Deutsche Bischöfe legen katholischen und ökumenischen Anlass zusammen

Erstmals offiziell: Zwei "Bibelsonntage" am selben Termin

Veröffentlicht am 27.01.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Der Ökumenische Bibelsonntag und der katholische Sonntag des Wortes Gottes wollen das Gleiche: die Heilige Schrift in den Mittelpunkt stellen. In Deutschland werden beide Anlässe zukünftig am selben Tag gefeiert – weltweit einzigartig. Katholisch.de erklärt den Tag und macht Gestaltungsvorschläge.

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In diesem Jahr ist es soweit: Am 31. Januar können die katholischen Gemeinden in Deutschland den Sonntag des Wortes Gottes und den Ökumenischen Bibelsonntag erstmals offiziell am selben Tag feiern. Endlich kommt zusammen, was zusammengehört, heißt es von verschiedener Seite. Dabei liegt die Betonung auf "offiziell". Denn auch im vergangenen Jahr fielen die beiden Anlässe rund um die Heilige Schrift auf denselben Termin – damals allerdings noch "zufällig".

Papst Franziskus hatte im September 2019 für die katholische Kirche weltweit den "Sonntag des Wortes Gottes" eingeführt. Dieser findet am dritten Sonntag im Jahreskreis statt, also am dritten Sonntag nach Erscheinung des Herrn am 6. Januar, und soll in besonderer Weise "der Feier, der Betrachtung und der Verbreitung des Wortes Gottes gewidmet sein". In Deutschland aber feiern katholische, evangelische, orthodoxe und freikirchliche Christen schon seit 1982 am letzten Sonntag im Januar den Ökumenischen Bibelsonntag – ebenfalls mit dem Anliegen, die Heilige Schrift in den Mittelpunkt des Gottesdienstes zu stellen. Was wäre es da für ein Zeichen, wenn die Katholiken ausgerechnet im Land der Reformation dem seit langem etablierten konfessionsübergreifenden Bibelsonntag ein eigenes, gewissermaßen "römisches" Bibelfest "vorwegfeiern" würden?

Glück gehabt, könnte man also sagen, dass die Wochentage im Januar letztes Jahr so lagen, dass auf das Epiphaniefest nur drei Sonntage folgten. Der deutsche und der römische Ehrentag für die Heilige Schrift fielen also in eins. Um auch zukünftige Abwägungen zu vermeiden, ob nun der ökumenische oder der weltkirchliche Anlass in den Gemeinden höher zu gewichten sei, hat die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) schon im Frühjahr 2020 entschieden, dass der Sonntag des Wortes Gottes in Deutschland fortan am Termin des Ökumenischen Bibelsonntag begangen werden soll.

"Wunderbares Zeichen für ökumenisches Engagement"

Klar ist, dass diese Zusammenlegung keiner willkürlichen Bequemlichkeit entsprang. Vielmehr ist die ökumenische Dimension bereits in Franziskus' Intention für den Sonntag des Wortes Gottes verankert. Nicht ohne Grund platzierte er den Gedenkanlass in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur internationalen Gebetswoche für die Einheit der Christen, die jährlich im Zeitraum vom 18. bis 25. Januar stattfindet und unter der Federführung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) steht. In seinem Schreiben zur Einführung des neuen Schriftsonntags betonte Franziskus, dass es sich nicht "um ein bloß zeitliches Zusammentreffen" handle. Als gemeinsames Glaubensfundament komme der Bibel eine zentrale Rolle im Gespräch der Konfessionen zu. So ist der Sonntag des Wortes Gottes für den Pontifex "von ökumenischer Bedeutung, denn die Heilige Schrift zeigt denen, die auf sie hören, den Weg, der beschritten werden muss, um zu einer authentischen und soliden Einheit zu gelangen".

