Experte erwartet Belebung von religiösem Tourismus nach dem Frühjahr

Wie es um die Zukunft von organisierten Pilgerreisen steht

Veröffentlicht am 24.01.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Organisierte Pilgerreisen können momentan wegen der Corona-Krise nicht stattfinden. Doch wie wird das Jahr 2021 für die Branche? Der Experte für religiösen Tourismus Rüdiger Tramsen wagt im Interview einen Ausblick.

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Wie steht es in der Corona-Krise um die Zukunft von organisierten Pilgerreisen? Rüdiger Tramsen (61), Geschäftsführer des Stuttgarter Veranstalters Biblische Reisen, wagt im Interview einen Ausblick.

Frage: Herr Tramsen, das Heilige Land, Rom, der Jakobsweg und das Jakobusjahr 2021 - das alles scheint derzeit ziemlich weit weg zu sein. Wie sehen Sie die Zukunft von organisierten Pilgerreisen?

Tramsen: Wir erwarten eine Belebung des Reisegeschäftes im geringen Umfang ab April oder Mai, im größeren Umfang in der zweiten Jahreshälfte. Voraussetzung dafür sind eine gute Impfquote und aufrecht erhaltene Öffnungen von Grenzen mit möglichst wenig Reiseeinschränkungen.

Frage: Haben Sie im Vergleich zur Prä-Corona-Zeit viele geplante Reisen erst gar nicht ins Programm genommen?

Tramsen: Wir haben unser Katalogangebot um etwa die Hälfte gegenüber den Vorjahren reduziert.

Frage: Wo sehen Sie künftig Schwerpunkte bei Pilgerzielen?

Tramsen: Es werden mit Sicherheit mehr innerdeutsche Reisen angeboten, auch hier gibt es interessante Pilgerziele und -themen. 2022 werden die Passionsspiele in Oberammergau wieder einen großen Raum einnehmen, die 2020 verschoben wurden.

Frage: Kommen wir zurück zu Santiago de Compostela und Spanien: Da ist bei Flugankünften bis auf weiteres ein PCR-Test verpflichtend. Wird das Gäste abschrecken?

Tramsen: Hier kommt es sehr auf die Zusammensetzung der Gruppen und das Reisebedürfnis an. Je größer die Sehnsucht auf eine Reise ist, desto niedriger ist die Hemmschwelle durch staatliche und gesundheitspolitische Verordnungen. Wenn also jemand unbedingt das Heilige Jahr auf dem Jakobsweg erleben möchte, wird man diese Einschränkungen in Kauf nehmen. Die PCR-Tests sind organisatorisch allerdings sehr problematisch. Deshalb hoffen wir entweder auf die Impfungen oder unproblematische Schnelltests. Andererseits sind Quarantäne-Auflagen ein No-Go. Wenn Reiseteilnehmer entweder im Reiseland oder nach Rückkehr in die Heimat in eine zehn- oder vierzehntägige Quarantäne müssten, ist die Durchführung einer organisierten Reise nicht möglich beziehungsweise unzumutbar.

Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht

Rom ist ein beliebtes Ziel für Pilgerreisen. Doch wie viele Menschen werden sich in der Corona-Pandemie trauen, Rom und den Vatikan zu besuchen?

Frage: Erwarten Sie, dass sich das allgemeine Buchungsverhalten ändert?

Tramsen: Ja, wir gehen unabhängig vom Reiseziel von wesentlich kurzfristigeren Buchungen aus. Die Gäste werden abwarten wollen, wie sich die Situation entwickelt und sich dann so spät wie möglich festlegen wollen.

Frage: Wie überzeugen Sie Kunden, die mittlerweile Skepsis oder sogar Angst vor Reisen haben?

Tramsen: Wir, unsere Partneragenturen und die Hotels vor Ort halten sich an die geltenden Hygienebestimmungen. Beispielsweise reisen unsere Gruppen mit einem Audiosystem namens "Quietvox". Da die Reiseleitung mit einem Sendegerät und die Teilnehmer mit Empfangsgeräten mit recht großer Reichweite ausgestattet sind, müssen sich die Teilnehmer nicht mehr eng um den Reiseleiter scharen, um den Ausführungen zu lauschen. So werden Abstände eingehalten. Die Busse werden täglich desinfiziert und möglichst dünn belegt, das heißt: möglichst große Busse auch für kleine Gruppen.

Frage: Also weniger Belegung bei gleichen Kosten; werden die Reisen der Zukunft mit signifikanten Preiserhöhungen verbunden sein?

Tramsen: Wir müssen davon ausgehen, dass die Reisepreise steigen werden. Vor allem betrifft dies die Linienflüge, die stark ausgedünnt werden. Meines Erachtens waren die Flugpreise in den letzten Jahren sowieso in der Regel zu niedrig, vor allem gemessen am ökologischen Fußabdruck.

Frage: Der Slogan bei Biblische Reisen lautet "Kulturen erleben, Menschen begegnen". Mittlerweile scheinen sich jedoch Menschen vor Mitmenschen zu fürchten, da jeder ein Gefährder sein kann. Gibt es einen Einschnitt, der Sie besonders schmerzt?

Tramsen: Es schmerzt uns tatsächlich besonders, wenn Begegnungen durch Hygieneauflagen nicht oder nur noch eingeschränkt möglich sind. Gerade diese machen ein Kernelement unserer Reisen aus. Da wir aber optimistisch in die Zukunft blicken, gehen wir davon aus, dass bei einer gewissen Normalisierung der Corona-Situation auch wieder Begegnungen - ob geplant oder ungeplant - mit den Menschen unserer Destinationen möglich sein werden. Wir werden unseren Slogan nicht wegen eines temporären Virus ändern.

Von Andreas Drouve (KNA)