Beraterin von Frauen-Forum: Kirche muss Gender-Forschung mehr rezipieren
Im Forum "Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche" des Synodalen Wegs wird kontrovers diskutiert. Dessen Mitglieder werden unter anderem von Schwester Margareta Gruber, Ordensfrau der Franziskanerinnen von Sießen und Professorin für Exegese des Neuen Testaments und Biblische Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar, beraten. Sie hofft, dass das Forum trotz aller inhaltlichen und organisatorischen Schwierigkeiten am Ende des Prozesses Texte erstellt, die in eine offene Diskussion hineinsprechen. Gleichzeitig wünscht sie sich, dass Erwartungen nicht nur an Beschlusspapiere gerichtet werden.
Frage: Das Macht-Forum des Synodalen Wegs hat schon einen beschlussfertigen Grundtext sowie drei Handlungstexte ausgearbeitet. Im Vergleich dazu scheint das Frauen-Forum hinten zu liegen. Woran liegt das, Frau Professorin Gruber?
Sr. Margareta Gruber: Wir sind ein sehr großes Forum, das mit unterschiedlichen Akteuren mit divergierenden Meinungen besetzt ist und ein Thema behandelt, das viele kontroverse Aspekte hat. Die Corona-Pandemie und die Verlagerung der Debatte in den digitalen Raum hat es noch schwieriger gemacht. Bei der Online-Konferenz bieten wir drei Hearings an – und da sieht man, was derzeit am meisten diskutiert wird: die Christusrepräsentation, die Gleichberechtigung, und die Berufung. Geplant ist, diese Themen in einem gemeinsamen Papier zusammenzuführen. Aber das ist mit einer Gruppe von lauter engagierten Leuten, von der ein Teil Bischof, ein Teil Universitätsprofessorin oder -professor, ein Teil engagierter Christ oder engagierte Christin ist, kompliziert.
Frage: Womit haben sich die einzelnen Arbeitsgruppen des Forums genau beschäftigt?
Sr. Margareta: Die erste Arbeitsgruppe ist "Partizipation von Frauen an Diensten und Ämtern in den gegenwärtigen Bedingungen des Kirchenrechts". Die hat bereits einen Arbeitstext erstellt. Die zweite Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit dem Thema Geschlechteranthropologie. Das ist das theologisch heikelste Thema: Es beinhaltet die theologische Reflexion und Auseinandersetzung mit den Gender-Fragen und – natürlich im Blick auf das Amt – die Frage, was das Mann-Sein Jesu für die Christusrepräsentation bedeutet. Dabei geht es auch darum, die patristische und mittelalterliche Geschlechtersymbolik von Braut und Bräutigam zu beleuchten, die in der lehramtlichen Argumentation immer noch tragend ist. Die dritte Arbeitsgruppe hat sich schließlich um die theologische Argumentation für die Teilhabe von Frauen am sakramentalen Ordo gekümmert – da geht es um den Diakonat und weitere Ämter.
Frage: Bei welchen Themen gibt es die stärksten Kontroversen im Forum?
Sr. Margareta: Strittig ist natürlich die Gender-Frage. Da ist unser Zugang im Forum unterschiedlich. Aber das schwierigste Thema ist zweifellos die Frage der Zulassungsbedingungen für ein Weiheamt. Die eine Position ist, die Kirche hat das endgültig geklärt, die Tür ist zu; und die andere Position ist, wie es eine Generaloberin dem Papst gegenüber bei einer Audienz formulier hat: "Ja, die Tür ist zu, aber Sie haben den Schlüssel." In anderen Dingen gibt es aber durchaus Konsens im Forum.
Frage: Wo zum Beispiel?
Sr. Margareta: Bei der Frage einer größeren Partizipation und einer stärkeren Sichtbarkeit von Frauen auf allen Ebenen der Kirche ist man sich ziemlich einig. Und man muss grundsätzlich sagen: In allen Bereichen, die unabhängig von der Weihe sind, geht die Kirche bereits einen guten Weg. Unter den Handlungsoptionen findet sich auch der Predigtdienst für Laien und damit auch für Frauen. Da, denke ich, könnte es auch zu einem Konsens kommen.
