Kritik von Theologin Andrea Riedl: Vorschlag aus jüdischer Sicht "unsensibel"

Benediktiner Schnabel: Gemeinsames Osterfest zu Pessach feiern

Veröffentlicht am 08.04.2021 um 13:17 Uhr – Lesedauer: 

Rom/Regensburg ‐ Immer wieder wird über einen gemeinsamen Ostertermin für alle christlichen Kirchen diskutiert. Der Benediktiner Nikodemus Schnabel schlägt jetzt vor, dass alle Christen Ostern gemeinsam am Pessach-Sonntag feiern könnten. Doch daran gibt es Kritik.

  • Teilen:

Der Benediktiner und frühere Prior-Administrator der Jerusalemer Dormitio-Abtei, Pater Nikodemus Schnabel, schlägt in der Debatte um ein gemeinsames Osterdatum für alle Christen ein Zugehen auf das Judentum und ein gemeinsames Osterfest am Pessach-Sonntag vor. "Das wäre ein starkes Zeichen, nicht nur ökumenisch. Es wäre irgendwie auch ein Verneigen der gesamten Christenheit vor unserem gemeinsamen Fundament, dem Judentum", sagte Nahost-Experte Schnabel in einem Interview mit "Vatican News" (Dienstag).

Dadurch müssten weder die Ostkirchen das Osterdatum nach dem Gregorianischen Kalender übernehmen noch umgekehrt die Kirchen im Westen das Osterfest nach dem Julianischen Kalender. So könne die Gesamtchristenheit vom "Sieger-Verlierer-Denken" wegkommen, so Schnabel weiter. "Dann müssten sich alle Christen bewegen!" Schnabels Vorschlag sieht vor, dass die Juden astronomisch nach ihrem Kalender berechnen sollten, wann Pessach ist; "wir schließen uns als Christen an und feiern dann am entsprechenden Sonntag Ostern."

"Keine Verneigung und kein in-Ehren-Halten von jüdischen Wurzeln"

In einer ebenfalls auf "Vatican News" veröffentlichten Stellungnahme kritisierte die Theologin Andrea Riedl, derzeit Lehrstuhlvertretung für Alte Kirchengeschichte und Patrologie an der Universität Regensburg, diesen Vorstoß. "Den Vorschlag, das gemeinsame christliche Osterfest zur Überwindung der Kalenderfrage wieder am Sonntag nach dem Paschafest zu feiern, als 'Zugehen auf das Judentum' oder gar als Beitrag zum christlich-jüdischen Dialog zu bezeichnen, muss daher mindestens von jüdischer Seite als unsensibel empfunden werden", schrieb Riedl. Historisch betrachtet, sei die Feier von Ostern am Sonntag nach dem Pessach-Fest "keine Verneigung und kein in-Ehren-Halten von jüdischen Wurzeln, sondern eine bewusste und dezidierte Abgrenzung der Christusanhänger/innen". Auch die Rede einer Anknüpfung an eine "urkirchliche Haltung" übersehe, dass es eine Urkirche als harmonisches und in sich geschlossenes System so nicht gegeben habe.

Ein Priester entzündet ein Osterfeuer
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht (Symbolbild)

"Wenn wir Christen uns im 4. Jahrhundert gemeinsam auf ein Osterdatum einigen konnten, und zwar leider auf Kosten unserer jüdischen Geschwister, wäre es nicht jetzt 1.700 Jahre später an der Zeit, gemeinsam mit unseren jüdischen Geschwistern nach einem neuen christlichen Osterdatum zu suchen, das eben nicht durch Abgrenzung zum Judentum, sondern im gemeinsamen Dialog mit ihnen gefunden wird?", fragt Pater Nikodemus Schnabel in einer Stellungnahme.

Unterdessen hat der Benediktiner seine Aussagen noch einmal begründet. "Um es ganz klar zu sagen: Nichts ist mir ferner als eine verträumte Romantisierung einer vermeintlich geeint-harmonischen Urkirche, welche es, wie es ja Andrea Riedl zu recht betont, so nie gegeben hat", schrieb Schnabel in einer Stellungnahme am Donnerstag. "Um es schonungslos zu sagen: Die Berechnung des christlichen Jahresostern hatte auf dem Konzil von Nikaia eine anti-jüdische Stoßrichtung, die eben das jüdische 'alte' Pascha durch das christliche 'neue' Pascha abgelöst und ersetzt hat", so der Ordensmann weiter. Diese Theologie schwinge bis heute im christlichen Osterdatum mit.

Innerchristlicher Dialog habe nur im Austausch mit Judentum Zukunft

"Daher mein Vorschlag: Wenn wir Christen uns im 4. Jahrhundert gemeinsam auf ein Osterdatum einigen konnten, und zwar leider auf Kosten unserer jüdischen Geschwister, wäre es nicht jetzt 1.700 Jahre später an der Zeit, gemeinsam mit unseren jüdischen Geschwistern nach einem neuen christlichen Osterdatum zu suchen, das eben nicht durch Abgrenzung zum Judentum, sondern im gemeinsamen Dialog mit ihnen gefunden wird?" In seinen Augen habe die innerchristliche Ökumene nur dann eine Zukunft, wenn sie im ständigen Austausch mit dem Judentum stehe, so Schnabel. "In diesem Sinne möchte ich auch meinen Vorschlag verstanden wissen."

Zuvor hatte die russisch-orthodoxe Kirche bereits skeptisch auf Vorstöße für ein gemeinsames Osterdatum aller christlicher Kirchen reagiert. Im Kern gehe es um die Frage, wer vom eigenen Termin der Osterfeiern abgehe, sagte der Außenamtschef des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion. "Wir zum Beispiel haben nicht die Absicht, unser Ostern zu ändern." Aus dem russisch-orthodoxen Kirchenvolk gebe es keine Forderungen nach einer Änderung des Kirchenkalenders.

Zuletzt hatte der Ständige Vertreter des orthodoxen Patriarchats von Konstantinopel beim weltweiten Ökumenischen Rat der Kirchen, Erzbischof Job Getcha von Telmessos, vorgeschlagen, das 2025 anstehende 1.700-Jahr-Jubiläum des Ersten Ökumenischen Konzils von Nizäa zum Anlass zu nehmen, die Bemühungen um ein künftiges gemeinsames christliches Osterfest voranzutreiben. Der Vatikan hatte den Vorschlag positiv aufgenommen. (cbr)

08.04.2021, 17.20 Uhr: Ergänzt um neue Stellungnahme von Pater Nikodemus Schnabel