Synodale: Haben keine Zukunft, wenn wir nicht wirklich etwas ändern
Seit über einem Jahr läuft der Synodale Weg der Kirche in Deutschland. Eigentlich hätte im Februar die dritte Synodalversammlung stattfinden sollen – aufgrund der Corona-Pandemie musste sie aber verschoben werden. Das Buch "Synodaler Weg – Letzte Chance?" möchte Einblicke in die Arbeit der Synodalen geben. Gemeinsam mit Marcus Leitschuh hat Michaela Labudda das Buch herausgegeben. Im Interview erklärt sie, warum Transparenz für den Reformprozess so wichtig ist.
Frage: Frau Labudda, die Synodalversammlungen im vergangenen September und im kommenden Februar konnten und können aufgrund der Corona-Pandemie nicht in beschlussfähiger Form stattfinden. Soll ihr Buch jetzt ein Lebenszeichen für den ins Stocken geratenen Synodalen Weg sein?
Labudda: Das kann man so sehen. Marcus Leitschuh und ich haben das Buch geplant, bevor wir wussten, dass Corona uns in die Planung der Synodalversammlung und der gesamten Arbeit hineingrätschen wird. Die Idee war, zur Halbzeit des Synodalen Weges so ein Zeichen zu setzen, also zur dritten Synodalversammlung, die jetzt stattfinden sollte. Unser Ziel war es, Einblicke in die Arbeit zu geben, bevor man sich auf bestimmte Beschlüsse festlegt.
Frage: Das heißt, Sie haben sich auch vorgenommen, ein Lebenszeichen zu setzen?
Labudda: Es ist zumindest ein Einblick in den laufenden Prozess und in die Arbeit. Es war von Anfang an so geplant, dass die Menschen, die diesen Prozess mitgestalten, die Möglichkeit bekommen, davon zu erzählen. Und das ist das, was das Buch versucht: Einblick zu geben in den Maschinenraum des Prozesses. Die Autorinnen und Autoren erzählen transparent von dem, was sie besprechen, denken und tun.
Frage: Nun läuft der Synodale Weg offiziell seit rund einem Jahr. Hat man bisher verpasst, transparent zu sein und die Gläubigen zu beteiligen, die nicht als Synodale dabei sind?
Labudda: Das sehe ich nicht so. Es gab schon am Anfang die Idee des Synodalbüros, ganz viele Leute über das Internet zu beteiligen. Dabei sind über 5000 Eingaben zurückgekommen. Aber diejenigen, die mitgestalten, können jetzt erst berichten. Man musste erst einmal mit der Arbeit beginnen. Die erste Synodalversammlung ist öffentlich gut begleitet worden, aber seither hat die Basisinformation unter anderem durch Corona gelitten. Von der Arbeit in den Foren zwischen den Versammlungen erfahren die meisten Menschen eher wenig.
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Frage: Inwiefern geht das mit Ihrem Buch?
Labudda: Unser Buch bietet die Transparenz, die am Anfang des Weges als Anspruch formuliert wurde. Unterschiedlichste Stimmen kommen zu Wort. So kann sich auch der ganz "normale" Christ, der in der Gemeinde engagiert ist und sich für den Synodalen Weg interessiert, selbst ein Bild machen.
Frage: Es gibt durchaus auch kritische Stimmen zum Synodalen Weg, sowohl von Teilnehmern als auch von Außenstehenden. Kommen die auch in Ihrem Buch vor?
Labudda: Selbstverständlich! Wir haben den Blick von "vor der Tür", wie wir es nennen. Eine ganze Reihe Menschen, die nicht daran teilnehmen, begleiten den Synodalen Weg kritisch. Das sind beispielsweise "Maria 2.0" oder "Wir sind Kirche". Diese Stimmen haben wir in einem Kapitel miteingebunden, weil sie den Synodalen Weg durch das, was sie tun und sagen, auch mitgestalten – obwohl sie an den eigentlichen Prozessen nicht teilnehmen. Mit einem anderen Beitrag versuchen wir, den Blick in die Weltkirche zu weiten.
Frage: Und was ist mit den kritischen Stimmen innerhalb des Synodalen Wegs?
Labudda: Wir haben versucht, aus den jeweiligen Foren Mitglieder zu bekommen, die uns etwas von ihrer Arbeit erzählen. Wir haben für jedes Forum vier bis fünf Beiträge. Ich finde, dass die eine ziemliche Vielfalt wiederspiegeln. Und es sind nicht nur die unterstellten progressiven Kräfte dabei, sondern wir haben quer durch das Meinungsspektrum Menschen angefragt und abgebildet. Was wir in unserem Buch feststellt haben: Es gibt gar nicht diese beiden blockierenden Meinungen, sondern es gibt eine ganze große Vielfalt von Zugängen und Menschen, die mitgestalten – in allen Facetten, die das Meinungsspektrum zu bieten hat. Und da sind viele kritisch, auch wenn sie sagen: Wir sind bewusst auf diesem Weg.
