Langendörfer: In Bischofskonferenz weniger Zusammenhalt als früher
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Im Januar wurde Pater Hans Langendörfer nach knapp 25 Jahren im Amt des Sekretärs der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) verabschiedet. Drei Päpste erlebte er in dieser Zeit – und vier DBK-Vorsitzende. Im Interview blickt er zurück auf ein Vierteljahrhundert der katholischen Kirche in Deutschland.
Frage: Ein Vierteljahrhundert waren Sie immer bei allen wichtigen, interessanten Momenten der deutschen Kirche dabei, waren auf allen Fotos. Zu Beginn: Nennen Sie uns einen besonders schönen und einen besonders schwierigen Moment in dieser Zeit.
Langendörfer: Besonders schön fand ich wirklich den Papstbesuch. Der ist jetzt zehn Jahre her und hat viel, viel Arbeit bereitet, in der Logistik. Das hat aber auch viel Spaß gemacht, das zu tun. Und als er dann kam, am Flughafen Köln-Bonn gelandet ist, das war ein wunderbarer Augenblick und die ganze Reise auch.
Dann fragen Sie mich nach einem Augenblick, wo ich lieber nicht dabei gewesen wäre. Vielleicht ist es tatsächlich die Pressekonferenz, als die Studie über den Missbrauch vorgestellt wurde und eine bleierne Atmosphäre im Raum gewesen ist und die Kommunikation so gar nicht gut funktioniert hat. Ich glaube, das war zumindest einer der Augenblicke, die ich als besonders schmerzlich empfunden habe.
Frage: Warum? Die ganze Missbrauchs-Thematik geht ja über einen längeren Zeitraum. Was hat sich so auf diesen einen Moment konzentriert?
Langendörfer: Man präsentiert die Ergebnisse einer Studie, die sehr schwierig und sehr belastend für alle Anwesenden, für die kirchlichen Vertreter jedenfalls, gewesen sind. Das Gespräch und die Fragen, die gekommen sind, waren sehr fordernd und alle, die von der Kirche da waren, merkten, dass eine schwere, schwere Schuldgeschichte da war.
Frage: Sie haben im Sommer 1996 angefangen, als Sekretär der Bischofskonferenz zu arbeiten. Nun hat unsere Gesellschaft, die Kirche, die Welt vor 25 Jahren vollkommen anders ausgesehen. Bundeskanzler war Helmut Kohl, Papst war Johannes Paul II. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz war Kardinal Lehmann. Wenn Sie so zurückblicken: Was war das für eine Zeit? Wie hat die sich unterschieden zu dem, was wir heute haben?
Langendörfer: Das war die Ära Kohl im politischen Bereich. Ich habe angefangen, ganz unwesentlich nach dem dritten Papstbesuch von Johannes Paul II. Das war der Papstbesuch, der zulief auf den Aufenthalt in Berlin, im Stadion, die Messe, aber dann vor allen Dingen eben auch der Gang mit Helmut Kohl durch das Brandenburger Tor. Eine kirchliche Würdigung der wiedergewonnenen Einheit.
Die Bischöfe auch aus der, wie wir immer gesagt haben und heute teilweise noch sagen, Region Ost, also den neuen Bundesländern, waren noch nicht so lange dabei. Es war auch eine Zeit, in der doch noch deutlicher als es gegenwärtig der Fall ist, Glaube und Kirche auch eine öffentliche Präsenz hatten. Da ist doch in 25 Jahren sehr viel Änderung gekommen.
Frage: Vorsitzender der Bischofskonferenz war Kardinal Lehmann, was war das für eine Zusammenarbeit? Wie haben Sie die Kirche in der Zeit erlebt?
Langendörfer: Kardinal Lehmann kannte mich aus meiner Doktorarbeit. Dem war nichts zu entgehen. Er kannte mich aber vor allen Dingen eben auch aus gemeinsamen Themen im Umfeld von Politik und Kirche, damals auch des "konziliaren Weges", so haben wir das damals genannt, für Gerechtigkeit, Frieden, Schöpfungsbewahrung.
