Causa Kentenich: Bischof setzt Experten statt Historikerkommission ein
Im Seligsprechungsverfahren des Schönstatt-Gründers Pater Josef Kentenich wird nun doch keine neue Historikerkommission eingerichtet. Wie das Bistum am Freitag mitteilte, habe sich Bischof Stephan Ackermann für eine veränderte Vorgehensweise entschieden und statt einer Historikerkommission eine Expertengruppe einberufen. "Nachdem ich mich aber mit Expertinnen und Experten beraten habe, die ich in diese Kommission berufen wollte, ist mir klar geworden, dass wir hier einen anderen Weg gehen müssen", so Ackermann. Die Mitglieder der Gruppe wurden nicht bekannt gegeben. Laut der Mitteilung besteht sie aus Wissenschaftlern sowie Vertretern der Pallottiner und der Schönstatt-Bewegung. Nach Informationen von katholisch.de handelt es sich um einen Pallottiner sowie zwei Mitglieder der Schönstatt-Bewegung. Daneben gehören neben Kirchenhistorikern auch Vertreter von Pastoraltheologie und Religionspädagogik zu den Experten. Die Kirchenhistorikerin Alexandra von Teuffenbach, deren Recherchen und Veröffentlichungen zur Einsetzung der Gruppe geführt hatte, ist nicht beteiligt, wie sie gegenüber katholisch.de bestätigte.
Aufgabe der Gruppe sei nun zunächst, den durch die Archivfunde Teuffenbachs offengelegten Vorwürfe geistlichen, emotionalen und körperlich-sexuellen Missbrauchs nachzugehen. "In der konkreten Konstellation" biete eine derartige Gruppe "mehr Möglichkeiten als eine Historikerkommission gemäß der für Seligsprechungsverfahren maßgeblichen Instruktion Sanctorum Mater", so die Mitteilung. "Wir haben ja gesehen, wie die neuen Dokumente für Aufsehen gesorgt haben in der katholischen Welt. Da ist es mir wichtig, jetzt möglichst transparent vorzugehen und auch über Ergebnisse sprechen zu können", so Ackermann weiter. Im kirchenrechtlich vorgesehenen Verfahren bestehen umfassende Geheimhaltungspflichten über den Seligsprechungsprozess.
“Umfassende und seriöse Sicht” über Kentenich angestrebt
Für die Arbeit der Expertengruppe solle neben den bereits vorhandenen Archivalien auch bis vor kurzem nicht zugängliches Material herangezogen werden. "Wir wollen eine umfassende und seriöse Sicht dessen erhalten, was an Anfragen sowohl bezüglich der sittlichen Integrität als auch bezüglich der Wahrnehmung der geistlichen Autorität des Gründers von Schönstatt vorgetragen worden ist", betonte Ackermann. Auf dieser Grundlage werde er entscheiden, ob das Seligsprechungsverfahren fortgeführt werden solle. Wann mit Ergebnissen zu rechnen sei, ist noch nicht bekannt.
Die erste Kommission hatte ihre Arbeit bereits 2007 beendet, ohne dass die diözesane Phase des Seligsprechungsverfahrens seither abgeschlossen worden war. Das kirchliche Seligsprechungsverfahren sieht vor, dass der zuständige Bischof auf Grundlage der Ergebnisse einer Historiker-Kommission entscheidet, ob er ein Seligsprechungsverfahren auf diözesaner Ebene abschließt und an die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse im Vatikan weitergibt.
Vorwürfe lagen wohl bereits erster Kommission vor
Die Vorwürfe gegen Kentenich wurden von der italienischen Kirchenhistorikerin Alexandra von Teuffenbach im Juli zunächst in einem Artikel in der Zeitung "Die Tagespost" erhoben. Sie hatte Unterlagen der apostolischen Visitation der Schönstatt-Bewegung in den erst seit diesem Jahr zugänglichen vatikanischen Archiven aus der Zeit Papst Pius XII. (1939–1958) ausgewertet. Kurz darauf gab das Bistum Trier die Einrichtung einer neuen Kommission bekannt und begründete diesen Schritt damit, dass das nun zugängliche neue Material zusätzlich zu den bisher vorhandenen Dokumenten ausgewertet werden solle.
Im Oktober veröffentlichte Teuffenbach dann eine Archivdokumentation, in der sie erstmals die von ihr erhobenen Vorwürfe mit Dokumenten belegte. Die Sammlung mit dem Titel "Vater darf das" enthält in weiten Teilen jedoch keine Akten aus den vatikanischen Archiven, sondern Briefe und Zeugenaussagen aus dem Limburger Provinzialarchiv der Pallottiner, die im Rahmen des Seligsprechungsverfahrens bereits vorlagen. Dazu gehört eine umfangreiche Schilderung der ehemaligen Schönstatt-Schwester Georgia Wagner, in der sie von psychischer Gewalt und einen von Kentenich selbst betriebenen Vaterkult um den Gründer berichtet. Derzeit bereitet sie eine weitere Publikation vor, die sich nach Informationen von katholisch.de mit der römischen Visitation Schönstatts sowie einem bisher nicht bekannten Vorgang während der Zeit der Trennung Kentenichs von seinem Werk in Milwaukee beschäftigen wird.
Der Kirchenhistoriker und Schönstattpater Joachim Schmiedl hatte im vergangenen Jahr in einem Beitrag für die Monatszeitschrift "Herder Korrespondenz" die Vorwürfe gegen Kentenich als zwar grundsätzlich bekannt bezeichnet, Unterlagen aus dem Vatikan-Archiv, auf die sich die neuen Vorwürfe stützen, seien jedoch bisher nicht Teil des Seligsprechungsverfahrens gewesen.
Langes Seligsprechungsverfahren
Das Generalpräsidium der Schönstattbewegung und die Marienschwestern wiesen die Vorwürfe wiederholt zurück, zeigten sich aber offen für eine transparente Aufklärung. Schönstatt hoffe, "dass auf diesem Weg bezüglich Person, Leben und Werk ihres Gründers so bald wie möglich weitere Transparenz und Klarheit geschaffen werden kann", so die erste Erklärung aus dem Juli zur ursprünglich geplanten Einrichtung der neuen Historikerkommission. Die Kentenich-Biographin Schwester Doria Schlickmann hatte in einem Interview auf der Webseite des Schönstatt-Werks unmittelbar nach den ersten Veröffentlichungen die Vorwürfe gegen Kentenich als "Missdeutungen und fälschliche[] Anklagen" bezeichnet. Im Februar zeigte sich der Postulator im Seligsprechungsverfahren, der Schönstattpater Eduardo Aguirre, nach wie vor überzeugt von der Heiligkeit Kentenichs. Die Vorwürfe seien nicht seriös. Teuffenbach warf er eine Manipulation der Quellen vor.
Das Seligsprechungsverfahren für Josef Kentenich läuft bereits seit einigen Jahrzehnten. Es wurde im Februar 1975 durch den Trierer Bischof Bernhard Stein eröffnet. Als Weihbischof stand Stein im Jahr 1949 einer Visitation der Schönstattschwestern vor. Das Bistum Trier ist zuständig, da sich der Gründungsort und das heutige Zentrum der Schönstatt-Bewegung in Vallendar bei Koblenz befinden. Die Normen für Seligsprechungen sehen die Einrichtung von Historikerkommissionen in jedem Verfahren vor. (fxn)