Die geschäftsführende Direktorin des Katholischen Bibelwerks, Katrin Brockmöller, lobt die Entscheidung der deutschen Bischöfe zugunsten eines gemeinsamen Bibelsonntags "für alle" als "wunderbares Zeichen, das das große ökumenische Engagement anerkennt, das seit vielen Jahren auch vom Katholischen Bibelwerk geleistet wird". Gemeinsam mit Marius Linnenborn, dem Leiter des Deutschen Liturgischen Instituts, hatte sich Brockmöller schon früh für eine Verbindung der beiden Termine starkgemacht. Viele Initiativen, den Ökumenischen Bibelsonntag auch offiziell in den liturgischen Kalender der katholischen Kirche in Deutschland zu integrieren, seien in der Vergangenheit an dogmatischen Fragen zur Eucharistiegemeinschaft gescheitert, sagt sie. Mit der Verlegung des Wort-Gottes-Sonntags hat der traditionsreiche Ökumenesonntag von katholischer Seite nun eine zusätzliche Aufwertung erhalten. Die Entscheidung der Bischofskonferenz sei daher "eine Ermutigung für die vielen ehrenamtlichen Gruppen, die gemeinsam den Bibelsonntag begehen," so die Leiterin des Bibelwerks.

Bild: ©Fotolia.com/B-C-designs

Der Sonntag des Wortes Gottes soll nach dem Willen von Papst Franziskus nicht nur die liturgische Bedeutung der Bibel im Gottesdienst hervorheben, sondern die Gläubigen auch zur persönlichen Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift anregen.

Seine Ursprünge hat der Ökumenische Bibelsonntag in einer Initiative der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK). 1976 wurde daraufhin in Baden-Württemberg erstmals konfessionsübergreifend ein der Bibel gewidmeter Tag gefeiert. Von den beiden in Stuttgart ansässigen Bibelwerken, der Deutschen Bibelgesellschaft (ihrer Entstehung nach evangelisch) und dem Katholischen Bibelwerk, wurde die Idee weiterentwickelt und hat sich in der Folgezeit als bundesweiter Brauch etabliert. Dabei stellte sich von Anfang an die Frage, wozu es überhaupt einen besonders herausgehobenen Bibelsonntag brauche – immerhin sei die Schrift doch zentraler Bestandteil eines jeden Gottesdienstes. Und auch bei der Einführung des Sonntags des Wortes Gottes sprachen kritische Stimme von einem weiteren "Motto-Sonntag", der ebenso wenig nötig sei wie etwa ein eigener "Sonntag der Eucharistie".

Tatsächlich gibt es einen solchen Festtag, der die besondere Bedeutung der Eucharistie ins Zentrum der Feier stellt, aber durchaus: das Hochfest des Leibes und Blutes Jesu Christi am zweiten Donnerstag nach Pfingsten – kurz Fronleichnam. Und nachdem bereits das Zweite Vatikanischen Konzil auf die sakramentale Stellung des Wortes Gottes für das christliche Leben hingewiesen hat, scheint ein fester Tag im liturgischen Kalender, der den Gläubigen die Heilige Schrift als geistige Nahrung aufs Neue ins Bewusstsein ruft, keineswegs überflüssig. So schreibt auch Papst Franziskus, dass der Bibelsonntag nicht einfach "'einmal im Jahr', sondern einmal für das ganze Jahr stattfinden" soll. Es geht also um eine liturgisch fokussierte Hervorhebung dessen, was den christlichen Gottesdienst dauerhaft prägt: Gottes Gegenwart bei den Menschen in seinem Wort. Die Feier des Bibelsonntags entspreche der "Notwendigkeit, uns mit der Heiligen Schrift und dem Auferstandenen eng vertraut zu machen, der nie aufhört, das Wort und das Brot in der Gemeinschaft der Gläubigen zu brechen", so der Papst weiter.