„Denn jeder weiß, Kardinal Lehmann, damals Bischof Lehmann, war ein wirklicher Menschenfreund und hat sich immer dafür interessiert, was auch die Geschwister, die Eltern oder sonstige im Freundeskreis gemacht haben.“
Er hatte das Vertrauen, dass dieser damals noch etwas jüngere Jesuit dieser Aufgabe gewachsen wäre und hat mich dann gebeten und war ein toller Chef, der fast täglich den Kontakt gesucht hat. Meistens in den Abendstunden. Dass man sich aussprach über das, was in der Bischofskonferenz eben im Sekretariat gewesen ist, aber auch was er erlebt hat, und ein bisschen einen Ausblick machte. Das war sehr intensiv und sehr angenehm. Denn jeder weiß, Kardinal Lehmann, damals Bischof Lehmann, war ein wirklicher Menschenfreund und hat sich immer dafür interessiert, was auch die Geschwister, die Eltern oder sonstige im Freundeskreis gemacht haben.
Frage: Sekretär der Bischofskonferenz. Was macht man da eigentlich?
Langendörfer: Ja, da versucht man, den Bischöfen die Arbeit zu erleichtern. Bischöfe arbeiten ja in der Bischofskonferenz in sogenannten Kommissionen zusammen, die sich von Glaubensfragen hin erstrecken bis zu Migrationsfragen aller Art. Und diese Arbeit so etwas zusammenzuhalten, ist die Aufgabe des Sekretärs. Aber eben dann auch insbesondere für den Vorsitzenden der Bischofskonferenz in den Alltagsfragen wie auch in den strategischen Fragen da zu sein. Aber dann eben auch im sogenannten Verband der Diözesen Deutschlands, das ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts hier im Hause, eben die Leitung zu haben. Und damit sind sehr viele juristische, wirtschaftliche Fragen verbunden. Organisationale Fragen, sodass insgesamt doch ein ziemlich großes Paket zusammenkommt.
Frage: Jetzt fallen in Ihre Amtszeit auch drei Pontifikate. Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus, denen Sie natürlich in Ihrer Funktion auch mehrmals begegnet sind. Wie hat sich denn die Kommunikation mit dem Vatikan und die Kommunikation der Bischöfe mit den Päpsten verändert?
Langendörfer: Das war schon unterschiedlich. Bischof bzw. Kardinal Lehmann war ja nun durch und durch Römer, auch wenn das nicht immer so identifiziert worden ist. Er hatte in Rom studiert, sprach sehr gut Italienisch und hat sich sehr bemüht um den Kontakt zur Glaubenskongregation und auch zur Bischofskongregation, war häufig da und hat viele Gespräche geführt, auf allen möglichen Hierarchieebenen, natürlich auch mit dem Papst, von dem aber auch gesagt werden muss, dass er zu Beginn meiner Amtszeit 1996 zwar noch stark war, aber eben auch schon ein bisschen in seiner Arbeitskraft eingebüßt hatte.
Der Erzbischof Zollitsch, der dann dem Kardinal folgte, hatte keine ausgeprägte römische Erfahrung, nicht mehr als ein normaler Bischof, der ab und zu etwas in Rom zu besprechen hat. Und da galt es, sich bekannt zu machen mit den Materien, dann eben auch mit den verschiedenen Dikasterien, sagt man ja, den verschiedenen Ministerien, einzusteigen, sich eben auch in der Glaubenskongregation bekannt zu machen, auch bei der Bischofskongregation. Aber das haben die Umstände natürlich dann auch sehr schnell zur Normalität werden lassen. Sie erinnern sich, dass die Frage des Neubaus des Bischofshauses in Limburg in die Amtszeit von Erzbischof Zollitsch fiel. Und damit war eben auch ein intensiver Kontakt mit Rom unabweisbar und unabänderlich gewesen, weil es doch da das eine oder andere zu klären gab.
