Joe Biden als US-Präsident vereidigt – auch Papst gratuliert
Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat Joe Biden am Mittwoch in Washington seinen Eid als Präsident der USA abgelegt. Zuvor war Kamala Harris vor den Stufen des Kapitols als erste schwarze Vizepräsidentin vereidigt worden. Bidens Vorgänger Donald Trump nahm nicht an den Feierlichkeiten teil.
In seiner Rede zum Amtsantritt, der "Inaugural Adress", mahnte Biden seine Landsleute zu Geschlossenheit. Zugleich betonte er, ein Präsident für alle Amerikaner sein zu wollen. Ohne Trump namentlich zu erwähnen, prangerte Biden Lügen an, die aus Macht- oder Profitgier in Umlauf gebracht worden seien. Zum Ende seiner Ansprache rief er zu einem stillen Gebet im Gedenken an die Corona-Toten auf. Bereits im Vorfeld hatte Biden angekündigt, dem Kampf gegen die Pandemie oberste Priorität einräumen zu wollen. Coronabedingt fand die Amtseinführung anders als sonst üblich ohne Massenpublikum statt.
Tag mit Gottesdienst begonnen
Den Tag begonnen hatte Biden mit einem Gottesdienst in der katholischen St.-Matthew-Kathedrale. Der 78-Jährige ist nach John F. Kennedy erst der zweite Katholik an der Spitze der Vereinigten Staaten.
Ein Höhepunkt neben dem musikalischen Rahmenprogramm unter anderen mit Lady Gaga und Jennifer Lopez war der Auftritt der 22-jährigen Dichterin Amanda Gorman. In ihrem Gedicht "The Hill We Climb" ("Der Hügel, den wir erklimmen") thematisierte sie die aktuellen gesellschaftlichen Verwerfungen in den USA und die Hoffnung auf eine friedvolle Zukunft.
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Die US-Bischöfe formulierten am Tag der Vereidigung ihre Erwartungen an die neue Regierung. Der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Erzbischof Jose Gomez, signalisierte in einer Stellungnahme die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der neuen Regierung auch bei umstrittenen Themen. Zugleich kritisierte er Biden in ungewöhnlich offenen Tönen für dessen Haltung etwa in der Abtreibungsdebatte.
Der Präsident wolle Maßnahmen ergreifen, "die moralische Übel fördern und das Leben und die Würde des Menschen bedrohen", so der Erzbischof von Los Angeles. Neben Bidens Position zur Abtreibung nannte er dessen Ansichten zu Empfängnisverhütung, Ehe und Genderfragen. Abtreibungen bezeichnete Gomez als direkten Angriff auf das Leben.
Es handle sich dabei nicht nur um eine "Privatsache", so der Vorsitzende der Bischofskonferenz weiter. Abtreibungen würden auch "beunruhigende und grundlegende Fragen der Brüderlichkeit, Solidarität und Inklusion" aufwerfen. "Wir können die Tatsache nicht ignorieren, dass die Abtreibungsraten bei Armen und Minderheiten viel höher sind und dass das Verfahren regelmäßig angewendet wird, um Kinder zu eliminieren, die mit Behinderungen geboren würden."
Verhältnis zu Biden werde "einzigartig" sein
Anstatt eine weitere Liberalisierung bei Abtreibung und Empfängnisverhütung durchzusetzen, hoffe er darauf, dass Biden den Dialog mit der Kirche suche, so Gomez, der zugleich betonte, das Verhältnis der Bischöfe zu Biden werde "einzigartig" sein, weil dieser seit 60 Jahren der erste katholische Präsident in der Geschichte der USA sei.
Davon unabhängig unterstrich Gomez, die Bischöfe mischten sich nicht in die Parteipolitik ein. "Wir arbeiten mit jedem Präsidenten und jedem Kongress zusammen. In einigen Fragen stehen wir eher auf der Seite der Demokraten, in anderen stehen wir an der Seite der Republikaner."
Laut Berichten amerikanischer Online-Medien hatte es unmittelbar vor der Veröffentlichung unter den Bischöfen Unstimmigkeiten über den Text und die kritischen Äußerungen von Gomez an die Adresse Bidens gegeben.
Papst Franziskus gratulierte dem neuen US-Präsidenten zum Amtsantritt. Er wolle Gott bitten, ihm "Weisheit und Kraft für die Ausübung des hohen Amtes" zu schenken, heißt es in einem Telegramm an Biden, das der Vatikan am Mittwoch unmittelbar im Anschluss an Bidens Antrittsrede veröffentlichte.
Angesichts schwerer Menschheitskrisen, so das Kirchenoberhaupt, sollten Bidens Entscheidungen geleitet sein "von der Sorge um den Aufbau einer Gesellschaft, die geprägt ist durch wahre Gerechtigkeit und Freiheit". Gleichzeitig brauche es "unermüdlichen Respekt" für Rechte und Würde jedes Menschen, "insbesondere der Armen, der Schwachen und derer, die keine Stimme haben".
Wunsch nach Zusammenarbeit von Franziskus und Biden
Auch möge Gott Bidens Amtsführung dabei leiten, "Verständnis, Versöhnung und Frieden innerhalb der USA sowie unter den Nationen der Welt zu fördern, um das universelle Gemeinwohl voranzubringen". Dabei erinnerte Franziskus auch an die "politischen, ethischen und religiösen Werte", die die USA seit ihrer Gründung inspiriert haben.
Franziskus hatte Biden bereits persönlich in einem Telefonat kurz nach der Wahl im November gratuliert. Wie Bidens Team damals mitteilte, hatte er dabei den Wunsch nach Zusammenarbeit geäußert. Biden ist nach John F. Kennedy erst der zweite katholische Präsident in der Geschichte der USA.
Der Fuldaer Bischof Michael Gerber äußerte sich ebenfalls zum Amtsantritt Bidens. Er sehe darin eine wichtige "Wegmarke im weltweiten politischen Geschehen". Wenn in den USA "zwei derart unterschiedliche Präsidenten" aufeinander folgten wie jetzt Biden auf Donald Trump, werde dies "weitreichende Folgen nicht nur für das Land, sondern für die globale Entwicklung insgesamt haben", schreibt er in einem Beitrag für die Zeitschrift "basis", die von der Schönstatt-Bewegung herausgegeben wird.
Viele Hoffnungen seien mit Bidens Amtsantritt verbunden, so Gerber weiter. Vor allem sei er gefordert, die vielschichtige und zerstrittene Gesellschaft zu einen. Die offizielle Bezeichnung seines Landes – United States of America (Vereinigte Staaten von Amerika) – werde für Biden "zur Herausforderung und damit zum Programm".
Wechsel im Weißen Haus sei Anlass, einiges zu hinterfragen
Den Wechsel im Weißen Haus sieht der Bischof zudem als Anlass, Einiges zu hinterfragen, etwa Trumps ständig wiederholte Parole "America first". Gerber fragt wörtlich: "Gilt für mich die Devise 'Wir zuerst' – wer immer auch dieses Wir ist? Oder paart sich das Verantwortungsbewusstsein für die mir anvertrauten Menschen mit dem Anspruch, mit meinem Handeln auch Verantwortung zu tragen für jene, die jenseits meines Milieus, meiner Nation, meiner Religion leben?" Zum Profil eines christlichen Weltbildes gehöre unverzichtbar die Überzeugung, dass "sowohl die Nächste als auch der Fernste mir Schwester und Bruder sind"
Weiter stellt der Bischof die Frage: "Reduziere ich meine Erkenntnisse auf die Zeichenzahl einer Twitter-Nachricht? Oder bin ich bereit, kritisch und differenziert hinzuschauen, mit dem Anspruch tiefer zu verstehen, wie komplex die großen Themen dieser Welt miteinander verwoben sind?" Eine demokratische Kultur lebe davon, dass in ihr genügend mündige Bürgerinnen und Bürger bereit und fähig seien, sich den großen Fragen dieser Welt "in der ihnen innewohnenden Komplexität zu stellen". Das sei auch das beste Mittel gegen Extremisten aller Art, die mit Angriffen und Kränkungen für eine Polarisierung der Gesellschaft sorgten. (cbr/KNA)