Frage: Was ist denn das Neue bei den Beiträgen der Autorinnen und Autoren? Sind das Positionen, die auch beim Synodalen Weg geäußert wurden?
Labudda: Es sind persönliche Zugänge. Es ist gewollt, dass jeder seine eigene Meinung ins Wort bringen kann. Das werden die Autorinnen und Autoren sicherlich auch in den Arbeitsgruppen tun, in denen sie tätig sind. Durch die persönlichen Erfahrungen und Meinungen müssen aber auch die Leserinnen und Leser von Kapitel zu Kapitel ihre Perspektive wechseln. Wir haben dabei bewusst keine Vorgabe gemacht, welches Genre die einzelnen Beiträge haben sollen.
Frage: Welche Genres sind dabei herausgekommen?
Labudda: Es gibt Zugänge, bei denen die eigene Lebensgeschichte erzählt wird, aber auch eher poetische und bildhafte Beschreibungen. Es gibt politische Artikel genauso wie theologisch-geistliche Texte oder Gebete. Was ich besonders erfreulich finde, ist der Beitrag der jüngeren Leute in der Synodalversammlung. Da sind sehr viele Zukunftsvisionen für die Kirche dabei, für die die jungen Menschen eine besondere Rolle spielen.
Frage: Der Titel Ihres Buches lautet "Synodaler Weg – letzte Chance?". Was glauben Sie persönlich, müsste passieren, damit die Kirche überhaupt noch eine Chance hat durch den Synodalen Weg?
Labudda: Die Idee des Synodalen Wegs ist es, Glaubwürdigkeit wieder zurückzuerlangen, die durch die Missbrauchsskandale verlorengegangen ist. Es ist gerade nicht die beste Zeit, Visionen zu beschreiben. Dennoch haben alle, die auf dem Synodalen Weg unterwegs sind, eine Vorstellung davon, wie Kirche im Idealbild aussehen könnte. Insofern ist meine Hoffnung, dass wir durch die Diskussionen und die Anregungen, die vom Synodalen Weg ausgehen, tatsächlich wieder das bekommen, was man Authentizität nennt: Eine Glaubwürdigkeit der einzelnen Protagonisten und eine Freiheit des Glaubens, die sich gegen die bisherigen Zwänge der Institution auch behaupten kann.
Frage: Welche konkreten Punkte müssen aus Ihrer Sicht erreicht werden?
Labudda: Da kann man die vier Foren durchgehen: Es muss deutlich werden, dass Macht nicht mehr in den Händen Einzelner liegen darf, sondern dass wir deutlich paritätischere Strukturen finden müssen. Wir müssen wegkommen von dem überhöhten Priesteramt, in dem sich alle Macht zentriert. Die ungünstige Koalition aus Weihe und Leitung wird ja auch jetzt schon in vielen Bistümern aufgeweicht oder neu gedacht. Frauen müssen einen deutlich gleichberechtigteren Stand haben – wenn es nach mir geht bis in alle Ämter hinein. Und letztlich müssen wir auch lernen, anders über Sexualität zu reden und anders umzugehen mit dem Thema Sexualität als nur über Moralansprüche zu reden, die letztlich die Lebenswelt der Menschen nicht mehr treffen.
Frage: Sehen Sie denn auch die Möglichkeit, dass diese "letzte Chance" nicht genutzt wird?
Labudda: Der Bischof von Münster, Felix Genn, hat sinngemäß einmal gesagt, man könne dem Herrn nicht vorschreiben, was er mit seiner Kirche zu tun gedenkt. Das würde ich so unterschreiben. Vermutlich gäbe es die Kirche weiterhin. Aber es wäre auch blauäugig zu denken, dass wir, wenn wir nicht wirklich etwas ändern, eine Zukunft haben. Das zeigen die 272.771 Menschen, die allein 2019 aus unserer Kirche ausgetreten sind. Und das zeigt auch die Unzufriedenheit der Menschen vor Ort, die man mit einem wachen Ohr durchaus mitbekommen kann. Und das zeigt die Frustration der Engagierten, die sich im Moment auf allen Ebenen rühren und sagen: So geht es nicht mehr.
Zur Person
Michaela Labudda (*1969) ist wissenschaftliche Referentin an der Katholischen Hochschule NRW und Gemeindereferentin im Erzbistum Paderborn. Sie ist Vorsitzende des Bundesverbandes der Gemeindereferent/-innen Deutschlands e.V. Sie ist Mitglied der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, der Synodalversammlung und im Forum "Priesterliche Existenz heute".
Buchtipp
Michaela Labudda, Marcus Leitschuh (Hrsg.): Synodaler Weg – Letzte Chance? Standpunkte zur Zukunft der katholischen Kirche. Bonifatius Verlag, Paderborn 2021, 216 Seiten, 18,90 Euro. ISBN: 978-3897108738.