Gründer des Projekts Weltethos wurde 93 Jahre alt

Theologe Hans Küng gestorben

Veröffentlicht am 06.04.2021 um 17:14 Uhr – Lesedauer: 

Tübingen ‐ Der Theologe Hans Küng ist gestorben. Der Schweizer erlangte als Professor internationale Bekanntheit, weil ihm der Vatikan die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen hatte. Sein Vermächtnis ist das Projekt Weltethos.

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Hans Küng, einer der renommiertesten Theologen weltweit und Begründer der Stiftung Weltethos, ist am Dienstagmittag im Alter von 93 in seinem Haus in Tübingen gestorben. Der von 1960 bis 1996 in Tübingen lehrende Schweizer hat die katholische Kirche maßgeblich mitgeprägt. Die Bücher des Fundamentaltheologen wurden Bestseller. In den vergangenen 30 Jahren engagierte er sich vor allem für den Dialog der Weltreligionen, insbesondere im "Projekt Weltethos".

Die Gründung eines entsprechenden Institutes an der Universität Tübingen 2011 bezeichnete er als Anerkennung dieser Arbeit. "Nicht zuletzt, weil meine Jahre gezählt sind und ich möchte, dass mein Lebenswerk nach meinem Tod fortgeführt wird", sagte Küng damals. Hinter dem Projekt steht die Überzeugung, ohne Frieden unter den Religionen könne es keinen Frieden unter den Staaten geben.

Küng hatte 1990 das Buch "Projekt Weltethos" veröffentlicht und war darin in Anlehnung an die Philosophie Immanuel Kants der Frage nach einer alle Menschen und alle Religionen verbindenden Wertehaltung nachgegangen. Küng erhielt viele Auszeichnungen, darunter mehr als ein Dutzend Ehrendoktorwürden.

Küng sah sich als "loyalen katholischen Theologen"

1979 hatte Rom ihm die Lehrerlaubnis entzogen, unter anderem wegen Kritik an der Lehre der Unfehlbarkeit des Papstes. Als Papst Benedikt XVI. 2005 Küng in Castel Gandolfo empfing, sorgte das weltweit für Aufsehen. Dabei ging es um das Weltethos-Projekt und das Verhältnis von Naturwissenschaft, Vernunft und Glaube, nicht um kirchliche Lehrfragen. Danach gab es einen Briefwechsel zwischen dem später zurückgetretenen Papst und Küng. Seit Anfang der 1960er Jahre, also noch vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65), hatte sich der Konflikt um Küng angebahnt, bei dem es auch um die Frage ging, wie Jesus Christus verstanden werden soll. Küng plädierte immer wieder für eine innerkirchliche Erneuerung und eine ökumenische Öffnung mit dem Ziel der Vereinigung der Kirchen.

Küng sah sich als "loyalen katholischen Theologen". Seine Bücher mit Millionenauflage wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt. 2015 begann der Herder Verlag eine auf 48 Bände angelegte Herausgabe seiner gesammelten Werke. Zu den bekanntesten Büchern zählen "Unfehlbar?" "Christ sein", "Existiert Gott?" und "Projekt Weltethos". Küng, der auch die Zeitschrift für Theologie "Concilium" mitbegründete, erhielt auch Ehrenbürgerwürden, das Bundesverdienstkreuz mit Stern und wissenschaftliche Preise.

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Den letzten großen öffentlichen Auftritt hatte Küng im Frühjahr 2018. Die Stiftung Weltethos und die Universität hatten zu seinem 90. Geburtstag ein wissenschaftliches Symposium ausgerichtet, an dem unter anderen viele theologische Schüler Küngs teilnahmen und eine Bilanz seines Schaffens zogen.

Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) würdigte Küng am Dienstag als "anerkannten und streitbaren Forscher". In seinem Wirken als Priester und Wissenschaftler sei es Küng ein Anliegen gewesen, "die Botschaft des Evangeliums verstehbar zu machen und ihr einen Sitz im Leben der Gläubigen zu geben", sagte Bischof Georg Bätzing. Der DBK-Vorsitzende hob besonders Küngs Einsatz für eine "gelebte Ökumene" und den interreligiösen Dialog" hervor. Auch wenn es Spannungen und Konflikte des Theologen mit der Amtskirche gegeben habe, "danke ich ihm in dieser Stunde des Abschieds ausdrücklich für sein jahrelanges Engagement als katholischer Theologe in der Vermittlung des Evangeliums", so Bätzing.

