Kölns Stadtdechant fordert persönliche Konsequenzen von Bistumsleitung
Der Kölner Stadtdechant Robert Kleine fordert angesichts der Debatte um die Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum persönliche Konsequenzen der Bistumsspitze. In anderen gesellschaftlichen Bereichen übernähmen Führungskräfte sogar politische Verantwortung für Fehler, die sie sich persönlich nicht einmal zurechnen lassen müssten, sagte der Geistliche am Montag dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Bei uns waren Verantwortliche auch persönlich involviert. Daher müssen sie erst recht sagen: Dafür stehe ich ein."
Kleine appellierte an die Verantwortlichen, bereits vor Erscheinen des neuen Missbrauchsgutachtens am 18. März Verantwortung zu übernehmen. Alle wüssten, wer in den vergangenen Jahren als Bischöfe, Generalvikare oder Personalchefs amtiert hätten. Diejenigen, die wüssten, dass ihr Tun gegenwärtig untersucht werde, müssten schon vor der Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse zu ihren Fehlern stehen.
Auf jeden Fall müssten Konsequenzen unmittelbar nach der Vorstellung des Gutachtens gezogen werden, sagte Kleine. "Darüber kann man jedenfalls nicht erst nach dem 18. März in irgendwelchen Kreisen diskutieren", unterstrich er. "Da geht es nicht darum, dass Köpfe gefordert würden. Die Menschen haben vielmehr die berechtigte Erwartung, dass die Befunde der Juristen nach mehrjähriger Arbeit Folgen haben. Wenn es überhaupt noch ein Stück Glaubwürdigkeit gibt, hängt sie am 18. März am seidenen Faden."
Selbst Menschen aus innerstem Zirkel hätten Vertrauen in Bistumsleitung verloren
Aus Sicht des Geistlichen herrscht auch bei überzeugten Katholiken angesichts des Vorgehens der Bistumsspitze große Ratlosigkeit. Die Außenwirkung sei ein Desaster; viele Gläubige seien verzweifelt und würden gefragt, warum sie "denn immer noch in diesem Verein" seien. Selbst Menschen aus dem innersten Zirkel hätten das Vertrauen in die Bistumsleitung und den Erzbischof verloren. Der Stadtdechant betonte, er gehe davon aus, dass Kardinal Rainer Maria Woelki einen ernsthaften Willen zur Aufklärung gehabt habe. Doch in seinen Augen habe Woelki auf den falschen Rat gehört, als er entschieden habe, das zunächst in Auftrag gegebene Gutachten nicht zu veröffentlichen. "Ich bin der Ansicht: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende."
In der vergangenen Woche hatte die Laienvertretung im Erzbistum Köln ihre Zusammenarbeit mit der Bistumsleitung um Woelki ausgesetzt. Nach der "ungeklärten Missbrauchsaufarbeitung" müsse erst wieder die "Basis für Vertrauen und Glaubwürdigkeit hergestellt werden", beschloss der Diözesanrat bei seiner Vollversammlung. In einem weiteren Beschluss forderte das Gremium ehemalige und aktive Mitglieder der Bistumsleitung auf, unabhängig von juristischen Gutachten Pflichtverletzungen im Umgang mit Missbrauchsfällen zu benennen. Zudem wurden in der vergangenen Woche zwei Brandbriefe bekannt, mit denen sich mehr als 50 Priester an die Bistumsleitung gewandt hatten. Darin kritisieren sie unter anderem die "misslingende Missbrauchsaufarbeitung" und einen Loyalitätskonflikt mit der Bistumsspitze.
Woelki und mit ihm die gesamte Bistumsleitung stehen in der Kritik, weil sie ein erstes Missbrauchsgutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) nicht wie zunächst vorgesehen veröffentlichen lassen. Das Papier habe "methodische Mängel", heißt es zur Begründung. Woelki beauftragte daher einen neuen Gutachter, der seine Ergebnisse bis zum 18. März vorlegen will. Zudem wird dem Kardinal vorgeworfen, selbst an Vertuschung beteiligt gewesen zu sein. Er soll einen Missbrauchsfall aus den 1970er-Jahren, von dem er 2015 erfahren hatte, pflichtwidrig nicht an den Vatikan gemeldet haben. Woelki hat den Papst gebeten, diese Vorwürfe gegen ihn zu prüfen. (tmg/KNA)