"Nein" zur Segnung? Der Vatikan wird nicht mit Gehorsam rechnen können
Die römische Kurie zeigt sich besorgt. Besorgt, dass in der Katholischen Kirche menschliche Beziehungen gesegnet werden, die den Plänen Gottes widersprechen. Was moralisch unerlaubt sei, dürfe durch ein kirchliches Handeln nicht gutgeheißen werden. Die Besorgnis richtet sich wieder einmal auf die menschliche Sexualität. Unirritiert von der eigenen faktischen Bedeutungslosigkeit in diesem Bereich, die spätestens seit Humanae vitae (1968) offenkundig ist, behauptet die Glaubenskongregation in Konformität zur eigenen Lehrtradition eine besondere sexualethische Kompetenz und hält fest: Jede sexuelle Praxis außerhalb der Ehe von Mann und Frau ist sittlich zu verurteilen.
Jegliche Analogie zwischen hetero- und homosexuellen Ehen beruhe auf einer Verkennung der göttlichen Ordnung. Die altbekannte Begründung lautet: Sexualität in einer Beziehung ist nicht Ausdruck von wahrer menschlicher Liebe, wenn dabei – dies scheint so klar zu sein, dass die Kongregation für die Glaubenslehre es unterlassen hat, darauf nochmals explizit hinzuweisen – die Möglichkeit der Fortpflanzung in der Ehe durch menschlichen Willen verhindert wird. Bei gleichgeschlechtlichem Sex ergänzen sich demnach nicht nur die Sexualorgane nicht, es ergänzen sich in solchen Beziehungen auch nicht wirklich zwei Personen, weil Gott diese Möglichkeit in seiner Schöpfungsordnung nicht vorgesehen hat. Am Ende ist die römische Lesart der Botschaft des Evangeliums unmissverständlich: Homosexuelle Beziehungen sind niemals als Liebesbeziehungen zu verstehen. Und wenn Lesben und Schwule meinen, dass sie sich lieben, dann irren sie sich: Ihr Glück ist nur eine Illusion.
Woher die Mitarbeiter der Glaubenskongregation das wissen? Indem sie die Texte studieren, in denen in der Vergangenheit der göttliche Wille kirchlich interpretiert worden ist. Daher besitze die Kirche heute auch keine Vollmacht zur Segnung. Aber was wäre, wenn es nicht um fehlende Vollmacht, sondern um fehlenden Willen ginge? Dann müsste man diesen Willen wohl ausführlicher begründen, statt nur zu behaupten, Homosexualität sei ursprünglich von Gott nicht gewollt, wie es Benedikt XVI. einmal ausgedrückt hat. Die Glaubenskongregation scheint sich sehr sicher zu sein, den Willen Gottes zu kennen.
Wie kommt sie zu der Erkenntnis, homosexuelle Partnerschaften seien keine Liebesbeziehungen? Sie beruft sich auf die Pläne Gottes, wie sie durch die Kirche treu interpretiert und verkündet werden, beziehungsweise in der Vergangenheit wurden. Die in die Schöpfung eingeschriebenen Pläne Gottes seien von Christus vollständig (!) offenbart worden. Das heißt: Was gut ist, das sagt die Kirche, weil die Kirche weiß, dass sie dazu befugt ist, das Gute zu bestimmen. Einem solchen Selbstverständnis gegenüber ist Gehorsam und nicht eigene Einsicht die angemessene Haltung.
Soweit, so bekannt. Bis 2013 war dies die penetrant wiederholte Lehramtsmeinung. Kurz schwelte Hoffnung, Papst Franziskus sei bereit, nochmals nachzudenken, die Diskussion freizugeben und möglicherweise sogar die Lehrmeinung seiner Vorgänger zu korrigieren. Nun, im achten Jahr des Pontifikats von Papst Franziskus, war es das wohl mit den Erwartungen, die kirchliche Lehre könne sich auf diesem Feld demnächst ein Stück weit bewegen. Franziskus zeigt sich als gehorsamer Schüler seiner Vorgänger.
