Christen in aller Welt gedenken am Karfreitag des Leidens Jesu

Papst-Prediger: "Schuldhafte" Spaltungen in der Kirche

Veröffentlicht am 03.04.2021 um 10:11 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Im kleinen Kreis hat Papst Franziskus an den Tod Jesu am Kreuz erinnert. Sein Prediger Raniero Cantalamessa blickt zu diesem Anlass auf die Kirche – und sah die "katholische Brüderlichkeit" verwundet. Das erfordere Gegenmaßnahmen.

  • Teilen:

Christen in aller Welt haben am Karfreitag an den Kreuzestod Jesu erinnert. Im zweiten Jahr in Folge waren die Gedenkfeiern coronabedingt nur mit Einschränkungen möglich. Papst Franziskus erinnerte am frühen Abend im Petersdom vor etwa 150 Geistlichen, Ordensfrauen und Laien an das Leiden und Sterben Christi. Zu Beginn betete das Kirchenoberhaupt auf dem Boden ausgestreckt vor dem Kathedra-Altar. Wie im ersten Corona-Jahr wurde eigens die Liturgie angepasst: Die Reihe der zehn großen Karfreitagsfürbitten enthielt eine elfte – für alle, die unter der Pandemie leiden. Darin erbat die Gemeinde Trost und Kraft für Erkrankte, medizinisches Personal sowie Erlösung für die Verstorbenen.

Der Prediger des Papstes, Kardinal Raniero Cantalamessa, kritisierte in seiner Ansprache "schuldhafte" Spaltungen innerhalb der Kirche. "Die katholische Brüderlichkeit ist verwundet!", sagte der Kapuzinerpater und forderte Gegenmaßnahmen. Nicht das Dogma, Sakramente oder die Ämterfrage sorgten für Zerwürfnisse unter Katholiken. Die eigentliche Ursache liege "in politischen Erwägungen, die sich zu Ideologien auswachsen". Dabei gerieten religiöse und kirchliche Belange zusehends aus dem Blick. In vielen Teilen der Welt sei dies bittere Realität, auch wenn es geleugnet werde.

Sünde "im wahrsten Sinne des Wortes"

"Das ist Sünde im wahrsten Sinne des Wortes", betonte Cantalamessa. Das Reich im Diesseits sei in manchen Herzen wichtiger geworden als das Reich Gottes. Um die Spaltungen zu heilen, müsse man aus dem Evangelium und von Jesus lernen. Zur Zeit Christi habe es ebenfalls starke politische Polarisierung gegeben. Doch er habe energisch allen Versuchen widerstanden, ihn auf die eine oder andere Seite zu ziehen. Das sei ein Beispiel für alle Hirten: Sie sollten sich um die ganze Herde kümmern, nicht nur um einen Teil. Der Kardinal rief alle Kirchenführer zu einer "ernsthaften Gewissensprüfung" auf. Man stehe vor der Wahl, die Gläubigen auf die jeweils eigene Seite zu führen – oder auf die von Jesus.

Bild: ©KNA/Andrea Krogmann

In der Jerusalemer Altstadt versammelten sich am Karfreitag Hunderte einheimische Christen und Ordensleute zur traditionellen Kreuzwegprozession

Dem Gottesdienst wohnten etwa 150 Geistliche, Ordensfrauen und Laien verteilt auf mehrere Bankreihen bei. Die meisten trugen eine Schutzmaske. Eine Eucharistiefeier fand an diesem Tag nach katholischer Tradition nicht statt.

Auch der traditionelle Kreuzweg am späteren Freitagabend erfolgte – wie im Jahr zuvor – mit drastisch reduzierter Teilnehmerzahl. Die Feier, die den Leidensweg Jesu aus Sicht heute leidender Menschen nachvollzieht, wurde vom römischen Kolosseum auf den abgesperrten Petersplatz verlegt. Vor der Corona-Zeit zählte die von Kerzen erhellte Zeremonie vor dem antiken Amphitheater zu den stimmungsvollsten Momenten der römischen Osterfeierlichkeiten. Nach dem Willen des Papstes sind in diesem Jahr mehrere Kindergruppen für die Gestaltung verantwortlich.

Hunderte Einheimische in Jerusalem

In der Jerusalemer Altstadt versammelten sich am Karfreitag Hunderte einheimische Christen und Ordensleute zur traditionellen Kreuzwegprozession. Bei regnerisch-kühlem Wetter zogen die Gläubigen entlang der Via Dolorosa, um die 14 Stationen des Leidenswegs nachzugehen. Aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie waren in diesem Jahr keine ausländischen Pilgergruppen unter den Teilnehmern.

Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, hat die Kirche angesichts des Osterfests zu Mut aufgerufen. "Lasst uns nicht einmal dieses leere Grab verehren. Die Auferstehung ist die Proklamation einer neuen Freude, die in die Welt bricht und die nicht an diesem Ort eingeschlossen bleiben kann", sagte er am Samstagmorgen in seiner Osternachtspredigt in der Grabeskirche. An der Feier durften in diesem Jahr trotz anhaltender Pandemie wieder Gläubige teilnehmen.

Die Auferstehung Jesu lasse sich nicht erklären, so Pizzaballa weiter. "Keine Theorie könnte je überzeugen. Wir können der Auferstehung lediglich begegnen, wir können sie nur erfahren", predigte der italienische Franziskaner. Entsprechend brauche es weiterhin Zeugen, die Zeichen des Auferstandenen zeigten und glaubwürdig machten, dass die Welt nicht länger in der Macht des Todes stehe. "Diese Zeugen sind heute jene, die trotz aller Gegnerschaft, Schmerz, Einsamkeit, Krankheit und Ungerechtigkeit ihre Leben damit verbringen, Gelegenheiten für Gerechtigkeit, Liebe und Akzeptanz zu schaffen."

Keine Angst vor Einsamkeit und Missverständnis

Als ersten Zeugen rufe das Evangelium die Kirche dazu auf, mutig zu sein und keine Angst vor Einsamkeit und Missverständnis zu haben. Gleichzeitig erfordere die Begegnung mit dem Auferstandenen Bewegung. Kirche sei daher aufgerufen, die Auferstehung überall zu bezeugen, ohne sich durch Ängste leiten zu lassen, so der Patriarch.

Die Osternacht wird in der Grabeskirche jeweils schon am frühen Samstagmorgen gefeiert. Dies geht zurück auf den sogenannten "Status Quo", ein Regelwerk aus dem 19. Jahrhundert, in dem der Gebetsplan der an der Kirche beteiligten sechs Konfessionen festgeschrieben ist. Es dürfte sich deshalb jedes Jahr um die erste Ostermesse auf dem Erdkreis handeln.

Auf den katholisch geprägten Philippinen war der Karfreitag gekennzeichnet von leeren Kirchen und Straßen. Aufgrund einer neuen Corona-Welle hatten die Behörden religiöse Veranstaltungen weitgehend verboten. Auch die traditionelle Nachstellung der Kreuzigung Christi in San Pedro Cutud im Norden von Manila wurde abgesagt. (cph/KNA)

03.04., 11.30: Ergänzt um Pizzaballa