Himmelklar – Der katholische Podcast

Ordensobere Kluitmann: Fastenzeit und Synodaler Weg haben Parallelen

Veröffentlicht am 17.02.2021 um 00:30 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Was haben Fastenzeit und Synodaler Weg gemeinsam? Es gehe zunächst darum, Blockaden wegzuräumen, sagt Schwester Katharina Kluitmann. Die Vorsitzende der Deutschen Ordensoberenkonferenz verrät, was die Kirche aus ihrer Sicht am meisten blockiert.

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Katharina Kluitmann ist Ordensfrau der Franziskanerinnen von der Buße und der christlichen Liebe in Lüdinghausen, Theologin, Psychologin – und Mitglied der Vollversammlung des Synodalen Wegs. Diesen nehme sie mit in die diesjährige Fastenzeit, betont sie. Als Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz hat sie auch die Klöster und Ordensgemeinschaften während der Corona-Pandemie im Blick.

Frage: Auch im Klosterleben kommt die Pandemie an. In diesem Zustand leben wir seit etwa einem Jahr. Wie erleben Sie das?

Kluitmann: Ich erlebe es vor allen Dingen als eine große Belastung, in dem Wissen, dass wir ein großes Kloster mit vierzig Schwestern haben, die überwiegend älter und sehr alt sind. Die Frage: Was passiert, wenn in so einer Einrichtung, die praktisch ein Schwestern-Altenheim ist, Corona Einzug hält? Bisher haben wir Glück gehabt.

Frage: Trotzdem belastet das ja den Alltag. Was ist anders als vorher?

Kluitmann: Es ist alles etwas heruntergefahren und etwas vorsichtiger. Wir haben weniger Besuch und weniger Veranstaltungen. Eigentlich sind wir gerne ein offenes Haus. Das musste jetzt im letzten Jahr schon sehr eingeschränkt werden.

Wobei ich denke: Vielleicht ist das für unsere Schwestern nicht so schlimm wie für manch einen, der ganz alleine irgendwo zu Hause sitzt. Denn sie haben einander, sie haben ihre Gebetszeiten, sie haben ihre Mahlzeiten. Sie können sich untereinander treffen, weil sie ein Haushalt sind – ein wunderbar großer Haushalt.

Frage: Sie sind Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz. Sie haben den Hut auf für alle 17.000 Ordensschwestern und -brüder in ganz Deutschland. Wie ist da die Stimmung in den einzelnen Abteien und Klöstern oder Ordensgemeinschaften?

Kluitmann: (lacht) Das mit dem "Hut auf" finde ich immer ein bisschen lustig, denn so richtig zu sagen habe ich nichts. Ich nehme wahr, dass es zum Thema Corona ist wie zu anderen Themen auch: Es ist sehr unterschiedlich. Es gibt Gemeinschaften, die haben zum Teil kurz hintereinander ziemlich viele Sterbefälle von Schwestern und Brüdern gehabt. Das ist schon eine große, große Belastung, eine große Trauer – gerade auch, weil man das dann nicht so begehen kann, wie es sonst üblich wäre. Viele Gäste können nicht zur Trauerfeier kommen.

Andere Gemeinschaften sind einfach voller Dankbarkeit, dass sie Glück gehabt haben und dass das Virus nicht in ihr Kloster eingezogen ist. Manche leben ohnehin zurückgezogener, da ist der Unterschied etwas weniger als bei denen, die ganz viel Tätigkeiten nach außen haben. Es ist eigentlich so wie immer in unseren etwa 400 Gemeinschaften, die da zusammen sind: Es gibt "so 'ne und so 'ne", wie der Rheinländer sagen würde.

Bild: ©Abtei St. Hildegard (Symbolbild)

Die Ordensgemeinschaften und Klöster in Deutschland seien bislang unterschiedlich durch die Corona-Pandemie gekommen, erläutert die Vorsitzende der Deutschen Ordensoberenkonferenz. Manche hätten mehrere Tote zu beklagen. "Andere Gemeinschaften sind einfach voller Dankbarkeit, dass sie Glück gehabt haben und dass das Virus nicht in ihr Kloster eingezogen ist."

Frage: Apropos Rheinländer: Der Karneval liegt auch hinter uns und der ist weitestgehend ausgefallen. Sie kommen ursprünglich aus Düsseldorf. Hätten Sie auch jeck mitgefeiert?

Kluitmann: Ich hätte schon gerne jeck mitgefeiert. Wobei ich da etwas gebremst bin: Ich wohne in Westfalen. Da sind die Karnevals-Wogen nicht ganz so hoch wie damals bei uns zu Hause und vor allen Dingen auch als ich noch jünger war.

