Der Papst hat Ischias – kein Grund zur (großen) Sorge
Geplagt ist Franziskus schon lange. In jüngster Zeit aber macht dem Papst sein Ischias-Leiden vermehrt zu schaffen. Zum zweiten Mal binnen vier Wochen sagte er offizielle Termine ab: nach Silvester- und Neujahrsgottesdienst nun am Sonntag eine weitere Messe im Petersdom, am Montag dann den Empfang fürs Diplomatische Korps und die Vesper zur Gebetswoche für die Einheit der Christen. Offenbar waren die Schmerzen zu stark. Zu stark jedenfalls für längere Auftritte.
Am Mittwoch bei der Videoansprache, die derzeit die Generalaudienz ersetzt, war Franziskus wieder da. Und ließ sich nichts anmerken. Wie schon beim Angelus-Gebet am Sonntag ging der 84-Jährige mit keiner Silbe auf seine neuerliche Ischialgie ein, eine äußerst schmerzhafte Reizung des großen Ischias-Nervs, die vom unteren Rücken in das ganze Bein bis in den Fuß ausstrahlt.
Schon zu Weihnachten plagten den Papst seine Schmerzen stärker. Beim Einzug zur Christmette in den Petersdom hinkte er stärker als sonst, wirkte teils unkonzentriert, häufiger als sonst rutschte ihm ein spanisches Wort ins Italienische. Trotzdem sorgten die päpstlichen Terminabsagen für keinen größeren Medienwirbel, nicht einmal in der leicht erregbaren Social-Media-Welt.
Bei Paul VI., vor allem Johannes Paul II. oder auch Benedikt XVI. führten jede Terminabsage, jedes Anzeichen möglicher Schwäche zu Spekulationen, von denen die Blase rund um den Vatikan besonders gerne zehrt. Nicht so bei Franziskus. Das hat zwei Gründe. Zum einen hat – neben dem Rücktritt von Benedikt XVI. – Franziskus' Amtsführung zum weiteren Abbau des früheren Papst-Nimbus beigetragen: Mehr als früher ist der Papst "auch nur ein Mensch".
Werden die Reisen des Pontifex nun kürzer?
Vor allem aber: Anders als die Parkinson-Krankheit bei Johannes Paul II. reduziert das Ischias-Leiden weder Franziskus' Lebenserwartung, noch schränkt es seine Fähigkeit zur Regierungsführung ein – es sei denn, er ließe sich mit Schmerzmitteln vollpumpen. In der Regel verschreiben Ärzte Physiotherapie, Massagen, nötigenfalls ein entzündungshemmendes Mittel oder eines zur Muskelentspannung, um die schmerzhafte Reizung zu lindern.
Allerdings kann das Leiden den päpstlichen Aktionsradius verringern. Die Dauer öffentlicher Auftritte wie auch die Länge seiner Reisen könnten kleiner werden. Reizung oder gar Entzündungen des Ischias-Nervs mit Schmerzen in Rücken und Beinen treten bekanntlich vermehrt auf, wenn man längere Zeit in derselben Haltung verharrt. Morgens beim Aufstehen, nach langen Sitzungen oder beim Warten im Stehen ist es oft besonders arg. Zu schaffen machen Franziskus vor allem Stufen – beim Hinuntergehen mehr als beim Steigen. Daher ist in diesen Momenten bisher immer ein stützender Arm an seiner Seite.
Wie es dem Papst geht? – "Privacy"
Anfragen nach dem Befinden des Pontifex beantwortet der vatikanische Pressesaal seltenst: "Privacy", lautet die lakonische Antwort. Immerhin bestätigte man Mitte Januar im Nachhinein, Franziskus habe sich gegen das Coronavirus impfen lassen; soviel verlangte die päpstliche Vorbildfunktion dann doch.
Wie sonst zu hören ist, lässt sich Franziskus, zwei Mal pro Woche wegen des Rückenleidens behandeln. Dafür komme ein Physiotherapeut ins Gästehaus Santa Marta. Zwischendrin soll Franziskus, wie er eben ist, sich gelegentlich selber hinüberbegeben zum vatikanischen Gesundheitsdienst – "andere müssen das ja auch".
Die Tatsache, dass Franziskus binnen eines Jahres krankheitsbedingt ein halbes Dutzend offizieller Termine absagte, wird dadurch relativiert, dass er die halbe Zeit ohnehin "in privato" arbeitet, ohne offiziellen Terminkalender. Sollte also neben der Pandemie auch der böse Ischias ihn künftig daran hindern, öfter und lange öffentlich aufzutreten, intensiviert Franziskus die Schreibtischarbeit an seinen Reformen und verlegt sich auf andere Kanäle. Art und Zahl der Erlasse, Schreiben, Interviews, Grußbotschaften und Vorwörter im vergangenen Jahr deuten darauf hin: Amtsmüde ist Franziskus noch lange nicht.