"Das alles tut mir von Herzen leid"

Woelki wirbt um Verständnis für zweites Missbrauchsgutachten

Veröffentlicht am 20.02.2021 um 17:39 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat seinen Willen zur Aufklärung von Missbrauchsvergehen und systemischen Umständen in seinem Erzbistum beteuert. Gleichzeitig räumte er selbst Fehler bei der Aufarbeitung sowie im Krisenmanagement ein.

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Zum Beginn der Fastenzeit wirbt der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki um Verständnis für das neu in Auftrag gegebene Missbrauchsgutachten in seiner Erzdiözese. "Tatsächlich benötige ich als Bischof hinsichtlich aller relevanten Personen eine bestimmte qualitative und quantitative Faktenlage, die ein klares und konsequentes Veränderungshandeln dann auch nachhaltig möglich macht", schreibt Woelki in seinem Fastenhirtenbrief, der am Wochenende in den Pfarreien des Erzbistums verlesen werden soll. Er räumte erneut Fehler bei der Aufarbeitung sowie im Krisenmanagement ein. "Das alles tut mir von Herzen leid", erklärte der Kardinal.

Sein Ziel sei weiterhin die Aufklärung der Missbrauchsvergehen und ihrer systemischen Umstände – "selbstverständlich auch im Blick auf meine eigene Person", betonte Woelki. Der Erzbischof steht derzeit unter Beschuss, weil er ein erstes Gutachten zum Umgang früherer und heutiger Bistumsverantwortlicher mit Missbrauchsfällen nicht wie zunächst vorgesehen veröffentlichen lässt. Er begründet dies mit "methodischen Mängeln" in dem Papier.

Das neue Gutachten des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke soll am 18. März veröffentlicht werden. "Zeitnah" soll dann laut Woelki auch das ursprüngliche Gutachten freigegeben werden – zuerst für Betroffene und dann für Journalisten sowie weitere Interessierte. "Das wird uns – hoffentlich – helfen, wieder neu aufeinander zuzugehen und uns wieder bereitwilliger zuzuhören in den Anliegen, die uns bewegen."

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In seinem Hirtenbrief geht der Kardinal zudem auf die bevorstehende Pfarrei-Reform in seiner Erzdiözese ein. Pläne aus dem Generalvikariat, die heute 180 Seelsorgeeinheiten mit ihren insgesamt rund 500 Pfarreien bis 2030 zu 50 bis 60 Großpfarreien zusammenzulegen, stoßen auf Widerstand. Um Strukturreformen werde das Erzbistum zwar nicht herumkommen, so Woelki. Er sichert jedoch "offene Gespräche" und ein "ehrliches Abwägen" zu, bevor Entscheidungen endgültig getroffen würden.

Der Umstrukturierungsprozess solle erst nach Veröffentlichung des Gercke-Gutachtens weitergehen, betont der Erzbischof. "Denn nichts schürt mehr Misstrauen und zunehmend auch Hass als die Ungewissheit und die Verdächtigungen im Blick auf die Ergebnisse der von mir in Auftrag gegebenen zweiten unabhängigen Untersuchung zu den Missbrauchs-Zusammenhängen."

Server des Amtsgerichts zeitweise zusammengebrochen

Unterdessen wurde bekannt, dass wegen der hohen Nachfrage nach Terminen für Kirchenaustritte der Server des Amtsgerichts Köln zeitweise zusammengebrochen ist, wie das Gericht am Freitag mitteilte. Das Amtsgericht hatte am Freitag zusätzliche Termine für die Monate März und April auf seiner Online-Seite freigeschaltet. Weil die Nachfrage nach Kirchenaustritten in den vergangenen Wochen rasant gestiegen war, erhöhte das Gericht die Zahl der buchbaren Termine von monatlich rund 1.000 auf 1.500. Das Amtsgericht nimmt die Austrittserklärungen entgegen, schlüsselt diese aber nicht nach Konfessionen auf. Es hatte sein Terminkontingent schon im Januar um rund 400 erweitert.

Ebenfalls am Freitag waren erste Zahlen aus dem Gutachten von Björn Gercke bekannt geworden. Nach einem Bericht des "Spiegel" gibt es im Erzbistum offenbar deutlich mehr Missbrauchstäter und -opfer als bisher angenommen. Das Gutachten komme demnach auf rund 300 Betroffene und 200 Beschuldigte seit 1975. Gercke bestätigte diese Zahlen auf Anfrage des "Kölner Stadt-Anzeigers". "Es dürften die abschließenden Zahlen sein", sagt er. (cbr/KNA)