Gutachten: Dokument über Prostitution in katholischem Heim gefälscht
Ein Gutachten kann Zweifel an der Behauptung nähren, in einem katholisch geführten Kinderheim in Speyer habe es in den 1960er Jahren organisierte Prostitution gegeben. Seit dem Jahreswechsel kursieren in Medienkreisen Kopien eines angeblich handschriftlich angefertigten Dokuments, das der Buchführung einer Niederbronner Schwester entstammen soll. Bei den darin teils unter Namensnennung aufgeführten Summen soll es sich um "Lustgeld" handeln, das der Orden für den Verkauf eines Heimkindes an Freier kassierte.
Der mit dem Schriftstück konfrontierte Orden präsentierte am Mittwoch in Nürnberg dazu eine gutachterliche Stellungnahme des Mannheimer Schrift- und Urkundenlabors M.S.U. Die vereidigten Sachverständigen für Handschriftenuntersuchungen kommen zum Ergebnis, dass der vermeintliche Ausschnitt aus einem "Kassenbuch" mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" nicht handschriftlich erstellt wurde: "Die untersuchten Einträge lassen sich nahezu vollständig mit einer Computerschriftart replizieren." Die benutzte Type "Wiegel Kurrent" sei im Internet seit 2004 verfügbar.
Der Pressebeauftragte des Ordens fügte hinzu, auch die in dem Dokument als angebliche Autorin der Auflistung angegebene "Schwester Maria Donnata" habe es in der Kongregation nicht gegeben. Der aus dem Lateinischen stammende und auch in Ordensgemeinschaften gebräuchliche Vorname schreibt sich durchgängig nur mit einem n.
Vorwurf der Zuhälterei
Die Niederbronner Schwestern sehen sich seit Dezember 2020 dem Vorwurf ausgesetzt, sie hätten in von ihnen betreuten Kinderheimen in Speyer und andernorts vor 50 Jahren mit den ihnen anvertrauten Kindern Zuhälterei betrieben. Das weisen sie zurück. Der Vorgang hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt.
Das Sozialgericht in Darmstadt hatte im vergangenen Jahr einem ehemaligen Speyerer Heimkind eine Opferrente zugesprochen. In dem Urteil wurden die Angaben des Mannes unter Bezug auf mehrere Gutachten in der Summe als glaubwürdig bewertet.
Der Kläger hatte geltend gemacht, er sei tausendfach missbraucht worden, dabei sei von den Tätern Geld an die Schwestern geflossen. Auf Anfrage gab der Kläger ebenfalls am Mittwoch an, das Dokument mit dem "Kassenbuch" zusammen mit zwei weiteren Schriftstücken anonym in seinem Briefkasten vorgefunden zu haben - allerdings erst nach dem Ende seines Prozesses im Mai. Er selbst habe sich nie zur Echtheit des Papieres geäußert. (KNA)