Frage: Welche sind die Themen und Fragen, die ihnen am wichtigsten sind in der Debatte im Frauen-Forum?
Sr. Margareta: Meine Aufgabe ist die einer theologischen Beraterin. Ich gehöre zu denen, die sagen, wir müssen über die Christusrepräsentation reden, und außerdem eine angemessene Antwort auf das Problem der mangelnden Geschlechtergerechtigkeit in der katholischen Kirche finden.
Frage: Inwiefern?
Sr. Margareta: Ich meine, dass wir in der Kirche die Gender-Forschung viel stärker rezipieren müssen. Das läuft meiner Wahrnehmung nach aktuell sehr ideologisch und dadurch wissenschaftlich eher unterkomplex. Nicht alles, was in den Genderdebatten der Gesellschaft vertreten wird, ist kompatibel mit unseren katholischen Überzeugungen, das ist mir klar. Aber man kann nicht so tun, als könnten wir diese Forschungen einfach ignorieren. Wir können im Gegenteil Wichtiges dazu beitragen. Das zweite, die Christusrepräsentation, ist natürlich heikler, weil es da ans Eingemachte geht. Unsere Argumentationen versteht ja keiner – da muss man 2.000 Jahre Theologiegeschichte kennen, man muss patristisch denken können, man muss mittelalterlich denken können, und man muss dieses Denken aus heutiger Perspektive hinterfragen können. Die Frage ist aber, was das Mann-Sein Jesu tatsächlich für die Inkarnation bedeutet. Das biologische Geschlecht Jesu ist, soweit ich sehe, erst ein Argument, seitdem es im Kontext der Ämterfrage diskutiert wird. Man muss sich also überlegen: Wollte Gott explizit Mann werden beim Projekt Menschwerdung? Und was ist darin impliziert, und was nicht? Das rührt an ganz tiefe Überzeugungen. Deshalb ist das für einige auch ein hoch emotionales Thema.
„Nicht alles, was in den Genderdebatten der Gesellschaft vertreten wird, ist kompatibel mit unseren katholischen Überzeugungen, das ist mir klar. Aber man kann nicht so tun, als könnten wir diese Forschungen einfach ignorieren.“
Frage: Vor den Regionen-Konferenzen im Herbst wurde Kritik an dem Arbeitspapier des Frauen-Forums zur Partizipationsfrage laut. Hat sich das inzwischen geklärt?
Sr. Margareta: Ich denke schon. Dieses Papier war allerdings noch nicht endgültig, und die Passage, um die es ging, war noch im Status des Arbeitsentwurfs und hatte auch nicht den Anspruch, die biblische Diskussion zusammenzufassen.
Frage: Wie würden Sie die Arbeitsatmosphäre im Frauen-Forum grundsätzlich beschreiben?
Sr. Margareta: Sehr partizipativ, sehr engagiert, alle wollen sich einbringen. Und dadurch ist es schwer zu leiten – digital sowieso. Man hat viele Themen, zu denen jeder und jede etwas beizutragen hat. Das Ganze soll ferner keine reine Diskussion von Expertinnen und Experten sein, was uns immer wieder passiert. Da ist viel Geduld nötig. Aber man merkt, dass Leidenschaft für das Thema und für die Kirche da ist.
Frage: Wie läuft zur Zeit der Austausch zwischen den Forums-Mitgliedern? Trifft man sich online oder schickt Textbausteine hin und her?