Ignoranz gegenüber Humanwissenschaften
Dass es, wie die Humanwissenschaften seit langem zeigen, ein Spektrum von sexuellen Orientierungen gibt, ignoriert das Schreiben der Kongregation. Mutmaßlich ist eine ethisch neutrale Beschreibung, dass es jenseits von Heterosexualität andere Formen des Begehrens gibt, Folge des Sündenfalls. Oder? Gegen humanwissenschaftliche Standards setzt man eine objektive Schöpfungsordnung. Dass diese auch nur ein Konstrukt sein könnte, kann nicht sein, da das Lehramt weiß, was Gott ursprünglich wollte. Ein anderes Argument fällt nicht. Interessanterweise fehlt im Schreiben der Hinweis auf biblische Verurteilungen homosexueller Praktiken. Das lässt immerhin hoffen, dass zumindest exegetische Literatur inzwischen in die Gemäuer des Vatikans eingedrungen ist. Endgültig frappierend an dem Schreiben ist, wie stark der Dissens zu dem ist, was moderne Liebesbeziehungen jedenfalls dem Ideal nach in ihrem Kern ausmacht: nicht Vertrag oder soziale Erwägungen, sondern Zuneigung und freie Zustimmung. Welches sexuelle Begehren hier vorherrscht, ist irrelevant. Entscheidend ist ausschließlich die Frage, ob die andere Person als Person gemeint ist. Und solche Beziehungen soll Gott nicht segnen wollen?
Wenn es in dem Schreiben heißt, mit "dem Wesen der von der Kirche erteilten Segnung" sei nur vereinbar, "was an sich darauf hingeordnet" sei, "diesen Plänen zu dienen", so wüsste man gern etwas genauer, was diese Pläne sein sollen. Sollte nur die Zeugung von Nachkommenschaft gemeint sein, so wäre Gottes Kreativität in Sachen Pläne doch wohl als etwas eingeschränkt zu deuten. Und wenn es dann noch mit einem Zitat von Franziskus heißt, Menschen mit homosexueller Tendenz sollen "die notwendigen Hilfen bekommen", "um den Willen Gottes in ihrem Leben zu begreifen und ganz zu erfüllen", macht uns das sprachlos. Was wird hier empfohlen? Die Überwindung der Tendenz? Völlige sexuelle Enthaltsamkeit? Das Dokument steckt in einer Morallehre fest, die in den fünfziger Jahren formuliert worden ist. Die theologische Entwicklung des letzten halben Jahrhunderts wird großzügig umschifft.
Wie schon bei der Frage, ob die Kirche Homosexuelle zu Priestern weihen will oder nicht, bleibt die römische Kurie bei dem unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. eingeschlagenen Kurs. Die strikte Ungleichbehandlung (keine Analogie!) von hetero- und homosexuellen Ehen wird als gerecht betrachtet. Dies nicht als Diskriminierung zu empfinden, bleibt Einsichtsprivileg römischer Theologie. Von Achtung, Mitleid und Takt zu sprechen und zugleich die Wirklichkeit von Homosexualität und die Liebe von Homosexuellen zu negieren, zeugt nicht nur von Weltfremdheit, sondern von einem Begriff vormoderner Moralität. Ob man eine Ahnung hat, zu welchen Verletzungen solche vorurteilsbeladenen Bekenntnisse führen? Welche Exklusionswünsche stehen hinter der Formulierung, eine "gesunde Gemeinschaft im heiligen Volk Gottes" fördern zu wollen?
All diese unbeantworteten Fragen werden dazu führen, dass immer weniger bereit sind, sich dem Anspruch zu unterwerfen, das Lehramt könne in eigener Vollmacht darüber entscheiden, wozu es in sittlichen Fragen bevollmächtigt ist und wozu nicht. Man sollte sich keinen Illusionen hingeben: Die Glaubenskongregation will nicht, dass in der katholischen Kirche homosexuelle Partnerschaften als Liebesbeziehungen gewürdigt werden. Fragt sich nur, welchen Preis die Bischöfe bereit sind für diese Weigerung noch zu zahlen. Die Emanzipation der Katholikinnen und Katholiken von der Kirche als Mutter und Lehrmeisterin der Moral wird das Dokument aus Rom weiter beschleunigen. Die "Erläuternde Note" bezogen auf das vorgelegte Dubium "Hat die Kirche die Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen?" (eindeutig mit "Nein" beantwortet), zeigt nur, wie stark man sich inzwischen von modernen Moraldiskursen abgeschottet und in einer katholischen Binnenwelt eingerichtet hat.
Selbstverständlich ist die Mehrheit nicht notwendig in der Wahrheit. Aber angesichts der Brisanz der Frage nach der Segnung von homosexuellen Paaren, die tief in die Lebenswirklichkeit gläubiger Menschen eingreifen kann, sollte man sich zumindest um Begründungen bemühen, anstatt immer nur wieder auf eine göttliche Schöpfungsordnung zu verweisen. Auch eine solche Ordnung hat das Selbstbestimmungsrecht von Menschen zu achten, solange keine Persönlichkeitsrechte anderer oder Schutzbedürftiger betroffen sind, soll eine solche Ordnung eine dem Menschen mögliche Ordnung sein. Mit Gehorsam wird die "Note" kaum rechnen können. Allerdings ist sie bezeichnend dafür, wie schwer sich Rom immer noch mit dem modernen Freiheitsdenken tut. Lang ist der Schatten der letzten Pontifikate.