Kohlgraf: Homosexuelle Paare begleiten statt verurteilen
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat sich für einen differenzierten Blick der Kirche auf gleichgeschlechtliche Paare ausgesprochen. Er plädiere zwar nicht für eine Segensform, die einer Trauung ähnlich sei, aber "für eine Begleitung – anstatt zu urteilen", schreibt Kohlgraf in einem "Wort des Bischofs" für die Kirchenzeitung "Glaube und Leben" (Sonntag). Segensfeiern seien entstanden aus der seelsorglichen Begleitung der betroffenen Menschen. "Die meisten sind weder Formulare, die der kirchlichen Trauung nachgebildet sind, noch wollen sie eine Einheitsliturgie entwickeln", so der Bischof. Seelsorger hätten stattdessen Menschen begleitet und "über das Gute ihres Lebens den Segen gesprochen".
Auch deshalb habe er die Veröffentlichung eines Buches befürwortet, in dem Beispiele liturgischer Segensfeiern für homosexuelle Paare zusammengestellt seien, so Kohlgraf. Ende November hatte die Arbeitsgemeinschaft für katholische Familienbildung (akf) einen entsprechenden Sammelband mit dem Titel "Paare.Riten.Kirche" herausgebracht, an dem auch Mitarbeiter des Mainzer Ordinariats mitgewirkt hatten. Zwar verstießen die darin beschriebenen Segensfeiern "zumeist gegen die kirchliche Ordnung", schreibt der Bischof. Aber es gebe sie und werde sie weiter geben. Auch erscheine es ihm wenig sinnvoll, als Bischof einen Segen rückgängig machen zu wollen. "Will ich derart viel zartes Porzellan bei glaubenden Menschen zerbrechen?", so Kohlgraf.
Ein Fehler in der Schöpfungsordnung?
Der Mainzer Bischof verweist in seinem Beitrag auch auf eine wissenschaftliche Tagung mehrerer Kommissionen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) zum Thema Homosexualität, die im Dezember 2019 stattgefunden hatte. Mediziner hätten dort darüber berichtet, "dass es keineswegs wenige Menschen sind, die gleichgeschlechtlich empfinden" und dass Homosexualität auch in der Tierwelt ein relevantes Phänomen sei. "Sind Menschen, die homosexuell empfinden, mangelhaft geschaffen? Hat Gott sich in seiner Schöpfungsordnung vertan?", fragt Kohlgraf. Er selbst tue sich schwer mit der Vorstellung eines Fehlers in der Schöpfungsordnung.
Mit Blick auf den Katechismus schreibt Kohlgraf, dass wohl nur wenige homosexuelle Menschen die kirchliche Aufforderung zur Keuschheit "als taktvoll und respektvoll" wahrnehmen würden. Denn schließlich stehe auch dort, dass "diese Neigung nicht selbst gewählt sei". Das von der Kirche für Homosexuelle geforderte Mitleid könne zudem "herablassend" wirken. Insgesamt habe das Thema Homosexualität in den kirchlichen Debatten "eine Schärfe gewonnen", über die er sich wundere, so Kohlgraf.
In den vergangenen Jahren ist die Segnung homosexueller Paare in der katholischen Kirche in Deutschland immer mehr in den Fokus gerückt. So hatten sich etwa der Münchner Kardinal Reinhard Marx und der Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, für eine Neupositionierung ausgesprochen. Auch Osnabrücks Bischof Franz-Josef Bode plädierte dafür, über entsprechende Segensriten nachzudenken. Zuletzt hatte der Vorsitzende der DBK und Bischof von Limburg, Georg Bätzing, Stellungnahmen von Theologen zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare in Auftrag gegeben. Schon länger plädiert das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) für einen entsprechenden Ritus. Das Thema Homosexualität und Kirche wird zudem aktuell beim Synodalen Weg behandelt. (bod)