Universität Tübingen würdigt Küng als "schöpferischen Gelehrten"

Das von Küng ins Leben gerufene "Projekt Weltethos" würdigte den Theologen als Visionär. Er habe seit Jahrzehnten daran gearbeitet, mit der Weltethos-Idee Verantwortung in der Wirtschaft und Frieden zwischen den Kulturen zu fördern.

Das Institut für Ökumenische und Interreligiöse Forschung der Universität Tübingen würdigte Küng ebenfalls. Auch nach dem Verlust der kirchlichen Lehrerlaubnis 1979 habe sich Küng als katholischer Theologe gesehen und seine Arbeit als missionarischen Dienst für den Glauben und für eine Kirche gesehen, "die ihre institutionellen Grenzen immer wieder als Kirche für die anderen überschreitet", so Institutschefin Johanna Rahner, die auch dem Katholisch-Theologischen Fakultätentag vorsteht. Das Ökumene-Institut war als Folge des Entzugs der Lehrerlaubnis außerhalb der Katholisch-Theologischen Fakultät errichtet worden und wurde später wieder eingegliedert.

Auch die Universität Tübingen bekundete ihre Trauer. Mit Küng verliere die Hochschule "einen produktiven Forscher, einen überaus schöpferischen Gelehrten und einen exzellenten Theologen", sagte der Rektor der Universität, Bernd Engler. "Küng hat mit dem Institut für Ökumenische Forschung und dem Weltethos-Institut an unserer Hochschule Einrichtungen von bleibender Bedeutung geschaffen und damit die Universität tiefgreifend geprägt. Mit seinem weltweit anerkannten Einsatz für Kirchenreformen und für den Dialog der Religionen hat er maßgeblich zum internationalen Ansehen der Universität Tübingen beigetragen." Küng hatte von 1960 bis 1996 in der Neckarstadt gelehrt.

Der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst bescheinigte Küng essenzielle theologische Grundlagenarbeit und bedeutende Anstöße. Der Schweizer sei über Jahrzehnte hinweg "ein kritischer, aber großer Theologe" gewesen. Dem "streitbaren Geist" seien die katholische Kirche und ihre Zeitgenossenschaft ein wichtiges Anliegen gewesen. Besonders würdigte Fürst darüber hinaus Küngs Einsatz für die Ökumene und für den Dialog zwischen den Religionen.

Würdigungen Küngs auch aus Politik

Die Organisation "Wir sind Kirche" verwies auf Küngs "lebenslange Beharrlichkeit in der Erneuerung der römisch-katholischen Kirche sowie seinen Einsatz für die Ökumene und den Dialog der Weltreligionen". Mit grundlegenden Werken wie "Die Kirche", "Christ sein" und "Existiert Gott?" habe Küng schon früh nicht nur punktuelle Reformgedanken in die Öffentlichkeit gebracht, sondern diese intensiv in grundlegenden Werken biblisch und systematisch begründet, hieß es in München. Küng sei auch einer der geistigen Väter der 1980 gegründeten Initiative "Kirche von unten" und des 1995 durchgeführten "Kirchenvolksbegehrens" gewesen, aus dem "Wir sind Kirche" hervorgegangen sei.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) würdigte den verstorbenen Theologen Hans Küng als "wichtigen und wegbereitenden Lehrer in Fragen des Glaubens, des ethischen Handelns und der Deutung des Weltgeschehens". Bei dieser Wertung schloss sich Kretschmann am Dienstagabend ausdrücklich selbst mit ein. Der Theologe habe das offene und kritische Wort nie gescheut, "auch zu dem Preis, sich selbst starker Kritik oder gar kirchlichen Interventionen auszusetzen".

Zugleich würdigte der Ministerpräsident den Theologen als Begründer der Weltethos-Idee. Küng sei zeitlebens ein vehementer Streiter für den Dialog der Religionen und Kulturen gewesen und für die humanistischen Prinzipien der Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit eingetreten. Kretschmann wörtlich: "Sein Wirken wird fehlen - gerade in einer Zeit, in der der Zusammenhalt der Gesellschaft durch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbrüche auf die Probe gestellt wird."

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) bezeichnete Küng als "großen Denker und Theologen unserer Zeit". Mit seinem "Projekt Weltethos" habe er eine "Philosophie der interkulturellen Gemeinsamkeit verbindender Werte der Religionen und Kulturen" geschaffen und "ein universelles Ethos für Frieden und Erhaltung der Schöpfung", erklärte Müller in Berlin. Küngs Werk habe "bleibenden und inspirierenden Wert". Es sei das Vermächtnis und der fortdauernde Appell dieses "weitsichtigen und im besten Sinne welt-zugewandten Theologen, uns diesen zentralen Überlebensfragen der Menschheit entschlossen zu widmen". (rom/KNA)