Bätzing: Können Missbrauchsaufarbeitung nicht allein leisten
Der Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, hat um Unterstützung bei der Missbrauchsaufarbeitung in der katholischen Kirche gebeten. Man mache Fortschritte, "und dennoch wissen wir: Das alles reicht nicht aus, um Betroffenen Gerechtigkeit zu verschaffen", sagte Bätzing am Dienstag zum Auftakt der digitalen Vollversammlung der deutschen Bischöfe. Vielmehr sollten die Betroffenen zu Akteuren werden. "Wir können als Kirche die Aufarbeitung nicht allein leisten, wir brauchen die Mitarbeit betroffener Menschen", so Bätzing. Sie allein würden die Erfahrungen kennen, die Menschen "schrecklicherweise im Bereich der Kirche machen mussten". Die Bischöfe hätten seit Jahren hier ihr "Aufgabenportfolio" und daran werde man intensiv arbeiten.
Allgemein habe die katholische Kirche bei der Aufarbeitung von Missbrauch Fortschritte gemacht. Dabei orientiere man sich an den im vergangenen Jahr getroffenen Vereinbarungen mit dem Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes Wilhelm Rörig. Daran werde man sich messen lassen, so Bätzing.
Bätzing: "Ich glaube Kardinal Woelki"
Im Hinblick auf die anhaltende Debatte um die Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum Köln sagte Bätzing: "Ich glaube Kardinal Woelki, dass sein Aufklärungswille wirklich deutlich und klar ist." Er könne aber auch die Unruhen verstehen, die im Zusammenhang mit der Nichtveröffentlichung eines ersten Missbrauchsgutachtens entstanden seien. Er habe mehrfach mit dem Kardinal über die Alternative der Veröffentlichung gesprochen, an dessen Kurs habe sich aber nichts geändert. Er warb dafür, auf die Publikation des zweiten beauftragten Gutachtens zu warten und auf "Vorverurteilungen" zu verzichten. Kardinal Woelki steht seit Monaten in der Kritik, weil er ein erstes Gutachten zum Umgang früherer und heutiger Bistumsverantwortlicher mit Missbrauchsfällen nicht wie zunächst vorgesehen veröffentlichen lässt. Er begründet dies mit "methodischen Mängeln" in dem Papier.
Die Diskussion um die Missbrauchsgutachten im Erzbistum Köln habe auch Einfluss auf die gesamte Kirche in Deutschland. "Immer dann, wenn etwas skandalisierbar schief läuft in der Kirche, dann hat das Auswirkungen über den Kreis der Verantwortlichen und des Bistums hinaus", sagte der DBK-Vorsitzende. Das habe sich bereits beim Finanzskandal im Bistum Limburg gezeigt. "Hier gibt es eine Haftungsgemeinschaft, die die Institution insgesamt trifft", so Bätzing.
Den am Mittwoch stattfindenden Studientag der Deutschen Bischofskonferenz zum Thema Kirchenaustritte und Verbleib in der Kirche bezeichnete Bätzing als wichtig, um eine neue Positionierung vorzunehmen und wieder neu in Kontakt mit den Menschen treten. 2019 sei das Jahr mit der bislang höchsten Zahl an Kirchenaustritten gewesen. "Das sind nicht Zahlen, das sind Menschen, die ein Statement abgeben", so Bätzing. Man wollten bei dem Studientag den Gründen für die Erosion kirchengebundener Religiosität auf den Grund gehen.
Die Frühjahrsvollversammlung hätte ursprünglich in Dresden stattfinden sollen, wurde aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie allerdings zu einem Online-Treffen umgeplant. "Wir wollten sehr gerne in Dresden sein", so Bätzing. Das wäre aber nicht verantwortungsvoll, fügte er hinzu. "Wir stellen uns der Verantwortung, die wir haben." Insgesamt würdigte Bätzing das Engagement der Kirchen in der Corona-Pandemie. Zu Weihnachten habe die Kirche beispielsweise viele Impulse setzen können.
