Späterer Kardinal sei zerrissen gewesen zwischen Gewissen und Gehorsam

Hubert Wolf: Münsters Bischof von Galen "war keine Heldengestalt"

Veröffentlicht am 09.03.2021 um 10:24 Uhr – Lesedauer: 
Hubert Wolf: Münsters Bischof von Galen "war keine Heldengestalt"
Bild: © KNA

Münster ‐ Trotz seines Protestes gegen die NS-Morde an Behinderten sollte Clemens August von Galen nach Ansicht von Kirchenhistorikern nicht "als Widerstandskämpfer stilisiert" werden. "Er war keine Heldengestalt", sagt Galen-Forscher Hubert Wolf – "aber..."

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Der vor 75 Jahren gestorbene Münsteraner Bischof und Kardinal Clemens August von Galen, bekannt wegen seines Protestes gegen die NS-Morde an Behinderten, sollte nach Ansicht von Kirchenhistorikern nicht "als Widerstandskämpfer stilisiert" werden. "Er war keine Heldengestalt, hat aber in einem zentralen Punkt außerordentliche Zivilcourage bewiesen", sagte der Galen-Forscher Hubert Wolf in Münster dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die öffentliche Erinnerung an von Galen sei bis heute durch das "Heldenepos" seiner kritischen Predigten aus dem Sommer 1941 geprägt, erklärte Matthias Daufratshofer, der an der Forschungsstelle für die Geschichte des Bistums Münster arbeitet.

Gerade von von Galen sei anfangs der Mut zu öffentlichem Protest gegen NS-Unrecht nicht unbedingt erwartet worden, sagte der Kirchenhistoriker und Hochschullehrer Wolf. Doch sei er früher als die meisten anderen deutschen Bischöfe auf eine oppositionelle Linie eingeschwenkt. Weil sich von Galen mit der Forderung nach öffentlichem Protest unter den Bischöfen nicht habe durchsetzen konnte, habe er seine guten Verbindungen zum Papst genutzt und die NS-kritische Enzyklika "Mit brennender Sorge" angeregt - "eine überraschende Rolle für einen Mann aus der dritten Reihe", wie Wolf betonte.

"Märtyrertod" bewusst mit einkalkuliert

Von Galen wurde nach Einschätzung der Forscher in der NS-Zeit zwischen seinem Gewissen und dem - ihm vom streng katholischen Elternhaus eingeimpften - Gehorsam gegenüber jeglicher Obrigkeit zerrissen. Immer öfter habe sich aber sein Gewissen durchgesetzt. Bis zu seinen Predigten 1941 habe von Galen Zeit gebraucht - einen "Märtyrertod" habe der Bischof dann aber bewusst mit einkalkuliert, erklärte Daufratshofer.

"Als Galen klarwurde, dass Menschen wegen ihrer Behinderung umgebracht werden, sah er zentrale Überzeugungen des Glaubens infrage gestellt und nahm kein Blatt vor den Mund", bestätigte Geschichtsprofessor Wolf. Seine begeisterte Zustimmung zum Russland-Feldzug und der nach bisheriger Quellenlage ausbleibende Protest gegen die Judenverfolgung blieben jedoch indiskutabel und schwierig, sagte der Experte.

Der 1878 geborene von Galen war von 1933 bis 1946 Bischof von Münster. Kurz vor seinem Tod am 22. März 1946 wurde er von Papst Pius XII. in den Kardinalsstand erhoben. 2005 wurde von Galen von Benedikt XVI. seliggesprochen. Reliquien von Galens werden in mehreren Kirchen des Bistums Münsters und auch in Berlin gezeigt, Denkmäler stehen zum Beispiel in Münster und Haltern. (tmg/epd)