Kardinal Marx ist leicht umschrieben. Er hat zwar nicht in Rom studiert, ist aber sehr präsent gewesen und ist weiterhin präsent in Rom. Er hat ja auch zu Anfang des Pontifikats von Papst Franziskus die Ehre angetragen bekommen, in dem Kardinalsgremium mitzuarbeiten. Also da ist ein Mann, der auf allen Ebenen und sehr eng und auch zeitlich eng getaktet in Rom ist.
Bischof Bätzing hat seine Eröffnungs-Runde und seine Vorstellungsgespräche geführt. Und da sind erste Verbindungen geknüpft.
Frage: Und wenn wir auf die Päpste schauen? Das Bild ist ja, dass sich durch Papst Franziskus das Bild des Papstes, das Bild des Vatikans grundsätzlich geändert hat. Würden Sie das auch auf der Arbeitsebene so sehen?
Langendörfer: Ja, das würde ich schon sagen. Also ich habe selbst, wie ich eben schon sagte, Johannes Paul II. als den großartigen amtserprobten Heiligen Vater kennengelernt in Deutschland und in Rom, ohne dass eine sehr enge Kommunikation da gewesen wäre. Es war das Pontifikat, das schon vielleicht jenseits seines Zenits gewesen war, obschon große Initiativen ja noch auch während meiner Amtszeit von Johannes Paul II. kamen. Ich denke nur mal an die ganz wichtige Initiative rund um das Heilige Jahr 2000, den Jahrtausendwechsel, den er ja brillant genutzt hat für eine Aufarbeitung mancher Probleme in der Kirche.
Papst Benedikt XVI. war für mich ein Papst, der mich kannte, weil ich mich ihm schon sehr früh, eben als er Kardinal war, in der Glaubenskongregation vorgestellt hatte. Er kannte auch mein persönliches Umfeld, meinen Doktorvater, andere, mit denen ich zusammenarbeitete, sodass dort ein von mir aus sehr respektvolles Umgehen mit ihm möglich gewesen ist. Ich durfte ab und zu auch an Gesprächen teilnehmen und vor allem seine Reise nach Deutschland vorbereiten.
Papst Franziskus ist zwar nicht der Mitbruder aus dem Jesuitenorden, aber ein bisschen schon, der mich verschmitzt und lächelnd fragt, wie ich das wohl alles hinkriege mit den Bischöfen.
Frage: Wenn wir auf das Miteinander unter den Bischöfen schauen, das ist ja auch ein großes Thema. Wenn wir uns zurückerinnern, in den 90ern und auch 2000ern gab es durchaus Konflikte. Lehmann - Meisner. Heutzutage hat man ein bisschen das Gefühl, es gibt Konflikte zwischen allen, jeder mit jedem. Wie hat sich da das Miteinander verändert? Oder ist das intern gar nicht so ein großes Problem, wie es nach außen wirkt?
Langendörfer: Das mag durchaus sein. Es gibt schon bemerkenswerte Verschiebungen, die jetzt gar nicht konfliktbeladen sind. Ich nenne mal ein oder zwei, die mir so aufgefallen sind.
Im Laufe der zurückliegenden Jahre hat sich das Miteinander der Kirche, sozusagen der alten Bundesrepublik und der neuen Region Ost, sehr geändert. Es sind jetzt auf Bischofstühlen kaum noch Bischöfe, die aus der Region selber gekommen sind, wie z.B. Bischof Feige in Magdeburg, der seine Ausbildung und sein priesterliches und bischöfliches Leben ganz geprägt sieht von Magdeburg, von seinem Studium in Erfurt und so weiter.
Aber in Dresden ist ein "Wessi", der sich sehr viel Mühe gibt, ein Verständnis zu wecken und zu transportieren für die spezifischen Probleme Sachsens. Also ich anerkenne das sehr, empfinde es ganz wunderbar. Ähnlich ist es in Berlin. Ähnlich ist es in Erfurt. Da hat sich also in der Zusammensetzung des Episkopats doch einiges geändert.
