Theologin Sattler beklagt "Stillstand in der Ökumene"
Die Ökumene erlebt nach Ansicht der katholischen Theologin Dorothea Sattler einen "Stillstand, der nicht sein müsste". Zwar gebe es heute einerseits ein breites Bewusstsein und eine Wertschätzung, "dass wir nur in der Gemeinschaft aller Christen die Fülle der Gaben Gottes schauen", sagte die Münsteraner Theologin im Interview der Zeitschrift "Christ in der Gegenwart". Zugleich nehme sie Polarisierungen innerhalb der Konfessionsgemeinschaften wahr, etwa zum Umgang mit Frauen oder gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Da das Interview vorher geführt wurde, geht Sattler nicht auf die aktuelle Debatte um Suizidbeihilfe ein. Sattler (58) leitet das Institut für Ökumene und Dogmatik an der Universität Münster.
Die Theologin kritisierte, auf römisch-katholischer Seite gebe es derzeit "wenig Bereitschaft, die Erkenntnisse der Theologie aufzunehmen. Stattdessen zieht man sich auf Positionen zurück, von denen man seit Jahren weiß, dass sie nicht mehr haltbar sind, beispielsweise bei der Frage der Apostolischen Sukzession im Amt.
Sie verwies auch auf die Einwände des Vatikan zum Papier "Gemeinsam am Tisch des Herrn" des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen. Die Theologen sprechen sich darin für eine wechselseitige Teilnahme an Eucharistie- und Abendmahlsfeiern der jeweils anderen Konfession aus. Die Absage des Vatikan dazu zeige, dass es "noch großer Anstrengungen in der Aufnahme ökumenischer Erkenntnisse" bedürfe, so Sattler. Vergangene Woche hatte der Vorsitzende der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Gerhard Feige, betont, er halte die Debatte um eine Mahlgemeinschaft von Katholiken und Protestanten weiterhin für offen. Zwar erwarte er in dieser Frage im neuen Jahr "nicht unbedingt" offizielle Entscheidungen. "Aber wir lassen bei der Frage nicht locker", so Feige wörtlich.
Exkommunikation Luthers: "Die gesamte Geschichte erzählen"
Mit Blick auf die Exkommunikation Martin Luthers (1483-1546) vor 500 Jahren sagte die Theologin, ein solcher Ausschluss aus der kirchlichen Gemeinschaft sei mit dem Tod aufgehoben. Einen formalen Schritt, den Ausschluss aufzuheben brauche es daher nicht. Auch heilten solch "schmerzhafte Erinnerungen" nicht durch einen Rechtsakt allein. Vielmehr brauche es eine umfassende Erinnerungsarbeit. Der Blick auf einzelne Ereignisse helfe nicht. "Wir müssen die gesamte Geschichte erzählen, auch die Wechselwirkungen", so die Theologin. So habe etwa auch Luther impulsiv gehandelt, Gesprächsangebote aus Rom nicht wahrgenommen und so zur Dramatisierung beigetragen.
Zuletzt hatten etliche namhafte Theologen eine offizielle Rücknahme der Exkommunikation Luthers als ökumenische Geste gefordert. In der Vergangenheit hatte sich unter anderem die Dogmatikerin Johanna Rahner dafür ausgesprochen, den Bann formal zurückzunehmen und das als "wichtiges ökumenisches Zeichen" bezeichnet. "Dadurch könnte die katholische Kirche ihre heutige Wertschätzung der Protestanten ausdrücken", so Rahner. Der Augsburger Bischof Bertram Meier hat Forderungen nach der Rücknahme der Exkommunikation Martin Luthers dagegen zurückgewiesen. "Die Exkommunikation des Reformators wurde bereits mit seinem Tod aufgehoben. Einen formalen Akt braucht es also nicht mehr", sagte Meier. (mal/KNA)