Missbrauchsbetroffene beenden Zusammenarbeit mit Bistum Münster
Selbsthilfegruppen für Betroffene von sexuellem Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche haben ihre Zusammenarbeit mit dem Bistum Münster aufgekündigt. Die Diözese wolle sich nicht an getroffene Abmachungen halten, erklärten die Gruppen aus Münster und Rhede am Mittwoch.
Konkret geht es um die Frage, wie Betroffene an der Missbrauchsaufarbeitung im Bistum beteiligt werden können. Im Oktober wurde laut den beiden Gruppen vereinbart, dass alle dem Bistum bekannten Missbrauchsopfer zu einem ersten Vernetzungstreffen schriftlich eingeladen würden. Dann habe die Diözese jedoch entschieden, nur noch diejenigen einzuladen, die auch bei einem Betroffenenbeirat - einem Gremium des Bistums - mitmachen wollen. Zudem sollte es keine persönlichen Anschreiben, sondern einen allgemeinen Aufruf in den Medien geben.
"Wenn ich nur die einlade, die Interesse haben, dann ist klar, dass die kein Mandat für alle Betroffenen haben", kritisierte der Sprecher der Münsteraner Gruppe, Antonius Kock, gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Adressen der bekannten Betroffenen lägen nur dem Bistum vor. Für einen Austausch und eine Vernetzung seien die Gruppen also auf die Diözese angewiesen. Seit Bekanntwerden des Missbrauchsskandals im Jahr 2010 hätten die Betroffenen "keinerlei Möglichkeiten, sich miteinander abzusprechen".
Interventionsbeauftragter: Es ist ein Dilemma
Der Interventionsbeauftragte des Bistums, Peter Frings, sprach hingegen von einem Dilemma. "Es gibt Betroffene, die keine Post vom Bistum erhalten wollen und jeden Kontakt mit der Kirche ablehnen", heißt es in einer Stellungnahme. "Wir können diesen Wunsch nicht einfach übergehen." Zudem hätten Gespräche mit den Selbsthilfegruppen aus Münster und Rhede gezeigt, dass es für Betroffene eine Zumutung sein könne, sich um einen Sitz in einem Beteiligungsgremium formal bewerben zu müssen. "Diesen Hinweis haben wir ernst genommen und möchten ihn umsetzen." Das Bistum strebe eine breite, selbstorganisierte und unabhängige Beteiligung von Betroffenen an. Sie sollen sich "völlig unabhängig" von der Diözese organisieren, es würden hier keine Vorgaben gemacht. Das Bistum habe auch nie geäußert, das ein Betroffenenbeirat gegründet werden müsse.
"Unsere Überlegung ist die, öffentlich über die Medien alle Betroffenen einzuladen, wenn sie das möchten, sich in die Aufarbeitung einzubringen", erklärte Frings. Eine derartige öffentliche Ausschreibung sei zwischen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, verbindlich festgelegt worden. Noch im Januar will die Diözese laut Frings zusammen mit Betroffenen besprechen, wie ein öffentlicher Aufruf aussehen könne. "Das Angebot zur Zusammenarbeit an die beiden Selbsthilfegruppen bleibt bestehen."
Die Diözese Münster lässt derzeit von Forschern an der Universität Münster untersuchen, wie frühere Bistumsverantwortliche mit Missbrauchsfällen umgingen. Anfang Dezember wurde ein Zwischenergebnis vorgestellt, das den Bischöfen Joseph Höffner (Amtszeit: 1962-1969), Heinrich Tenhumberg (1969-1979) und Reinhard Lettmann (1980-2008) ein "intensives Leitungs- und Kontrollversagen" bescheinigte. Die Untersuchung zählt bislang rund 300 Betroffene und 200 Beschuldigte zwischen 1945 und 2018. An der Aufarbeitung in Münster sollten auch Betroffene beteiligt werden. In anderen Diözesen gibt es bereits sogenannte Betroffenenbeiräte, zum Beispiel in Köln und Würzburg. Kock kritisierte, dass die dortigen Vertreter von den Bischöfen ausgewählt worden seien. "Das sollte bei uns in Münster anders sein." (tmg/KNA)