Jubiläumsfeiern auf dem "heiligen Berg des Elsass" ausgebremst
Schon von weitem sieht man aus dem Rheintal kommend den langgestreckten Rücken des Odilienbergs mit dem Kloster Hohenburg. Er wird auch der "heilige Berg des Elsass" genannt. Die Statue der heiligen Odilia (oder Ottilia), der Schutzpatronin der Region, steht hoch oben auf dem "Burgkloster" und segnet das Elsass und seine Menschen. Vor 1.300 Jahren, am 13. Dezember 720, ist die Gründerin des Wallfahrtsortes gestorben.
2020 sollte ein großes Gedenkjahr mit vielen Feiern sein – doch erst die erste und jetzt die zweite Corona-Welle haben den Veranstaltern einen großen Strich durch die Rechnung gemacht. Mehr als 1,8 Millionen Covid-19-Infektionen hat Frankreich bislang verzeichnet; Rang vier im weltweiten Vergleich. Auch der Todestag selbst, statt als Höhepunkt zuletzt als Startpunkt des Festjahres gedacht, muss flachfallen. "Das Heiligtum ist bis zu weiterer Order geschlossen", steht in dicken roten Lettern auf der Jubiläums-Website.
Der "Heilige Berg" des Elsass verbindet Geschichte, Religion, Kultur und Natur. Die ausgesetzte Lage auf schroff zur Rheinebene abfallenden Felsen machte ihn bereits früh für eine Besiedlung interessant. Nach den Kelten und den Römern befestigten die Merowinger den Ort in 763 Meter Höhe und nannten ihn "Hohenburg".
"Heidenmauer" um eine Heilige
Aus dem siebten Jahrhundert stammt wohl auch die über zehn Kilometer lange "Heidenmauer" aus Sandsteinquadern, die den Berg umschließt und an einigen Stellen immer noch bis zu drei Meter hoch ist. Hier wirkte die heilige Odilia, und hier werden seit Jahrhunderten ihre Reliquien verehrt. Wallfahrer und andere Besucher kommen in Scharen zu ihrem Grab, der Basilika, der romanischen Kapelle, der Panoramaterrasse und der Quelle Sainte-Odile.
Odilias Vater, der Merowingerherzog Attich oder Adalricus – auch Eticho genannt – baute hier im siebten Jahrhundert seine Burg. Der Legende zufolge wurde Odilia um 660 geboren. Da das heiß ersehnte Erstgeborene ein Mädchen war und dazu noch blind, wollte der Vater sie töten, so die Überlieferung. Ihre Mutter Bereswinde brachte das Kind aber mit Hilfe der Dienerschaft in Sicherheit.
Und weitere wundersame Wendungen gibt es demnach in Odilias Leben: Der Wanderbischof Erhard von Regensburg, gerufen durch einen Engel, taufte die Zwölfjährige, worauf sie wieder sehen konnte. Als Symbol dafür wird die Heilige mit Äbtissinnen-Stab und einem Buch mit Augen dargestellt. Später versöhnte sie sich mit ihrem Vater, der ihr seinen Besitz Hohenburg übergab.
Zwei Klostergründungen
In der Burg gründete Odilia um 690 ein Kloster und sorgte gemeinsam mit anderen Frauen für Arme, Kranke und Sterbende. Da der Weg hinauf für die Hilfesuchenden sehr beschwerlich war, erbaute die Äbtissin zehn Jahre später am Fuß des Berges eine zweite Abtei, Niedermünster, wo sie 720 auch starb. Den Platz soll ihr der heilige Johannes der Täufer in einer Vision gezeigt haben.
Schon kurz nach ihrem Tod führte ihr Ruf zur Heiligsprechung. Viele Heilungen und Wunder werden mit ihrem Namen verbunden. Eines Tages etwa soll Odilia einen verdurstenden Kranken getroffen haben; sie schlug mit ihrem Stock gegen einen Felsen, und klares Wasser sprudelte hervor. Auch heute sickert noch Wasser aus der Quelle und über ein Eisenrohr in mehrere Sandsteintröge. Und immer noch kommen hierher Menschen, die ihre Augen mit dem Wasser der Odilienquelle benetzen und auf Heilung hoffen. Auch spirituell Suchende erhalten Rat und Hilfe; eine andere Art von "Sehen", wie die Verantwortlichen betonen.
Das Kloster erlebte im 12. Jahrhundert unter der Abtissin Relindis einen außergewöhnlichen, auch baulichen Aufschwung. Aus dieser Zeit stammt auch die Kreuzkapelle im romanischen Stil, über der sich die Bibliothek befindet, die einst mehr als 2.000 Bände umfasste. Neben der Kreuzkapelle befindet sich die Odilienkapelle mit ihrem Sarkophag und sieben Ölgemälden mit wichtigen Stationen ihres Lebens.
Neues Konzept für eine alte Wallfahrt
Die Nordostecke der Klosteranlage bietet einen großartigen Fernblick über die Vogesen, den Schwarzwald und dazwischen den Rhein. Im Hintergrund liegt Straßburg am Horizont, auf beiden Seiten die Bergzüge.
Seit dem Mittelalter gibt es regelmäßig Wallfahrten. Zweimal im Jahr wird der Odilie gedacht: am ersten Sonntag im Juli und an ihrem Todestag, dem 13. Dezember. 1920 begingen mehr als 100.000 Menschen ihren 1.200. Todestag; Papst Pius XII. ernannte sie 1946 zur Schutzpatronin des Elsass. Johannes Paul II. kam 1988 zu ihrem Grab.
Mit dem Festjahr 2020 wollte sich die Kirche am Odilienberg eigentlich auch ein neues Publikum erschließen. Mit einem neuen Konzept sollen künftig vor allem Familien und junge Menschen, touristische Wanderer und Radfahrer auf den "Heiligen Berg" des Elsass gelockt werden.
Die religiöse Tradition versucht der Straßburger Erzbischof Luc Ravel auch künftig aufrechtzuerhalten. Er sagt: "Jeder Elsässer hat dort einen Teil seines Herzens gelassen. Und jeder Fremde fühlt sich diesem Ort seelisch ein bisschen verbunden, so sehr schlägt er in seinen Bann."