Bätzing: Spüren, dass viele Politiker unsere Positionierung wollen und brauchen
Am Dienstagmorgen hatte die Bischofskonferenz bereits über das Thema des assistierten Suizids diskutiert. Die Position der katholischen Kirche sei hier sehr klar, betonte Bätzing: "Wir spüren, dass viele Politikerinnen und Politiker unsere Positionierung wollen und brauchen", sagte der Limburger Oberhirte weiter. Wichtig seien die palliative und seelsorgliche Begleitung Sterbender in dieser Phase ihres Lebens, um sie nicht allein zu lassen.
Über die Frage nach einem gemeinsamen Abendmahl von Protestanten und Katholiken habe seit dem Votum des Ökumenischen Arbeitskreises sehr viel theologische Arbeit stattgefunden. Bätzing mahnte zur Gesprächsbereitschaft. "Diese Frage lässt nicht nur im Gespräch klären, nicht ohne Gespräch."
Bei der Pressekonferenz wurde auch Beate Gilles als künftige Generalsekretärin der Bischofskonferenz vorgestellt. Die bisherige Dezernentin im Bistum Limburg wurde am Dienstag in einer geheimen Abstimmung durch die Bischöfe gewählt. Bischof Bätzing bezeichnete die Wahl als "wichtigen Tag für die deutsche Kirche und die deutsche Bischofskonferenz". Mit Gilles steht zum ersten Mal eine Frau an der Spitze des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz.
Auf die Frage, ob sie eine Feministin sei, sagte Gilles: "Ich bin eine selbstbewusste Frau und als solche schon lange in der katholischen Kirche unterwegs." Sie habe die Kirche immer wieder als einen Ort erlebt, an dem sie sich engagieren konnte. Die Reformbewegung "Maria 2.0" ordnete sie "in der Mitte der Kirche" ein. Viele der Anliegen der Frauen seien auch ihre Anliegen, so Gilles.
Bereits im Vorfeld Protest und Forderungen
Bereits im Vorfeld der digitalen Frühjahrsvollversammlung gab es Proteste und Forderungen an die Deutschen Bischöfe. In einem bundesweiten "Thesenanschlag 2.0" an Dom und Kirchentüren hat die Reformbewegung "Maria 2.0" am Wochenende sieben Reformthesen angebracht. Darin fordert die Bewegung eine geschlechtergerechte Kirche, Aufklärung und Bekämpfung der Ursachen sexualisierter Gewalt sowie eine wertschätzende Haltung gegenüber selbstbestimmter Sexualität und die Aufhebung des Pflichtzölibats. Aus der Sicht von "Maria 2.0" sei es notwendig, dass die Bischofskonferenz beginne, sich "ernsthaft mit den in der katholischen Kirche notwendigen Reformen auseinanderzusetzen, und den Willen zu Veränderungen durch Taten bezeugt", hieß es in einer Pressemitteilung.
Gemeinsam mit mehreren katholischen Verbänden und Reformgruppen hatte "Maria 2.0" am Montag auch in einem öffentlichen Appell Reformen von den Bischöfen eingefordert. "Verspielen Sie die letzte Chance nicht", hieß es in dem Aufruf, der auch von Vertreterinnen und Vertretern von der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), des Katholischen Deutschen Frauenbunds (KDFB), der Reformbewegungen "Wir sind Kirche" und "Maria 2.0" sowie des Katholischen LSBT+Komitees unterzeichnet worden war. "Wir – als großer Teil des Kirchenvolks – sind gemeinsam auf einer Linie. Die Zeit des Hinhaltens, des Vertuschens, der immer noch schleppenden Aufklärung sexualisierter Gewalt und der toxischen Machtstrukturen muss endgültig vorbei sein", erklärte das Bündnis.
In einem am Dienstag veröffentlichten Offenen Brief haben Betroffene von geistlichem Missbrauch zudem eine gründlichere Aufarbeitung in der Kirche sowie "angemessene Formen der Entschädigung und Wiedergutmachung" gefordert. Die Bischöfe hätten bislang zu wenig gegen geistlichen Missbrauch unternommen. (cbr)