Frage: Jetzt haben wir Aschermittwoch und die Fastenzeit fängt an. Würden Sie sagen, dass es eine andere Fastenzeit ist in diesem Jahr?

Kluitmann: Ja, es ist eine andere Fastenzeit. Wobei ich sage, wenn man die Fastenzeit bewusst erlebt, dann ist sie jedes Jahr anders. Es gibt jedes Jahr irgendetwas, was gesellschaftlich oder kirchlich oder persönlich gerade oben aufliegt. In diesem Jahr liegt sicher Corona oben auf. Bei manchen – zumindest bei mir – liegt der Synodale Weg oben auf.

Ich finde das immer eine gute Sache, dass die Fastenzeit einfach kommt. Ob sie mir jetzt passt oder nicht – sie kommt einfach. Sie ist dieses Jahr auch anders als letztes Jahr. Da waren wir noch in der Anfangs-Schockstarre der Corona-Pandemie und wussten nicht so richtig, was auf uns zukommt. Jetzt sind wir schon in einem gewissen Gewöhnungsstadium. Ich finde es jedenfalls gut, dass es einfach diesen Impuls gibt: Heute ist Aschermittwoch, heute geht es los.

Natürlich gibt es auch persönliche Fastenzeiten, ob man das dann Exerzitien nennt oder ob das ein Urlaub ist oder eine Reha oder so etwas. Die kann man sich ja auch selber nehmen, einteilen oder das Leben schreibt sie einem vor. Aber diese Fastenzeit, jedes Jahr einmal zu sagen "Stopp, guck nochmal", das finde ich eine große Chance.

Frage: Jetzt haben wir im Kleinen schon persönlich auf vieles verzichtet – und auch im Großen als Gesellschaft. Braucht es da tatsächlich noch einen zusätzlichen Verzicht, den wir uns für die Fastenzeit vornehmen?

Kluitmann: Das Entscheidende an der Fastenzeit ist nicht, zu verzichten. Das Entscheidende ist, etwas Neues einzuüben. Manchmal muss ich aber, bevor ich das Neue einüben kann, erstmal Altes und Hinderliches – "Blockaden" im Sinne des Mottos der evangelischen Kirche in dieser Fastenzeit – erst mal etwas wegräumen, damit ich das dann neu gestalten kann. Ich habe einen lustigen Kalender, auf dem stand letztens: "Gewohnheiten kann man nicht aus dem Fenster werfen. Man muss sie Stufe für Stufe die Treppe herunter boxen." Das fand ich ziemlich weise. Einer der größten Moraltheologen, Klaus Demmer, hat mal gesagt: "Es ist dumm, die Kraft schlechter Gewohnheiten zu unterschätzen." Dafür brauchen wir die Fastenzeit, um eben unsere schlechten Gewohnheiten erstmal Stufe für Stufe die Treppe herunter zu boxen.

Regionenkonferenz Frankfurt
Bild: ©KNA/Bert Bostelmann

Der Synodale Weg "versucht, sich Blockaden zu stellen, wahrzunehmen, was da ist – ausgelöst durch die Missbrauchsfälle und dadurch, dass sie endlich offen wurden und wir endlich verstanden haben, dass das auch systemische Ursachen hat – erstmal die Blockaden beiseite zu räumen“, so Schwester Katharina Kluitmann.

Frage: Sie nehmen die aktuellen Themen mit in die Fastenzeit hinein. Bei Ihnen ist das die Corona-Pandemie – aber auch der Synodale Weg. Wie schauen Sie nach vorne, wenn es um die katholische Kirche geht?

Kluitmann: Ich bin dieser Tage darüber gestolpert, dass die evangelische Kirche in diesem Jahr das Thema "Spielraum! Sieben Wochen ohne Blockaden" hat. Ich habe gedacht: Genau das ist es. Auf der einen Seite ist da Corona und Menschen haben entdeckt, dass sie die Prioritäten anders setzen könnten. Man merkt, dass es Dinge gibt, die mir wahnsinnig fehlen und die wichtig sind und die im Alltag manchmal zu kurz kommen. Dann gibt es andere Dinge, die mir gar nicht fehlen. Warum mache ich das eigentlich immer? Die Frage der Prioritäten, die ist eine absolute Fastenzeit-Frage.

