkmacht, sie ihnen aber innerkirchlich versagt, sei das unglaubwürdig, kommentiert Burkhard Hose. Leerstellen zwischen Kirchenlehre und Menschenrechten müssten endlich geschlossen werden.

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Wie hält es die Kirche mit den Menschenrechten? Ich stelle mir diese Frage zwischen zwei wichtigen Gedenktagen. Der 8. Dezember markiert den feierlichen Abschluss des II.Vatikanischen Konzils im Jahr 1965. Am 10. Dezember wird seit 1948 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gedacht. Immer noch gibt es zwischen beiden Daten einen Zwischenraum, eine Leerstelle.

Bis heute hat der Heilige Stuhl die Menschenrechtscharta nicht unterzeichnet. Immer noch hält man formal an der Lehre fest, dass die kirchliche Rechtsgrundlage göttliches Recht sei, das man nicht menschlichem Recht unterordnen dürfe.

Dabei hat das Konzil bereits eine Kehrtwende eingeläutet und Lehrinhalte an die Menschenrechte angeglichen. Belege hierfür sind die Erklärung über die Religionsfreiheit (Dignitatis humanae) und die Erklärung zum Verhältnis der Katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen (Nostra aetate).

Die Kirche muss endlich alle Leerstellen zwischen kirchlicher Lehre und den Menschenrechten schließen und Lehrinhalte, die immer noch der Menschenrechtscharta widersprechen, reformieren. Den Weg hierfür hat Papst Franziskus gewiesen, als er 2018 den Abschnitt im Katechismus ändern ließ, der die Todesstrafe grundsätzlich noch als Möglichkeit erlaubte. Im Vorfeld begründete Franziskus diese Änderung in einer bemerkenswerten Rede: "Die harmonische Entwicklung der kirchlichen Lehre gebietet es, Positionen zu vermeiden, die an Argumenten festhalten, die längst eindeutig einem neuen Verständnis der christlichen Wahrheit widersprechen."

Wer soll noch verstehen, dass sich ein Papst gesellschaftlich für die Rechte der Frauen starkmacht, ihnen innerkirchlich aus Gründen der Lehre diese Gleichberechtigung aber versagt bleibt? Es reicht nicht, sich queeren Menschen pastoral zuzuwenden, aber nichts an der eigenen diskriminierenden Lehre zu ändern. Es ist an der Zeit, anzuerkennen, dass die Menschenrechte, um die es hier geht, einem neuen Verständnis der christlichen Wahrheit entsprechen.

Von Burkhard Hose

Der Autor

Burkhard Hose ist Hochschulpfarrer in Würzburg.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.