Kolumne: Unterwegs zur Seele

Von der Tugend der Geduld – und wie man sie lernen kann

Veröffentlicht am 14.01.2021 um 16:36 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Corona stellt die Gesellschaft auf eine harte Probe. Geduldige Menschen haben es da gut. Doch je älter man werde, desto schwerer sei die Korrektur der eigenen Ungeduld, schreibt Brigitte Haertel. Helfen könnten dabei bewährte christliche "Techniken".

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Corona hat Deutschland in eine gereizte Gesellschaft verwandelt. Das Schlangestehen an Kassen und vor Geschäften strapaziert die Geduld der Menschen. Wenn sie sie denn je hatten: Geduld ist ein rares Gut nicht nur in schweren Zeiten. Die sie besitzen, dürfen sich begnadet nennen.

Für alle anderen ist das Ausharren in schweren Zeiten eine mühsame Übung, sowieso taktet Ungeduld das heutige Leben: Mit dem mobilen Internet sind ganze Generationen 24 Stunden versucht, sich mit unnützen Informationen vollzustopfen und sich ihre Wünsche sofort zu erfüllen. "Das macht müde und ungeduldig", sagt der Verhaltensökonom Gerhard Fehr. Und Ungeduld ist ein veritabler Glückskiller – weil sie Stress mit sich bringt, Wut und Aggression. Wertvolle Aphorismen wie "Gut Ding will Weile haben" sind längst auf dem Müllberg der Geschichte verkommen.

Jede Generation wird ungeduldiger

Ungeduld ist eine Triebfeder vieler Kinder. Sie sind an die sofortige Befriedigung ihrer Bedürfnisse gewöhnt, folgerichtig streben sie auch als Erwachsene danach, schnell ans Ziel zu kommen. Ihre Eltern sind meist ungeduldiger als Eltern es in früheren Zeiten waren, als diese noch nah an der Natur und den Jahreszeiten lebten.

"Ein jegliches hat seine Zeit unter dem Himmel, hat seine Stunde", sagt der Prediger Salomo (Koh 3,1-8). Und wo hat Ungeduld je dazu beigetragen, dass das Korn schneller reift? Die Geduld ist die Schwester der Tapferkeit, behauptete der antike Philosoph Aristoteles. Und der Schriftsteller Prentice Mulfort drückte es so aus: "Mutlosigkeit wurzelt in der Überstürzung, im Mangel an Ruhe." Jeder, der schon einmal um einen geliebten Menschen trauerte, weiß, dass die Überwindung des Schmerzes Mut braucht, dass sie vor allem Zeit braucht und ihr mit Ungeduld nicht beizukommen ist.

Uhrzeit über einem Kalender
Bild: ©Fotolia.com/Jamrooferpix (Symbolbild)

Alles muss schneller, besser werden, wird den Menschen eingetrichtert. Aber führt dieser Weg wirklich zum Erfolg?

Der vorherrschende Optimierungszwang, dieser Lehrmeister der Ungeduld, suggeriert der Menschheit jeden Tag: nicht trödeln, keine Zeit verplempern, alles muss schneller, besser werden. Der Apple-Konzern wirbt für sein neues I-Phone mit dem Slogan: "Fast zu schnell, um wahr zu sein."

Wer es mit 40 noch nicht ins Top-Management geschafft hat, schafft es nie mehr, so ein gängiges Credo, das die Tugend der Geduld in die Ecke stellt. "Dabei ist Geduld häufig der Schlüssel zum Erfolg", sagt Gerhard Fehr. "Geduldige Menschen haben bessere Jobs, verdienen mehr Geld und sind zufriedener." Und die Philosophie weiß seit langem: Die tiefere Bedeutung der Dinge, so etwas wie Weisheit und die Offenheit für Überraschungen eröffnen sich allein dem Geduldigen.

Je älter, desto schwieriger

Es gibt wohl kaum einen mühsameren, einen schwierigeren Weg als den eines ungeduldigen Menschen hin zur Geduld: Der Grundstein für Geduld wird in den ersten Lebensjahren gelegt, zudem sind Geduld und ihr Gegenteil Ausdruck unterschiedlicher Temperamente. Für ältere Menschen ist es sehr viel schwieriger, Ungeduld zu korrigieren. Schwer aber heißt nicht unmöglich: Das regelmäßige Gebet kann helfen, sich in Geduld zu üben, die Meditation wie auch die Dankbarkeit. Und auch die Corona-Krise mit ihrer Vollbremsung des Lebens kann Menschen dabei unterstützen, zur Besinnung zu kommen.

Im Buch Sirach des Alten Testamentes ist nachzulesen, wieviel Geduld Gott mit uns Menschen hat. Wo wären wir wohl sonst?

Von Brigitte Haertel

Die Autorin

Brigitte Haertel ist Redaktionsleiterin von "theo – Das Katholische Magazin".

Hinweis: Der Artikel erschien zuerst im "theo"-Magazin.