Exeget: Für Segnung homosexueller Paare in Bibel keine Anhaltspunkte
Nach Ansicht des Wiener Alttestamentlers Ludger Schwienhorst-Schönberger beruht die Absage der Glaubenskongregation an die Segnung homosexueller Partnerschaften auf einer "soliden" biblischen Grundlage. "Für eine Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen in Analogie zur Ehe oder gar in Gleichsetzung mit der Ehe gibt es innerhalb der Bibel keinerlei Anhaltspunkte", schreibt Schwienhorst-Schönberger am Montag in einer Stellungnahme auf Facebook. Während im sogenannten ersten Schöpfungsbericht im Buch Genesis der göttliche Segen Mann und Frau hinsichtlich ihrer Fruchtbarkeit gelte, gehe es im sogenannten zweiten Schöpfungsbericht im zweiten Kapitel des Buches um den Aspekt ihrer Beziehung. Die beiden Erzählungen seien komplementär zu lesen. "Sowohl die jüdische als auch die christliche Tradition sehen in der Verbindung beider Texte die biblische Grundlage für jene Institution, die sich im Laufe der Geschichte als monogame Ehe herausgebildet hat", so der Theologe.
Daraus sei keine Abwertung der Freundschaft zwischen Männern und zwischen Frauen abzuleiten, betont Schwienhorst-Schönberger. Sie könne wie in den Erzählungen von David und Jonathan sowie von Noemi und ihrer Schwiegertochter Rut hinsichtlich ihrer Beziehungsqualität weit über das hinausgehen, was in einer gewöhnlichen Ehe möglich sei. Es könne sogar "mit Begriffen wie 'lieben' und 'Bund' umschrieben werden". Dennoch seien diese innigen Freundschaften nicht zu verwechseln "mit jener in der Schöpfung grundgelegten Ordnung der Geschlechter, die unter dem Segen Gottes steht".
"Zeichen der Zeit" im Lichte der Heiligen Schrift deuten
Laut Schwienhorst-Schönberger darf die Bibel nicht wie ein "Steinbruch" verwendet werden. So bilde die Schöpfungserzählung innerhalb der Tora eine Art Prolog zur gesamten Heiligen Schrift. Die christliche Tradition spreche in diesem Zusammenhang sogar von einem Protoevangelium. "Die Kirche sollte sich dieses Evangeliums nicht schämen", so der Alttestamentler. Auch wenn die Bibel mit den Mitteln der jeweiligen Zeit auszulegen sei, dürfe nicht vergessen werden, "dass auch die 'Zeichen der Zeit' im Lichte der Heiligen Schrift zu lesen und zu deuten sind". Mit Hilfe der Bibel alles "abzusegnen, was im Mainstream einer bestimmten Kultur als 'heilig' angesehen wird, würde bedeuten, sie in ihrer kritischen Funktion zum Schweigen zu bringen", schreibt Schwienhorst-Schönberger.
Die Glaubenskongregation hatte am vergangenen Montag in einem "Responsum ad dubium" die Frage, ob die Kirche die Vollmacht habe, gleichgeschlechtliche Partnerschaften zu segnen, mit einem knappen "Nein" beantwortet. Es hat vor allem im deutschsprachigen Raum für Diskussion und Proteste gesorgt. Eine am Montag veröffentlichte Stellungnahme einer Arbeitsgruppe an der Universität Münster, die bislang von über 200 Theologen unterzeichnet wurde, wirft dem Responsum der Kongregation einen "Mangel an theologischer Tiefe, an hermeneutischem Verständnis sowie an argumentativer Stringenz" vor. In Österreich und Deutschland haben sich mittlerweile über 2.000 Priester und andere hauptberufliche Seelsorgerinnen und Seelsorger dazu bekannt, auch weiterhin gleichgeschlechtliche Partnerschaften zu segnen. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck erklärte, dass die Lehre der Kirche "dringend eine erweiterte Sichtweise auf die menschliche Sexualität" benötige, zuvor hatten bereits weitere Bischöfe das Schreiben kritisiert. Zustimmung für das Papier der Glaubenskongregation gab es durch den Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt, den Passauer Bischof Stefan Oster und bereits am vergangenen Montag durch den Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, der seit 2014 selbst Mitglied der Kongregation für die Glaubenslehre ist. (mal)