Franziskus – Papst der Reförmchen
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Das Nein der vatikanischen Glaubenskongregation zu Segnungen für homosexuelle Paare hat Gläubige in der ganzen Welt vor den Kopf gestoßen. Für einige war der Schock über das Verbot aus Rom umso größer, weil das entsprechende Papier mit ausdrücklicher Billigung von Papst Franziskus veröffentlicht wurde. Denn in den Köpfen nicht weniger reformwilliger Katholiken ist Franziskus ein Papst der kirchlichen Erneuerung. In der Tat setzt Franziskus seinen Schwerpunkt im Bereich der Seelsorge anstatt der kirchlichen Lehre. Er vermittelt durch seinen herzlichen Stil das Bild einer Kirche, die für die Menschen da ist – das weckt Hoffnungen. Doch sind von ihm große Reformen zu erwarten, etwa innerhalb der oft genannten Problemfelder Sexualmoral, Frauenweihe oder Demokratie in der Kirche?
Immer wieder ist das Argument zu hören, der Papst sei zu tiefgreifenden Veränderungen bereit, doch reformunwillige Kräfte in der Kurie würden Franziskus bremsen. Guter Papst, böse Kurie? Zu denen, die diesen Mythos befeuern, zählt etwa der Chilene Juan Carlos Cruz. Er habe mit dem Papst über die Stellungnahme aus der Glaubenskongregation gesprochen, die das Kirchenoberhaupt "sehr verletzt" habe, sagte Cruz am Wochenende. "Einige sehr mächtige Präfekten" der Kurie, die "Meister im Kommandieren" seien, zeichneten für das Verbot verantwortlich. Doch Cruz habe das Gefühl, der Papst werde "diese Situation irgendwie reparieren".
Vor knapp drei Wochen hat die Vatikan-Expertin Gudrun Sailer ähnliche Argumentationslinien bereits als Versuche enthüllt, Papst Franziskus aus der Verantwortung für unliebsame Äußerungen aus dem Vatikan "herauszuschlagen". Doch einzig und allein Franziskus trage die Verantwortung für die lehramtlichen Entscheidungen und auch deren Folgen. Kann man also Reformen von ihm erwarten? Franziskus ist sicherlich kein Papst der großen Erneuerung. Denn trotz Steilvorlage aus der Amazonas-Synode hat er die Weihe verheirateter Männer nicht erlaubt und keine großen Veränderungen in der Sexualmoral herbeigeführt, was mit seinem Schreiben "Amoris laetitia" sehr einfach möglich gewesen wäre.
Doch Franziskus lässt auch nicht alles beim Alten: In einer Fußnote im oben genannten Papier hat er die Möglichkeit zum Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene versteckt. Er änderte die kirchliche Lehre und stellte sich gegen die Todesstrafe. Außerdem wird die Kurienreform, die bald zum Abschluss kommt, den Vatikan und die Verwaltung der Weltkirche modernisieren. Franziskus ist ein Papst der kleinen Veränderungen, der Reförmchen. Vielleicht sind umwälzende Reformen auch gar nicht sein Ziel?! Nicht umsonst bezeichnete der Papst-Vertraute Antonio Spadaro das aktuelle Pontifikat als eines "der Aussaat, nicht der Ernte". Für uns, die wir in einer Gesellschaft leben, die Eindeutigkeit, Effizienz und Schnelligkeit als Werte lobt, ist das unverständlich und unangenehm. Doch vielleicht werden die Reförmchen irgendwann einmal ja wirklich zu Reformen…
Der Autor
Roland Müller ist Redakteur bei katholisch.deHinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.