Wie gehen wir damit um, dass es Blockaden gibt? Können wir uns denen stellen? Ich finde, der Synodale Weg tut genau das. Er versucht, sich Blockaden zu stellen und wahrzunehmen, was da ist – ausgelöst durch die Missbrauchsfälle, dadurch, dass sie endlich aufgedeckt wurden und dadurch, dass wir endlich verstanden haben, dass das auch systemische Ursachen hat. Das muss gar nicht ausgespielt werden gegen die Evangelisierung. Es geht darum, erstmal die Blockaden beiseite zu räumen. Dann können wir uns dem Positiven zuwenden.

Frage: Welche sind die größten Blockaden, von denen Sie sich wünschen würden, dass sie aufbrechen?

Kluitmann: Ich glaube, im Endeffekt lassen sich alle Blockaden auf das Thema "Macht" zurückführen. Es geht um die Frage, wie wir unsere Strukturen so leben, dass sie dem Evangelium dienen und nicht persönlicher Macht. Wie kann das gehen, dass Menschen zu Gott finden, dass Gottesbeziehung möglich wird und dadurch dann eben auch die Beziehung der Menschen untereinander? Wie kann die Kirche dabei helfen – und nicht im Weg stehen? Offenbar empfinden es gerade viele Menschen so, dass die Kirche manchmal das, worum es geht, eher verhindert als ermöglicht. Daran zu arbeiten, das finde ich schon eine wichtige Sache.

Frage: Sie haben gesagt, dass das nicht gegen Evangelisierung ausgespielt werden soll. Wie wünschen Sie sich da, dass es weitergeht?

Kluitmann: Ich wünsche mir, dass wir ernst nehmen, dass Kirche sich immer verändert hat. Nur indem sie sich verändert hat, konnte sie dem Evangelium treu bleiben. Das ist vielleicht auch ein sehr franziskanischer Ansatz. Franziskus hat immer gesagt, dass es um das Evangelium ohne Schnörkel geht, ohne Kommentare, ohne zu viel drumrum. Das würde ich mir wünschen: eine größere Einfachheit.

Ich bin sehr nachdenklich geworden. Ich habe eine Freundin, die auch sehr katholisch ist und in Frankreich lebt. Sie sagt: "Hier in Frankreich hat die Kirche eine viel niedrigere Hierarchie. Hier trifft man den Bischof beim Einkaufen." Einfach weil die Bistümer viel kleiner sind und weil die Verhältnisse anders sind. Ich glaube, dass wir hier in Deutschland viele Schnörkel im Sinne des Franziskus haben, also ziemlich viel "drumrum", was uns nicht wirklich hilft. Wir haben ziemlich viel Struktur, ziemlich viel Bürokratie und viel Hierarchie. Ich glaube, wir können von anderen lernen. Ich glaube aber auch, dass andere von uns lernen können, dass das Evangelium auch zu modernen Menschen passt. Auch zu postmodernen Menschen.

Frage: Jetzt bremst uns diese Pandemie ziemlich aus. Was gibt Ihnen da persönlich Hoffnung?

Kluitmann: Ich bin im Jahr 1964 geboren. Ich habe schon Schweres erlebt. Aber ich habe noch nie eine "gemeinsame Katastrophe" erlebt, so möchte ich das mal nennen. Das erleben wir gerade. Die, die noch jünger sind als ich und in Deutschland leben, die haben das noch weniger erlebt als ich. Wir erleben grade, dass es Katastrophen gibt und dass es Schlimmes gibt.

Für mich ist die Botschaft der Fastenzeit und die Botschaft von Ostern – was ja am Ende der Fastenzeit steht – diese völlig unpopuläre Weisheit: "Es gibt immer auch Leid und Schweres im Leben." Die Religion ist nicht die große Spaßbremse, die das ins Leben reinbringt, sondern sie ist eigentlich eine Hilfe, mit Leid und Schwerem umzugehen. Fastenzeit ist so eine Einübungszeit, mit Schwerem und Leid umzugehen. Nicht deshalb, weil wir keinen Spaß wollen. Das wird den Katholiken ja manchmal ein bisschen vorgeworfen. Karneval ist das Gegenbeispiel. Doch: Wir wollen Spaß – und am Ende wollen wir leben.

Diese ganzen Geschichten von Verzicht, von Askese und von Fastenzeit sind Durchgangserfahrungen. Unser Glaube sagt uns: "Ja, das ist so." Er ist sehr realistisch. Aber er sagt auch: "Darin bleibt es nicht stecken. Der Karfreitag hat nicht das letzte Wort. Am Ende siegt die Lebenskraft, die Gott uns schenken will. Mach dich dafür bereit. Es kann alles noch viel schöner und viel lebendiger werden." Das ist für mich eine riesen Hoffnungsbotschaft.

Von Katharina Geiger