Sr. Margareta: Es ist von allem etwas. Es gibt offizielle und inoffizielle Kommunikationswege, wir probieren da viel aus. Als die Satzung und die Geschäftsordnung geschrieben worden sind, war Corona noch weit weg. Diejenigen, die Verantwortung tragen, müssen jetzt lernen, wie man einen solchen Prozess digital leitet – da gibt es keine Modelle. Aber vor allem fehlt uns jetzt das, was einen Synodalen Weg ausmachen sollte: persönliche Begegnungen.
Frage: Das klingt alles ein wenig nach der Quadratur des Kreises. Wird das Frauen-Forum am Ende überhaupt zu einem zufriedenstellenden, tragfähigen Ergebnis kommen?
Sr. Margareta: Das kann ich nicht sagen. Es kommt auf den Anspruch an. Ich hoffe, dass wir Texte erstellen, die theologisch tragfähig sind, die in eine offene Diskussion hineinsprechen, die nicht polarisieren, sondern das gemeinsame Projekt weitertragen. Wir dürfen auch den Ausgangspunkt des Weges nicht aus den Augen verlieren: Die Aufgabe, einen Reformprozess aufgrund der Erkenntnisse der MHG-Studie zur sexualisierten Gewalt in der Kirche zu gehen. Zudem hoffe ich, dass alle, die an dem Gesprächsprozess beteiligt sind, sich dadurch verändern. Man kann das auch schon sehen: Bischöfe hören in so einem digitalen Forum gleichberechtigt zu. Man nimmt andere Stimmen wahr, mehrere Perspektiven. Wenn wir der Versuchung widerstehen, das Ganze an die Wand fahren zu wollen, weil jeder Recht behalten will, könnte daraus eine Basis für künftige Zusammenarbeit entstehen. Denn die Probleme werden nicht weniger. Auch die Corona-Pandemie kann uns dabei helfen, neue Formen der Partizipation zu entdecken. Insofern würde ich die Erwartungen nicht nur an Texte richten, sondern an den Fortgang dieses geistlichen Prozesses. Das bedeutet, dass sich alle, die mitmachen, verändern. Und das kann auch durch den Konflikt hindurch passieren. Da unterstelle ich mal allen, dass sie das bejahen.
Frage: Sie wünschen sich also, dass der Synodale Weg ein Startschuss für eine neue Gesprächskultur in der Kirche wird?
Sr. Margareta: Auf jeden Fall. Ich würde da auch explizit die digitalen Formate miteinbeziehen. Dass wir auf diese zurückgreifen müssen, damit hat keiner gerechnet – und deshalb sind jetzt alle überfordert, auch mit dem Zeitplan. Der Gesprächsprozess müsste eigentlich viel länger gehen, zumindest für das Frauen-Forum. Wir stehen natürlich unter Zeitdruck, denn irgendwann muss ein Punkt gesetzt werden. Aber danach beginnt vielleicht wieder etwas Neues. Es stellt sich ja auch die Frage, ob die Zusammensetzung des Synodalen Wegs der Weisheit letzter Schluss ist. Vielleicht lassen sich da neue Formate entwickeln, bei denen es mit neuen Themen weitergehen kann.
Frage: Angenommen, am Ende veröffentlicht das Frauen-Forum einen tragfähigen Text, der einige valide Voten im Hinblick auf die Weihe von Frauen enthält. Was wird aus dem werden?
Sr. Margareta: Wenn der Text gut ist, wird er gelesen werden – und das nicht nur in Deutschland. Man erwartet eine theologische Qualität von uns, wie bei den "Osnabrücker Thesen" von 2017. Ich weiß, dass andere Ortskirchen, die organisatorisch und finanziell nicht so gut aufgestellt sind, hoffnungsvoll auf uns schauen. Natürlich wird ein Dokument von uns, selbst wenn es gut und stichhaltig ist, nicht gleich morgen die Kirche revolutionieren. Aber ich würde es so beschreiben: Wir sind ein Faktor im Wirken des Geistes. Auch der Papst wird nicht allein über diese Fragen entscheiden – es wird ein Konzil geben müssen. Und zwar eins mit der Beteiligung von Frauen.