Kritisch-konstruktiver Austausch könne "Engstirnigkeiten" vermeiden

Beer: Gegenseitige Begleitung von Seelsorgern Teil der Prävention

Veröffentlicht am 09.12.2020 um 14:18 Uhr – Lesedauer: 

Würzburg/Rom ‐ Wie kann man geistlichem Missbrauch wirksam vorbeugen? Der frühere Münchner Generalvikar Peter Beer fordert, dass sich Seelsorger gegenseitig kritisch begleiten und ihre Arbeit immer wieder hinterfragen. Ansetzen könne man schon bei der Ausbildung.

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Peter Beer, ehemaliger Münchner Generalvikar und momentan Gastprofessor am Kinderschutzzentrum (CCP) der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, mahnt mit Blick auf die Prävention geistlichen Missbrauchs eine bessere gegenseitige Unterstützung der Berufsgruppen in der Kirche an. Wichtig sei, dass Priester, Seelsorger und Religionspädagogen "durchgängig bereit sind, voneinander zu lernen, sich gegenseitig kritisch-konstruktiv zu begleiten" und "sich gegenseitig zu fördern", sagte Beer im Interview mit der "Tagespost" (Donnerstag). Dadurch ließen sich "Einseitigkeiten und Engstirnigkeiten", die einer "angemessenen Berufsausübung" im Wege stünden, am besten vermeiden. 

Sinnvoll seien in diesem Zusammenhang regelmäßige Supervisionen, so Beer weiter. Diese könnten dabei helfen, "das eigene Handeln und Verhalten besser zu verstehen und bewusster damit umzugehen". Nur wer seine eigenen Stärken, Schwächen, Ängste und Verletzungen kenne, könne professionell mit denen anderer umgehen, ohne ihnen eigene Muster aufzuzwingen, unterstrich der Priester. Ansetzen könne man bereits bei der Ausbildung von Seelsorgern. Hier gelte es, "auf überhöhende Idealisierungen und leere Formalismen zu verzichten", betonte Beer, um "grundsätzlich zu Schwächen und Fehlern stehen, sie ansprechen und daraus lernen zu können".

Eigene spirituelle Grundhaltung überprüfen

Entscheidend sei für jeden Seelsorger, immer wieder seine eigene spirituelle Grundhaltung zu überprüfen, fügte Beer hinzu. "Spiritualität bedeutet, sich und das eigene Erleben in der Welt immer wieder neu unter den Anspruch der Botschaft Jesu Christi zu stellen." Ein wesentlicher Kern davon sei der Ruf nach Umkehr und Erneuerung. "Diesen Ruf gilt es ganz konkret anzunehmen, sich selbst und seine Arbeit immer wieder zu hinterfragen: Was mache ich, wie mache ich es und warum mache ich es?", so Beer.

"Strukturelle Musterunterbrechungen" wie etwa eine temporäre Beauftragung, die Beichte zu hören, sind laut Beer sinnvoll, wenn dadurch die Herausbildung von "Sonderwelten" verhindert wird, in denen bestimmte Personen, Rollen und Handlungsweisen nicht mehr hinterfragt würden und die Bereitschaft zur Rechtfertigung ausfalle. Wenn man sich allerdings geistlich nicht weiterentwickle, liefen solche Maßnahmen ins Leere.

Peter Beer war von 2009 bis 2019 Generalvikar der Erzdiözese München und Freising. Seit April hat der promovierte Theologe und Pädagoge einen Lehrauftrag als Professor am Zentrum für Kinderschutz (CCP) an der Päpstlichen Universität Gregoriana inne. Beer ist Vorsitzender des Beirats der vergangenen Woche vom Münchner Kardinal Reinhard Marx ins Leben gerufenen Stiftung "Spes et salus", die Betroffene sexuellen Missbrauchs bei der Heilung unterstützen soll. (mal)