Eine Gefahr im Umgang mit der Bibel spricht Franziskus in seinem Einführungsschreiben zum Wort-Gottes-Sonntag selbst an: Die Bibel dürfe nicht als wörtliche Äußerung Gottes vergegenständlicht werden. Ein Schriftverständnis, das im "geschrieben Text eingeschlossen" bleibt, führt nach Ansicht des Papstes "leicht zu einer fundamentalistischen Auslegung, von der man sich fernhalten muss, um den inspirierten, dynamischen und spirituellen Charakter des biblischen Textes nicht zu verraten". Eine Zunahme fundamentalistischer Strömungen, die auf eine wörtliche Auslegung der Heiligen Schriften pochen, lässt sich seit Jahren nicht nur im Islam und Judentum beobachten, sondern auch bei evangelikalen und traditionalistischen Gruppierungen des Christentums. Diese fordern etwa bezüglich der Stellung der Frau oder in Fragen der Sexualmoral eine strenge Unterwerfung unter die nach ihrem Verständnis biblisch verbürgte göttliche Ordnung. Papst Franziskus macht sich dagegen für eine dynamische Schriftinterpretation stark und betont, dass sich der "tote Buschstabe" erst durch das Wirken des Heiligen Geistes in das "lebendige Wort Gottes" verwandeln könne.

Gestaltung des "doppelten Bibelsonntags"

Durch die unmittelbare Verbindung mit dem Ökumenischen Bibelsonntag hebt der Sonntag des Wortes Gottes in Deutschland auf besondere Weise die Bibel als das alle Christinnen und Christen verbindende Buch in den Mittelpunkt. Gerade in der Auseinandersetzung mit dem "Buch der Bücher" kann sich der Austausch mit den anderen Konfessionen als bereichernd erweisen, indem er festgefahrene Denkmuster infrage stellt und neue Glaubensperspektiven eröffnet. So versteht auch Papst Franziskus den Sonntag des Wortes Gottes nicht allein als liturgisches Ereignis, sondern wünscht sich, dass die Gläubigen "im Alltag das Lesen und die Vertiefung der Heiligen Schrift wie auch das Beten mit ihr" fortsetzen. Auf diese Weise könnten die Menschen in ökumenischer Verbundenheit erkennen: "Als Christen sind wir ein Volk, das in der Geschichte unterwegs ist, gestärkt durch die Gegenwart des Herrn in unserer Mitte, der zu uns spricht und uns nährt."

Das Motto des diesjährigen Ökumenischen Bibelsonntags lautet: "…das Reich Gottes ist mitten unter euch" (Lk 17,21). Im jährlichen Wechsel von Altem und Neuem Testament schlägt die ACK ein biblisches Buch als thematischen Schwerpunkt vor – in diesem Jahr das Lukasevangelium. Vielerorts wird der Ökumenische Bibelsonntag mit der Durchführung der Ökumenischen Bibelwoche verbunden. Diese widmet sich mit Vorträgen, Schriftgesprächen oder Andachten demselben Text und soll zu einer vertieften Beschäftigung mit der Heiligen Schrift anregen. In Arbeitshilfen werden dazu die Textabschnitte für den jeweiligen Tag sowie Begleitfragen und Erläuterungen zur Verfügung gestellt. Die meisten Kirchengemeinden legen die Bibelwoche so, dass der Ökumenische Bibelsonntag entweder als deren Eröffnung oder Abschluss gefeiert wird.

Auch für die Gottesdienstvorbereitung am "doppelten Bibelsonntag" werden im Internet verschieden Gestaltungselemente und Materialien angeboten. Da die fortlaufende Leseordnung der Messe möglichst nicht unterbrochen werden sollte und der Thementext des Ökumenischen Bibelsonntags deshalb in der Eucharistiefeier keine Verwendung findet, stellt das Katholische Bibelwerk einen von der ACK erstellten Entwurf für einen Wortgottesdienst zu Verfügung. Dieser enthält etwa eine Predigtmeditation zur Motto gebenden Passage aus dem Lukasevangelium sowie thematisch abgestimmte Fürbitten. Das Deutsche Liturgische Institut bietet ebenfalls eine Handreichung zum Sonntag des Wortes Gottes an und empfiehlt, einen besonderen liturgischen "Ort des Buches" als Ausgangsort für eine Prozession mit dem Lektionar einzurichten.

Von Moritz Findeisen