Der Gründer der Caritas: Vor 100 Jahren starb Lorenz Werthmann
"Mit der Gründung des Deutschen Caritasverbandes hat Lorenz Werthmann der Nächstenliebe eine Struktur, mit seiner einfordernden und teilweise anstrengenden Art den Ärmsten und Schwächsten eine Stimme in der Kirche und gegenüber der Politik gegeben." Caritas-Präsident Peter Neher erinnert mit Hochachtung an den Gründungspräsidenten des größten deutschen Sozialverbands. Und schlägt den Bogen zur Gegenwart. Die von Werthmann grundgelegten Strukturen des Sozialverbands trügen auch jetzt dazu bei, die Folgen der Corona-Pandemie zu überwinden: einerseits durch konkrete Hilfen für sozial Benachteiligte, andererseits durch politische Lobbyarbeit, um den Menschen am Rand eine Stimme zu geben.
Der katholische Priester und Sozialpionier Lorenz Werthmann starb am 10. April 1921, vor genau 100 Jahren. Mit zwei Gedenkgottesdiensten – in Werthmanns Geburtsort Geisenheim bei Rüdesheim und am Sitz des Deutschen Caritasverbands in Freiburg – wollen Verband und Kirche an seine Leistungen erinnern. Denn Werthmann schaffte, was zuvor niemand für möglich gehalten hatte: Er bündelte die verschiedenen, nebeneinanderher arbeitenden katholischen Sozialwerke unter einem Dach. Vorbild waren ihm dabei auch die Strukturen des etwas früher formierten evangelischen Sozialverbands "Innere Mission", dem Vorläufer der heutigen Diakonie. Ein ökumenischer Brückenschlag in Zeiten, in denen sich Katholiken und Protestanten meist unversöhnlich gegenüber standen.
Mit Armut und unmenschlichen Arbeitsbedingungen konfrontiert
Schon zu Schulzeiten fiel Werthmanns Entschluss, Priester zu werden. So kam der begabte Abiturient an die römische Kirchenuniversität Gregoriana, wo er Philosophie und Theologie studierte und mit der Promotion abschloss. Bereits in Italien und später bei seiner Arbeit als Kaplan in Frankfurt wurde Werthmann mit den sozialen Ungerechtigkeiten der Zeit um die Jahrhundertwende, mit verbreiteter Armut und unmenschlichen Arbeitsbedingungen konfrontiert. Nach seiner Priesterweihe stieg er schnell zum Bischofssekretär in Limburg auf. Ins Badische kam Werthmann schließlich, weil der Limburger Bischof Johannes Christian Roos zum Erzbischof von Freiburg gewählt wurde.
Und hier stürzte sich Werthmann in die Arbeit, die sein Lebenswerk werden sollte: Er kämpfte für das Projekt, die verstreuten sozialen Initiativen der katholischen Kirche zu stärken und unter einer Dachorganisation zu bündeln. Dabei waren die Kirchenoberen auf den mitunter cholerischen Werthmann nicht immer gut zu sprechen. Sein Arbeitseifer stieß auf Misstrauen. Seine Ungeduld und viele emotionale Ausbrüche machten die Zusammenarbeit mit ihm nicht einfach. Fast wäre Werthmanns Lebenswerk seinem Temperament zum Opfer gefallen.
Kurz vor der entscheidenden Versammlung drohte ein Scheitern
Noch 1897, wenige Tage vor der entscheidenden Versammlung zur Gründung des Caritasverbandes, drohte ein Scheitern: Der Eiferer Werthmann hatte die Vorbereitung mehr und mehr im Alleingang vorangetrieben, ohne die Kirchenbehörden zu informieren. Vor allem war den Bischöfen ein Dorn im Auge, dass Werthmann ihnen nur geringe Mitspracherechte im Caritasverband einräumen wollte. Erst im letzten Moment lenkten die Bischöfe ein; auf die endgültige kirchliche Anerkennung des Verbandes musste Werthmann dennoch weitere 20 Jahre warten.
Unermüdlich widmete sich Werthmann dem weiteren Aufbau des Verbands. Seine gesamten privaten Geldmittel flossen in "seine" Organisation. In diesem Engagement rieb Werthmann auch seine Gesundheit auf. Schwer herzkrank, verbrachte er die letzten drei Monate seines Lebens im Freiburger Josefskrankenhaus. Noch vier Tage vor seinem Tod tagte dort im April 1921 der Zentralrat des Caritasverbandes, dem er bei dieser Gelegenheit gestand: "Ich habe mein ganzes Leben für die Organisation der Caritas eingesetzt. Ich habe es getan, ohne zu wissen, wie wohltuend die Einrichtungen sind. Jetzt erfahre ich es am eigenen Leib."