Die schwere Krise der Kirche birgt auch eine Chance
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Bischöfe waren für meinen Glauben eigentlich immer völlig unerheblich. Ich will hier gerne bekennen, dass ich lange nichts über meinen Heimatbischof wusste, selbst dass sein Vorname im Hochgebet zu hören war, ist mir lange nicht wirklich klar gewesen. Erst als ich mich beruflich mit der Sonderwelt Kirche auseinandergesetzt habe, begann ich zu bewerten und einzuordnen.
Die Kirche als Organisation war mir allerdings schon als Jugendlicher immer mal wieder etwas suspekt. Ich erinnere mich daran, dass ich nicht mehr zu meinem Heimatpfarrer zur Beichte ging, nachdem ich erfahren hatte, dass er irgendeinen Aufsichtsratsposten bei einer kirchlichen Bank innehat. Mit Beichte war für mich bald sowieso erstmal Schluss, nachdem wir in der Schülerzeitung den lächerlichen Beichtspiegel der Nachbargemeinde veröffentlicht hatten. Das war ein herrlicher kleiner Scoop, weil der dortige Pfarrer "Videos" gleich generell verdammen wollte, das Wort aber in dem von ihm verteilten Zettel nicht korrekt geschrieben hatte. Das Gelächter war groß, die Glaubwürdigkeit gleich doppelt dahin.
Die Beziehung zwischen Glaube und Kirche ist eine Theologie für sich. Die Bedeutung der Bischöfe als Hirten ihrer Herde wiederum ein schwieriges Kapitel. Doch das lässt mich gerade persönlich seltsam kalt. Wie dringend nötig ein kritischer Journalismus ist, um Verbrechen und Verfehlungen in der Großinstitution Kirche aufzudecken, das zeigt sich in diesen Tagen – und das haben sogar schon Bischöfe selbst unumwunden eingeräumt. Zugleich sind Aufarbeitung und Aufklärung auch immer Teil von Deutungskämpfen und Kirchenpolitik, das ist im Rest der Welt auch nicht anders – also für mich nicht wirklich schockierend.
Wir befinden uns in einer schweren Kirchenkrise, aber gerade jetzt mit Blick auf Weihnachten muss ich zugeben, so tief berührt mich das nicht. Zum einen bergen Krisen Chancen und zum anderen zeigen sie doch nur immer wieder die gleiche dramatische Fehlbarkeit der Menschen. Der Jesuit Klaus Mertes sagt, es sei eine "Krise, um mich auf neue und tiefere Weise meines Glaubens zu vergewissern". Der Satz hilft mir. Wenn ich die Weihnachtsgeschichte höre, das will ich nicht verbergen, dann höre ich eigentlich auf, Journalist zu sein, dann will ich aufhören ein kirchenpolitisch denkender Mensch zu sein. Dann will ich mich konzentrieren – auf das Wesentliche. Das Desaster vergessen! Das ist nicht einfach. Ich brauche noch dringend ein paar vorbereitende Adventstage. Aber dann ist Schluss. Dann kann der Anfang kommen.