Partei steht vor einer Richtungsentscheidung

Drei Katholiken im Wettstreit: Die CDU erneuert ihre Führung

Veröffentlicht am 16.01.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Wen wählt die CDU bei ihrem digitalen Parteitag zu ihrem Vorsitzenden? Drei Kandidaten bewerben sich um den Posten – und setzen unterschiedliche politische Akzente. Doch eines steht schon fest: Der künftige Parteichef ist ein Katholik.

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Bildschirm statt Kongresshalle – und von echter Parteitags-Atmosphäre vermutlich wenig zu spüren. Die Delegierten des 33. CDU-Bundesparteitags müssen sich nach mehreren Corona-bedingten Verschiebungen jetzt doch erstmals digital treffen. Wie strapaziös das werden kann, mussten die Grünen im November erfahren.

Um die eigentlich geplante Verabschiedung eines neuen Parteiprogramms ist es seit dem angekündigten Rückzug Annegret Kramp-Karrenbauers vom Parteivorsitz eher still geworden. Nun geht es vor allem um ihre Nachfolge und die Wahl des Präsidiums – und damit um den potenziellen Kanzlerkandidaten und Merkel-Nachfolger im Superwahljahr 2021.

Richtungsentscheidung nach der Ära Merkel

Drei Kandidaten bewerben sich um den Parteivorsitz – und versuchen dabei den Spagat, eigenes Profil zu zeigen und gleichzeitig den Parteifrieden nicht zu gefährden. Damit kommt keine rechte Wahlkampfstimmung auf. So betonte nicht nur Norbert Röttgen: "Uns verbindet mehr, als uns trennt." Was ihn auf alle Fälle mit Friedrich Merz und Armin Laschet verbindet, ist die Zugehörigkeit zum CDU-Landesverband Nordrhein-Westfalen und die Sozialisierung in der katholischen Kirche. Doch trotz aller demonstrierten Harmonie nach außen ist die Wahl auch eine Richtungsentscheidung nach der Ära Merkel.

Bild: ©KNA

Unter den drei Kandidaten ist Armin Laschet am stärksten katholisch gefärbt.

Biografisch ist der 59-jährige Laschet, NRW-Ministerpräsident und Vorsitzender des mit Abstand größten Landesverbandes, wohl am stärksten katholisch gefärbt: von der Familie über die Grundschule bis in die Studentenverbindung. 1991 wurde er Chefredakteur der Kirchenzeitung für das Bistum Aachen und war bis 1999 Geschäftsführer des katholischen Einhard Verlags. Als Ministerpräsident sah er beim Lockdown von einem direkten Eingriff des Staates in die Religionsfreiheit ab und setzte auf eine Selbstverpflichtung der Kirchen. Bei einer Privataudienz holte er sich unlängst auch noch den Segen von Papst Franziskus.

Laschet sieht sich am ehesten in der christsozialen Tradition der ehemaligen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und des früheren CDU-Generalsekretärs Heiner Geißler. Der Rheinländer liebäugelt zudem seit langem mit einer Zusammenarbeit mit den Grünen, betont zugleich aber auch, dass er mit der FDP gut klarkomme.

Merz: Mitglied der Kolpingfamilie

Für den im Sauerland geborenen Wirtschaftsanwalt Friedrich Merz gilt eher das Konservative als Markenkern – neben einer deutlich wirtschaftsliberalen Ausrichtung. Aufgewachsen ist er im tiefschwarzen Brilon: Familien- und heimatverbunden, Mitglied einer katholischen Studentenverbindung, des heimischen Schützenvereins und der Kolpingfamilie, ist er zugleich überzeugter Europäer und Transatlantiker.

Merz prägte den Begriff der "deutschen Leitkultur" gegenüber grünem "Multikulti" und versprach eine Steuererklärung auf Bierdeckelformat. Während er 1995 gegen den Abtreibungskompromiss votierte, gibt er sich gesellschaftspolitisch inzwischen liberaler. Dennoch steht er für Profilschärfung und klare Kante und kann auch schon mal populistische Register ziehen – wie bei der jüngsten Schelte gegen das "Parteiestablishment" der CDU. Er gilt als Hoffnungsträger jener, die in der Ära Merkel tendenziell eine Sozialdemokratisierung der Partei sehen und ihrer Asyl- und Flüchtlingspolitik skeptisch begegnen.

Bild: ©dpa/Christoph Schmidt

Das Konservative als Markenkern: Friedrich Merz.

Als erster warf aber Norbert Röttgen seinen Hut in den Ring; mit großem Überraschungseffekt. Denn seit seiner Niederlage als CDU-Spitzenkandidat in NRW und seiner Entlassung als Bundesumweltminister vor acht Jahren hat sich der Rheinländer vor allem als Außenpolitiker profiliert. "Ich stehe nicht für ein Lager, sondern ich bin für das christliche Menschenbild als universelles Konzept, für die soziale und ökologische Marktwirtschaft als gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnungsidee", so der Rechtsanwalt.

Das "C" ist für ihn ein "guter Kompass". Bei Abstimmungen sprach er sich etwa gegen die Ehe für alle aus und für die Zustimmungslösung bei der Organspende. Ebenso begründete er seinerzeit den Umweltschutz mit der Pflicht zur "Bewahrung der Schöpfung". Bei Themen wie Migration und Integration verlangt er interreligiösen Dialog und Toleranz.

Wer neuer CDU-Vorsitzender wird, steht allerdings auch am Ende des Parteitags noch nicht verbindlich fest. Die Delegierten müssen noch einmal per Briefwahl abstimmen. Die Stimmzettel sollen am 22. Januar ausgezählt werden. Und dann wäre noch die Kanzlerkandidatenfrage zu klären. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus sieht hier keinen Automatismus. So könnte auch noch Jens Spahn (CDU) ins Spiel kommen – ebenfalls ein Katholik aus NRW. Als Bundesgesundheitsminister hat er sich in der Corona-Pandemie Meriten erworben. Oder es grätscht in letzter Minute ein bekennender Protestant aus der Schwesterpartei CSU dazwischen, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.

Von Christoph Scholz (KNA)