Studie: Digitale Gottesdienste für Mehrheit Ergänzung, nicht Ersatz
Viele Verantwortliche in katholischen und evangelischen Kirchengemeinden sehen in der Corona-Krise auch Chancen. Durch die Einschränkung des üblichen Gemeindelebens wegen des Infektionsschutzes habe man die Möglichkeit erhalten, die bestehenden Angebote zu hinterfragen und zu verändern, lautet eine Querschnittsthese der ökumenischen "Contoc"-Studie ("Churches Online in Times of Corona"), deren erste Ergebnisse am Dienstag bei einer Online-Tagung vorgestellt wurden. Religionspädagogik-Professorin Ilona Nord von der Universität Würzburg zitierte einen Befragten: Die Corona-Pandemie habe "uns zumindest Zeit geschenkt, Neues auszuprobieren und zu wagen, die wir sonst nicht haben".
Mehr als 70 Prozent der rund 3.900 katholischen und evangelischen Befragten aus Deutschland sehen den Ergebnissen zufolge in Digitalisierungsprozessen vor allem Chancen und weniger die Risiken. Man könne so jene Menschen erreichen, die nicht an Präsenzveranstaltungen teilnehmen können, erläuterte Nord. Zudem könne man auch die erreichen, "die einen einfacheren Zugang zu Religion benötigen, um zu ihrem Glauben zu finden oder diesen auszuleben". Die Mehrheit der Befragten sehe digitale Gottesdienstformen "als Ergänzung, Notbehelf und nicht als Ersatz". Persönliche Kontakte seien im kirchlichen Kontakt laut den Befragten weiter unverzichtbar.
"Geistliche Impulse" vor klassischen Gottesdienstformen
Zu Beginn der Pandemie sind der Studie zufolge viele katholische und evangelische Seelsorger in Deutschland von sich aus mit digitalen geistlichen Angeboten "kreativ geworden". Es habe sich eine "Grundhaltung des gemeinsamen Suchens nach neuen Wegen" gebildet, sagte der Frankfurter Pastoraltheologe Wolfgang Beck. Das hohe digitale Engagement von Seelsorgern sei auch deshalb erstaunlich, weil ein größerer Anteil von Mitarbeitenden vor allem in katholischen Pfarreien nach eigenen Angaben "wenig Unterstützung" aus der Leitungsebene der Bistümer erhalten habe.
Am häufigsten seien online "Geistliche Impulse" angeboten worden, erst an zweiter Stelle klassische Gottesdienstformen. Es sei also nicht so, "dass alles auf die Messe am Sonntag hinausläuft", sagte Beck. Es gebe "ein Bewusstsein dafür, dass es im Digitalen vielleicht nicht nur die eine liturgische Form gibt, sondern hier auch andere Formen zu nutzen sind und sogar angemessener sein können".
Aus den evangelischen Landeskirchen beteiligten sich den Angaben zufolge rund 2.400 Menschen, aus den katholischen Diözesen rund 1.500. Das Durchschnittsalter der befragten Pfarrer und Pfarrerinnen, Priester, Diakone, Gemeinde- und Pastoralreferenten liegt bei 50 Jahren. Die Studienautoren gehen von einer Repräsentativität der Ergebnisse aus. Für die Studie hatte sich ein Forschungsverbund gebildet. Wissenschaftler aus evangelischer und katholischer Theologie mehrerer Forschungsinstitute in Deutschland und der Schweiz kooperierten unter Beteiligung von Fachkollegen aus rund 20 weiteren Ländern. (tmg/epd/KNA)