Und vielleicht ein anderes Beispiel: Als ich angefangen habe, waren noch all die Ordinarien zumindest, die auch die gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland 1972 bis '75 mitgemacht haben, präsent, die also bei allen Unterschieden und oppositionellen Verschiedenheiten doch eine gemeinsame Erfahrung dieses kirchlichen Ereignisses hatten, gemeinsam versucht hatten, in der Synode eben das Zweite Vatikanische Konzil in Deutschland fruchtbar werden zu lassen.
Diese innere Verbindung, die übrigens dann natürlich auch in das Zentralkomitee der deutschen Katholiken rüber reichte, ist heute naturgemäß nicht mehr so da, sondern es sind individuell geprägte Lebensläufe, die im Einzelfall, weil man im selben Bistum ist oder zusammen studiert hat, auch zusammenbringen, aber nicht mehr in der Qualität, wie ich es gerade beschrieben habe.
Und die Streit-Linien: Vielleicht ist es tatsächlich so, dass von außen eingeschätzt wird: Hier ist eine Gruppe, die in sich bitter zerstritten ist. So ist es natürlich nicht. Es gibt klar pointierte, unterschiedliche Positionen, die sich aneinander reiben, immer wieder. Vielleicht gibt es auch heutzutage eher eine Situation, wo man gar nicht mehr weiß, wie man eigentlich Brücken bauen soll, weil es nicht ein klares Hin oder Her gibt. Aber dass sich der deutsche Episkopat nun so gar nichts gegenseitig zu sagen habe, das ist wirklich ein Märchen, mit dem man aufräumen sollte.
Frage: Das heißt, so unterschiedlich die Standpunkte sind, man bleibt trotzdem noch im Gespräch und ist kooperationsbereit?
Langendörfer: Ja, aber ich weiß schon ziemlich genau, wer gerne mit wem telefoniert und mit wem er nicht so gerne telefoniert und wo man auch nicht so böse ist, wenn man ihn jetzt nicht unbedingt wiedersieht. Aber das ist, glaube ich, menschlich und normal.
Frage: Haben Sie da auch mal als Vermittler arbeiten müssen?
Langendörfer: Das gehört natürlich schon dazu, wenn es oppositionelle Verschiedenheiten gibt. Es muss ja auch immer wieder mal gesehen werden, dass die Bischofskonferenz, die ja nun auch unter einer Handlungserwartung steht, zusammenfindet und dass man Kompromisslinien entwickelt. Wo dann, das ist ja der Sinn eines Kompromisses, nicht alles verwirklicht wird, was man gerne sehen würde, aber eben doch ein bisschen. Und jeder bewegt sich. Das gehört schon auch zur Aufgabe des Sekretärs, so etwas auszuloten. Deswegen habe ich mich jedenfalls immer bemüht, mit allen reden zu können und mit allen telefonieren zu können und da keine Ausnahmen und Lagerbildung von mir zu gestatten. Das hat ziemlich gut funktioniert.
Frage: Sie sagten eingangs, einer der unangenehmsten Momente war die Vorstellung der MHG-Studie im Herbst 2018. Das Problem ist ja da nicht erst in die Welt getreten. Wir hatten 2010 schon mal die erste Welle von Berichterstattung, die durch Pater Klaus Mertes vom Canisius-Kolleg in Berlin ins Rollen gebracht wurde. Auch vorher wusste man schon, dass es in anderen Ländern große Probleme gibt, in Irland, in den USA. Inwiefern hat sich denn in Ihren 25 Jahren der Umgang und auch das Problembewusstsein geändert?
