"Woche für das Leben" eröffnet: Kirche warnt vor Beihilfe zu Suizid
Die beiden großen Kirchen haben am Samstag mit einem ökumenischen Gottesdienst im Augsburger Dom die bundesweite "Woche für das Leben" eröffnet. Die Aktion läuft bis 24. April unter dem Leitwort "Leben im Sterben". Sie widmet sich seelsorglichen, ethischen und medizinischen Aspekten einer menschenwürdigen Sterbebegleitung sowie der Hospiz- und Palliativversorgung.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Limburgs Bischof Georg Bätzing, erinnerte an die Opfer der Pandemie sowie an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum assistierten Suizid. Dieses habe die Debatte um ein selbstbestimmtes Sterben neu entfacht.
Bätzing sagte: "Die Politik ist gefragt, ein neues Gesetz zu schaffen. Ich sehe dies mit großer Sorge, denn für mich ist hier ganz deutlich die Gefahr eines Dammbruchs gegeben, wenn eine Legalisierung der Beihilfe zur Selbsttötung möglich wird, denn der Druck auf alte und kranke Menschen wird mit der Zeit wachsen. Seinem Leben selbst ein Ende zu setzen, entspricht nicht dem christlichen Menschenbild." Wer unheilbar krank sei, verdiene die bestmögliche Fürsorge und Pflege.
Bischof Meier: "Die letzte Wegstrecke menschenwürdig" begleiten
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sagte: "'Leben im Sterben' ist ein Thema, das in die Mitte der Gesellschaft gehört. Die Sorge um Schwerkranke und Sterbende geht uns alle an." Die Kirchen drückten mit dem Thema eine Kernüberzeugung des christlichen Glaubens aus: "Der Mensch ist in jeder Phase seines Lebens von Gott angenommen." Daher sei Kranken und ihren Angehörigen in herausfordernden Situationen beizustehen. "Wo Menschen existenzielles Leid erfahren, wissen wir: Gott ist nahe - gerade dann."
An dem Gottesdienst nahmen auch der Augsburger Bischof Bertram Meier und Axel Piper, evangelischer Regionalbischof des Kirchenkreises Augsburg und Schwaben, teil. Meier betonte, Sterben sei Teil des Lebens. Mit der "Woche für das Leben" wolle man thematisieren, wie "die letzte Wegstrecke menschenwürdig und begleitet" gestaltet werden könne. Piper erklärte: "Die Sorge um die Menschen am Rand der Gesellschaft, um die Kranken und die Sterbenden, hat das Leben und die Botschaft Jesu ausgemacht." Sterben sei der Ernstfall des Glaubens. "Und zum Glauben gehört die Begegnung. Gehört das Gespräch."
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 das 2015 vom Bundestag beschlossene Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung aufgehoben. Es gebe ein umfassendes Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Darin sei die Freiheit eingeschlossen, die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen.
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Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, sprach sich gegen eine Ausweitung der aktiven Sterbehilfe aus. "Tötung auf Verlangen ist allen Menschen verboten, und es gehört nicht zu unseren Aufgaben, ärztliche Sterbehilfe durch die Hintertür des ärztlich assistierten Suizids zu leisten", sagte Montgomery. Das Bundesverfassungsgericht irre, wenn es die menschliche Selbstbestimmung derart überhöhe, dass sie die Abschaffung ihrer selbst einschließe.
Claudia Bausewein, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, forderte weitere Anstrengungen in der Hospiz- und Palliativversorgung. Auch Menschen etwa ohne Krebserkrankung müssten bei Bedarf eine spezielle Unterstützung am Lebensende erhalten. In der Hospiz- und Palliativversorgung sei die Arbeit im multiprofessionellen Team wesentlich, wozu auch Seelsorgende gehörten. Diese hätten die spirituellen und existenziellen Belange der Betroffenen besonders im Blick.
"Woche für das Leben" findet zum 26. Mal statt
Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger betonte: "Hinter der Theorie vom freiverantwortlichen Suizid steht allermeist nicht autonome Freiheit, sondern ein Hilferuf an die Gesellschaft. Gute Pflege, professionelle Palliativversorgung und Ausbau der Hospizidee sind die passenden Instrumente."
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) würdigte die ökumenische "Woche für das Leben" der Kirchen. Das Programm mache sich für Schwerstkranke und Sterbende stark, sagte er in einer digitalen Podiumsdiskussion. Bayern setze auf einen Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung. "Als christlich geprägte Gesellschaft dürfen wir nicht zulassen, dass Menschen den Suizid als einzigen Ausweg sehen. Wir brauchen vielmehr eine Kultur des Lebens, des Hinschauens und der Hinwendung zum kranken und sterbenden Menschen."
Traugott Roser von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster fügte an, die Kirchen hätten in der Pandemie viel gelernt. So seien Menschen in Gesundheitsberufen sehr bereit, Kranke und Sterbende spirituell zu begleiten. "Das sollten wir verstärken und von Anfang an in die Ausbildungen Grundlagen spiritueller Begleitung mit aufnehmen" - allen Finanzzwängen zum Trotz.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte die Kirchen hingegen. "In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes geht es nicht allein um Sterbende", teilte Brysch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit. Doch die Kirchen blendeten das aus der Diskussion aus. Der Anspruch auf organisierte Selbsttötung habe nichts mit Leidenskriterien oder Alter zu tun. "Hospizarbeit und Palliativmedizin sind daher keineswegs die einzige Antwort auf die Sterbehilfedebatte."
Brysch betonte: "Die Assistenz beim Suizid war und ist nicht strafbar. In der Diskussion geht es deshalb allein um eine organisierte Förderung zur Selbsttötung." Also müsse das Tun des Suizidhelfers in den Fokus genommen werden. "An seine Sachkunde sind höchste Ansprüche zu stellen", mahnte Brysch. "Schließlich muss er garantieren, dass der Suizidwillige seinen Entschluss nach deutlicher Abwägung des Für und Wider gefasst hat - und das unter Anspannung seiner geistigen Kräfte."
Auch müsse der Suizidhelfer dafür sorgen, dass es keinen Druck von Dritten gebe. Im Zweifelsfall müsse der Suizidhelfer strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Ein organisiertes Angebot der Suizidassistenz dürfe nicht gegen eine Gebühr erfolgen, so Brysch weiter.
Die "Woche für das Leben" findet zum 26. Mal statt. Seit 1994 ist sie eine ökumenische Initiative der katholischen und der evangelischen Kirche in Deutschland. In Augsburg hätte die Aktionswoche eigentlich schon 2020 eröffnet werden sollen, was coronabedingt verschoben wurde. (rom/KNA)
17.04.2021, 14.30 Uhr: ergänzt um Aussagen von Eugen Brysch. /rom