Gendern: Es verschlägt mir die Sprache
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Eigentlich kann man ihn nicht mehr hören, den Zoff um die "gendergerechte Sprache". Und eigentlich lohnt es sich auch nicht mehr, über den richtigen Sprachgebrauch zu streiten, denn das Gendern hat sich fast überall durchgesetzt: im Politikerdeutsch, in Behörden, Universitäten, in Zeitschriften und vor allem im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Rundfunk. Aber macht es die Sache besser?
Ich weigere mich zu gendern, auch als Blattmacherin. Es fühlt sich nicht gut an, und das ist schon mal keine unwichtige Erkenntnis. Und ich frage mich, wie es überhaupt zu einer solchen Sprachverirrung kommen konnte.
Damit keine Missverständnisse entstehen: Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist ein sehr erstrebenswertes und noch immer nicht ganz erreichtes Ziel: Aber mir als Journalistin tut es in der Seele weh, wie eine Ideologie die Menschen umerziehen und beherrschen will, wie Sprachsheriffs (und Sheriffinnen?) mit gezücktem Colt das Gendern erzwingen wollen.
Gast ist Gast – ob Mann oder Frau
In einem Literaturclub auf "3sat" begrüßte die Moderatorin Nicola Steiner am vergangenen Sonntag die Schauspielerin Ursina Lardi als "Gästin". Bei dieser absurden Begrüßungsformel wäre ich an Stelle von Frau Lardi im Erdboden verschwunden.
Der Begriff "Gast" umfasst als generisches Maskulinum ganz selbstverständlich beide Geschlechter, warum muss man ihn so entstellen?
Wir betonen unnötig das Geschlecht
Durch die sprachliche Sichtbarmachung wird das Geschlecht betont und herausgehoben, auch in Kontexten, in denen es gar keine Rolle spielt. Wer inklusiv spricht oder schreibt, muss sich dauernd Gedanken darüber machen, ob die Person, um die es geht, nun männlich oder weiblich oder divers ist und andere Menschen ebenfalls daraufstoßen. Es geht nur noch um das Geschlecht, die eigentliche Sache rutscht in die Bedeutungslosigkeit. Damit spalten sich die Geschlechter weiter, statt diese Spaltung zu überwinden. Die Feministin, Autorin und Gendergegnerin Nele Pollatschek fühlt sich durchs Gendern auf ihr Geschlecht reduziert und rückt es somit in den Bereich des Sexismus. Pollatschek verweist auf Großbritannien, wo der Gedanke vorherrscht: Der Weg zu Gleichheit ist Gleichheit. Wer will, dass Männer und Frauen gleich behandelt werden, der muss sie gleich behandeln, das heißt: gleich benennen.
Klingt überzeugend!
Die seit Jahren in der Pharma-Werbung heruntergeratterte Formel: "Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" soll jetzt künftig um das, ja Sie wissen schon um was, ergänzt werden. Und eine Mitgliederversammlung muss jetzt wie heißen? Richtig: Mitglieder- und Mitgliederinnenversammlung. Und so geht es munter weiter. Wer heute gedankenlos mit dem Satz: "Ich habe einen Arzttermin" um sich wirft, muss mit einer scharfen Rüge rechnen.
Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat in einer Pressemeldung ausdrücklich darauf hingewiesen, das Gendersternchen, Gender-Gap und Gender-Doppelpunkt mit den Regeln der deutschen Rechtschreibung nicht konform gehen. Aber das ficht die Sprachpolizisten nicht an: Die künftige Normsprache wird eine sexualisierte sein, davon ist jetzt schon auszugehen:
Das Argument der Genderbefürworter, Sprache präge Denken, und Denken verändere die Wirklichkeit, also führe Gendern zu einer frauenfreundlicheren Welt, ist nicht haltbar. Wer im Herzen ein Macho ist, wird unbelehrbar bleiben und durch solche Debatten eher angetriggert. Um die Situation für Frauen zu verbessern, da, wo sie noch verbesserungswürdig ist, müssen härtere politische Maßnahmen her.
Sprache kann nicht leisten, was Gendereiferer ihr abverlangen. Sprache ist Sprache, eine alltägliche Verständigungs- aber auch Kunstform. Das Buch der Bücher, die Bibel, wurde bereits vor zwanzig Jahren in eine "gerechte Sprache" übersetzt. Bleibt abzuwarten, wie lange das ausreicht.
In der ernstzunehmenden zeitgenössischen Schriftstellerei findet sich so gut wie niemand, der die Genderei mitmacht. Denn selbstverständlich macht die Ideologie auch vor Kunst und Literatur nicht halt, und dagegen sollte die Gesellschaft sich mit aller Kraft auflehnen.
Die Autorin
Brigitte Haertel ist Redaktionsleiterin von "theo – Das Katholische Magazin".Hinweis: Der Artikel erschien zuerst im "theo"-Magazin.