Langendörfer: Sie haben völlig Recht. Sexueller Missbrauch durch den Klerus ist ein Thema, das es irgendwie immer schon gegeben haben mag, aber das schon in den 2000er-Jahren nach vorne kam. Ich entsinne mich an erste Überlegungen in der Bischofskonferenz. Der damalige Weihbischof von Fulda wurde gebeten, mal etwas zu Papier zu bringen, wie man kirchlicherseits auf Missbrauchsvorfälle reagieren sollte. Kardinal Lehmann hat dann auch die Nähe gerade zu Wissenschaftlern gesucht, die ihn hier in unserem Gästehaus regelmäßig beraten haben.
Aber das alles war nicht von der Intensität, wie es dann hinterher ab 2010 wurde. Es war zwar ein eigenes Problem, aber eher hatte man den Eindruck, dass man da ganz anders und sehr, sehr viel weniger als andere Länder, Sie nannten Irland und die USA, betroffen wäre. Das war eine Illusion, die dann mit einem Riss plötzlich zu Ende gegangen ist, die nicht mehr haltbar gewesen ist, eben in den Jahren 2010 und 2011.
Ich glaube, dass zu diesem Zeitpunkt das Erschrecken, das Grauen, vorherrschend war, dass sich hier Männer, die in besonderer Weise für die Kirche einstehen und in ihr tätig sind und sein sollen, menschenverachtender Verbrechen und Missetaten schuldig gemacht haben. Dieses Erschrecken über sich selbst, dann der sofort natürlich eintretende Reflex, dafür um Verzeihung zu bitten, auch Buße zu tun. Sie erinnern sich, dass in einer ersten Phase diese Bitte um Verzeihung und Gesten der Buße sehr stark da gewesen sind.
Es standen dann diejenigen im Fokus, denen man Unrecht angetan hatte. Also erstmals kamen auch die Betroffenen, die Opfer, als diejenigen in den Blick, an denen man sich versündigt hatte und deren Leben man gezeichnet und in sehr, sehr vielen Fällen eben auch unauflösbar beeinträchtigt und zerstört hatte.
Und mit ihnen die Täter, in der nächsten Phase, fast beginnend mit den Studien, die angestellt wurden - es war ja nicht nur die MHG-Studie, es waren auch andere - trat dann stärker wieder die Frage in den Vordergrund: Wer sind denn die Verantwortlichen für die Täter? Und das ist vielleicht noch die Phase, in der wir im Moment sind, wo unter dem Allgemeinbegriff Vertuschung nach denen gesucht wird, die dann auch Führungsverantwortung getragen haben.
Das sind schon unterscheidbare Entwicklungsstufen in der Auseinandersetzung mit dem Missbrauch. Das große, bis heute gültige Programm, wenn man so sagen will, die Selbstverpflichtung, die man eingegangen ist, war dann eine Reaktion auf die MHG-Studie 2018. Und da sind ja etliche Punkte definiert worden als dringend abzuarbeiten. Und dazu gehört dann letztlich auch noch der Synodale Weg.
„Wir haben jetzt wirklich nicht die Stunde, wo wir uns wehleidig beschweren sollten, dass man uns nicht versteht und unseren guten Willen nicht sieht. Da, meine ich, muss man etwas nüchterner sein.“
Frage: Viel ist passiert, das ist klar. Das haben Sie schon angesprochen. Viel wird auch getan, um Prävention zu betreiben, um aufzuklären. Trotzdem kann man ja nicht verhehlen, dass die Meinung in der Öffentlichkeit und auch im Journalismus mitunter vernichtend ist. Das haben Sie jedes halbe Jahr bei den Pressekonferenzen der Vollversammlung mitbekommen, wie der Tonfall schärfer wurde. Ist das denn gerechtfertigt? Oder würden Sie sagen: Die Welt versteht uns nicht? Wir tun was, aber es kommt nicht an.
