Die Vorfreude auf die Taufe meiner Tochter ist deutlich gesunken
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Anfang des Monats ist unsere jüngere Tochter ein Jahr alt geworden. Eigentlich hätte sie längst getauft werden sollen, doch die anhaltende Corona-Pandemie hat das bislang verhindert. Nur schnell zwischen zwei Corona-Wellen und ohne Familie und Freunde wollten meine Frau und ich die Kleine nicht taufen lassen. Die vergangenen Monate, in denen wir auf ein Ende der Pandemie gewartet haben, haben meine Vorfreude auf die Taufe allerdings deutlich sinken lassen. Schließlich waren diese Monate nicht nur von der Pandemie geprägt, sondern auch von einer Fülle an Negativschlagzeilen und Nackenschlägen aus der Kirche.
Ob die – vorsichtig ausgedrückt – schleppende Aufarbeitung des Missbrauchsskandals durch die Bistümer, das vatikanische Stoppschild in der Debatte um ein mögliches gemeinsames Abendmahl von Katholiken und Protestanten oder – gerade erst an diesem Montag – das unbarmherzige "Nein" der Glaubenskongregation zu einer Segnung von homosexuellen Partnerschaften: Die Kirche hat in den vergangenen Monaten in hoher Schlagzahl Enttäuschung und Wut bei mir ausgelöst, und ich bekenne, dass ich mir mitunter die Frage stelle, welcher Institution wir unsere Tochter da eigentlich anvertrauen wollen. Zumal sie – und das kommt als weiterer Nackenschlag ja noch hinzu – nach dem heutigen Stand später als Frau in der Kirche nur am Katzentisch Platz nehmen darf.
Natürlich: Man tauft ein Kind nicht in erster Linie wegen der Mitgliedschaft in der Institution Kirche, sondern um ihm für sein Leben die frohe und bestärkende Botschaft des Christentums zu eröffnen. Ich erlebe das in diesen Tagen bei unserer älteren Tochter, die regelmäßig mit kindlicher Begeisterung Texte aus der Kinderbibel hören möchte. Gerade gestern lasen wir die Geschichte der Auferstehung Jesu. Es ist die frohmachende und Hoffnung schenkende Botschaft unseres Glaubens – ein krasserer Gegensatz zu der toxischen Segens-Stellungnahme der Glaubenskongregation ist kaum vorstellbar.
Ich gehe weiter davon aus, dass wir unsere kleine Tochter nach der Pandemie taufen lassen werden – trotz der Enttäuschung und Wut der jüngsten Zeit. Ich hoffe und vertraue darauf, dass meine Frau und ich es gemeinsam mit anderen lieben Menschen schaffen werden, unsere beiden Töchter zu fröhlichen und selbstbewussten Christinnen zu erziehen. Sie sollen die Chance bekommen, in der kirchlichen Gemeinschaft die frohe Botschaft des Glaubens für sich selbst zu entdecken und zu erleben. Es wäre schön, wenn die Institution dies nicht durch weitere Nackenschläge torpedieren würde.
Der Autor
Steffen Zimmermann ist Redakteur im Korrespondentenbüro von katholisch.de in Berlin.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider.