Theologin Knop: Kirche von klerikaler Standeslogik geprägt
Die Erfurter Theologin Julia Knop kritisiert, dass die Kirche weiterhin vielfach von Standesdenken geprägt sei. In Priesterseminaren könne weiterhin Standesdünkel entstehen, auch wenn dieser gesellschaftlich überholt sei und von den Konzilstheologie abgelehnt werde, so die Dogmatikerin am Donnerstag bei einer Online-Tagung zum Thema der Katholischen Akademie Schwerte. Zudem bildeten sich dort häufig Abhängigkeiten, eine "Immunisierung der Institution nach außen", aber auch eine Immunisierung des Einzelnen gegenüber Kritik. Die Zahl der Priester-Anwärter sinke, obwohl eine Überhöhung des Amtes lange forciert worden sei. Auch das spreche aus ihrer Sicht dafür, das Amt anders zu verstehen.
Ein solches Standesdenken habe sich bisweilen während des coronabedingten Lockdown offenbart, sagte Knop. Das Denken in einer Standeslogik führe zu dem Schluss, dass Gottesdienste stattfinden müssten - notfalls auch ohne Gläubige. Wer dagegen stärker die dienende Funktion des Priesteramtes im Blick habe, sage: "Keine Eucharistiefeier ohne Gläubige."
Knop übt Kritik an Kardinal Woelki
Was momentan häufig als Klerikalismus kritisiert werde, sei letztlich eine Standeslogik, die zum Habitus geworden sei, so die Theologin: dass Bischöfe Dinge "unter sich" regelten und Mitbrüder einander näherstünden als diejenigen, die von Missbrauch betroffen seien. Die Kirche brauche durchaus Leitung. Diese müsse sich aber in der Realität bewähren, mahnte Knop. Auch sollten die Kriterien, nach denen Macht als Dienst formuliert werde, nicht dem Ermessen Einzelner überlassen werden.
Knop zufolge spielt auch die Sprache eine Rolle, die Priester oftmals weiterhin heraushebe. Dies zeige sich etwa in Grußformeln wie "liebe Mitbrüder, liebe Schwestern und Brüder". Sprache zeige, was dem Sprecher oder der Sprecherin wichtig sei und betone in diesem Fall einen Unterschied. "Sprache ist verräterisch", so die Theologin. Der Schweizer Benediktiner Martin Werlen wies darauf hin, dass auch Gläubige bisweilen die herausgehobene Rolle von Geistlichen betonten. Dies trage zu einem Rollenverständnis bei, das nicht angemessen sei.
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki fühle sich deshalb etwa nicht zur Rechenschaft gegenüber seinen Gläubigen verpflichtet, so Knop. Er habe zwar Verständnis für Irritationen gezeigt, doch sowohl die rechtliche Prüfung als auch die Prüfung einer persönlich-moralischen Verantwortung seines Verhaltens habe er nach oben weitergegeben. "Die Vertrauensfrage stellt er dem Papst", sagte Knop.
Halik für Überwindung gleichförmiger Ausbildung in Priesterseminar
Heute und in Zukunft werde es "immer mehr Möglichkeiten geben, Christ zu sein", sagte der Prager Priester Tomas Halik bei der Online-Tagung. Daher brauche es auch neue Wege, um Priester zu werden - über die gleichförmigen Ausbildungen an Priesterseminaren hinaus.
Priester sollten "Diener der menschlichen Freude" sein, betonte Halik. Die Kirche dürfe ihrerseits nicht nur ein "Raum des Gedächtnisses" sein, sondern müsse Solidarität üben: etwa mit Menschen, die nicht gläubig seien, die in ihrem Glauben oder im Leben erschüttert worden seien oder die Missbrauch erfahren hätten. Seelsorger müssten sich auch mit ihren eigenen Zweifeln und Ängsten befassen, um anderen mit Offenheit begegnen zu können.
Die Macht eines geistlichen Amtes sollte nach Ansicht von Jesuitenpater Klaus Mertes nicht verleugnet werden. Wer ein geistliches Amt innehabe, dieses aber nicht als Amt begreife oder bestehende Machtgefälle negiere, ändere nichts an den Fakten. Vielmehr handle es sich in solchen Fällen um rhetorische Vertuschung. Wenn eine Person eine andere geistlich begleite, sei dieser Konstellation notwendigerweise ein Machtgefälle mitgegeben, das bejaht werden müsse. Nur so könne das notwendige Vertrauen entstehen.
Mertes mahnt zu differenzierter Sprache
Geistlicher Missbrauch basiere unterdessen auf einer Verwechslung, erklärte der Pädagoge. Wenn etwa die suchende Person einen geistlichen Begleiter mit der Stimme Gottes verwechsle, sei es eine wichtige Aufgabe des Amtsinhabers, dies richtigzustellen. In Fällen, in denen sich die geistliche Person selbst für die Stimme Gottes halte, rate er: "Umdrehen und weggehen", sagte Mertes. Problematisch werde es vor allem dann, wenn beide Beteiligten den Geistlichen überhöhten. "Das ist nicht mehr auflösbar", erklärte der Experte. In solchen Situationen brauche es Hilfe, die von außerhalb des Systems kommen müsse.
Mertes mahnte zudem zu einer differenzierten Sprache. So lasse sich etwa zwischen Grenzverletzungen, Übergriffen und Missbrauchstaten unterscheiden. "Beim Stichwort 'Missbrauch' zucken alle zusammen, kommen entweder in die Defensive oder in die Maximal-Offensive", erklärte er. Die Tagung zum Thema "Gestaltwandel des Priesterlichen. Verortung des Leitungsdienstes in einer sich wandelnden Kirche" endet am Freitag. (rom/KNA)
11.02.2021, 16.20 Uhr: ergänzt um Aussagen von Pater Mertes. /rom