Langendörfer: Nein. Wir haben jetzt wirklich nicht die Stunde, wo wir uns wehleidig beschweren sollten, dass man uns nicht versteht und unseren guten Willen nicht sieht. Da, meine ich, muss man etwas nüchterner sein. Aber es ist misslich, dass wir in der Interaktion und in der Kommunikation oft nicht richtig vermitteln können, dass wir nachprüfbare und sinnvolle und auch durchaus erfolgreiche Schritte getan haben, um unsere Schuld aufzuarbeiten und um für die Zukunft Ähnliches zu verhindern.
Also die enge Zusammenarbeit mit dem Bundesbeauftragten, Herrn Rörig in Berlin, war ja eine Programm-Entscheidung, dass man die eingegangen ist. Das ist eigentlich eine - beiderseitig anerkannt - gute Sache und die katholische Kirche ist da, glaube ich, fantasievoll und aktiv unterwegs.
Ich nenne nur noch ein Beispiel: Diese ganze Frage einer niemals angemessen zu leistenden finanziellen Anerkennung des Leids, diese sind wir neu angegangen. Es ist nicht zu bezahlen, die Wunden, die man in ein Leben getrieben und gebracht hat. Aber wir haben uns nach der MHG-Studie neu diesem Problem gestellt und sind jetzt zu Ergebnissen gekommen. Misslich ist meinem Empfinden nach, dass schwer zu kommunizieren ist, dass hier Schritte, von denen ich sagen würde, dass sie in die richtige Richtung gehen, getan worden sind. Und ich habe dafür Verständnis, wenn Betroffene da nicht schweigen wollen. Ich habe auch Verständnis dafür, wenn Journalisten sagen: Ja, da müsst ihr aber noch viel mehr tun. Müssen wir auch. Und doch bleibt ein bisschen das Gefühl, dass wir uns einfach nicht verständlich machen können.
Frage: Lassen Sie uns gegen Ende in die Zukunft schauen. Es ist eine schwierige Zukunft, das kann man nicht verhehlen. Sie haben in "Christ in der Gegenwart" vor kurzem noch geschrieben: Es sind fast apokalyptische Bilder, die von manchen gezeichnet werden. Bischof Bätzing sagt als Vorsitzender der Bischofskonferenz, dass er das Ende der Volkskirche schon gekommen sieht. Zudem haben wir noch die Herausforderungen durch die Pandemie. Wie kann man sich da die Hoffnung behalten? Was sehen Sie da noch Positives?
Langendörfer: Ich muss ganz ehrlich sein. Irgendwann wird man natürlich auch fromm und sagt: Der liebe Gott hat uns gesandt. Wir sollen etwas sehr, sehr Schönes in dieser Welt bezeugen, nämlich den Glauben und die Hoffnung, die sich auf Jesus Christus stützt und eine Zukunft für alle erschließt. Und dass wir in diesen Dienst genommen sind und uns da auch sicher sein dürfen, gewiss sein dürfen, dass Christus bei uns ist, das ist natürlich die Quelle der Hoffnung und die ist nochmal etwas größer als äußere Faktoren quantitativer oder qualitativer Art.
Gleichwohl stimmt es, dass die Kirche in ihrer, auch noch zu Beginn meiner Amtszeit vorherrschenden Art, nicht mehr da ist. Die Zahlen sprechen dagegen, dass alles noch so sei wie immer und vieles andere auch, weil wir in einem jetzt doch sehr ausgeprägten Pluralismus religiöser Art leben, die anderen religiösen Orientierungen auch da sind.
Ich glaube, dass wir uns darauf werden einstellen können. Dazu bedarf es viel Suchens und auch vieler Experimente in den Bereichen, wie man Menschen erreichen und ansprechen kann. Da müssen noch neue Sprachspiele erlernt werden, neue Kommunikationswege beschritten werden. Da muss die Kirche auch weiterhin klare Wertpositionen vertreten. Ich nenne mal den Lebensschutz hier als ein Beispiel von äußerster Wichtigkeit. Aber das werden wir schaffen. Da sind so viele Menschen, die gerne mittun und deren Kräfte noch gar nicht richtig zum Einsatz kommen konnten, dass mir da nicht bange ist.