Standpunkt

Debatte um Segnungsverbot aus Vatikan: Wem darf der Gläubige glauben?

Veröffentlicht am 19.04.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Auf das römische "Nein" zur Segnung von homosexuellen Paaren haben viele Gläubige und Bischöfe mit Widerspruch reagiert – besonders in Deutschland. Martin Rothweiler stellt sich deshalb die Frage, wem Katholiken noch guten Gewissens glauben können.

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Wem soll oder darf der Gläubige noch glauben? Der kirchlichen Lehre, wie Sie im Katechismus der katholischen Kirche mit Blick auf eine zweitausendjährige Tradition zusammengetragen wurde? Oder dem, was in Deutschland auch von Oberhirten vertreten wird, vermutlich sogar von der überwiegenden Mehrheit der Oberhirten. In jüngster Zeit gab es drei Interventionen aus Rom zur Interkommunion, zur Ordination von Frauen und zuletzt zur kirchlichen Segnung homosexueller Verbindungen, die alle drei mit einem deutlichen Nein beschieden und begründet wurden. Der Widerspruch aus Deutschland etwa auf das unzweideutige Verbot der Segnung homosexueller Verbindungen fiel harsch aus. Es machte nicht den Eindruck, als würde man sich nach der Antwort aus Rom im Dialog um ein vertieftes Verständnis bemühen, da das Ziel der Änderung der kirchlichen Lehre innerlich wohl schon beschlossene Sache ist. Die Reaktion hierzulande lautet: Rom ist einfach noch nicht so weit und die Universalkirche wohl auch nicht. Die von den römischen Vorgaben divergierende pastorale Praxis wird sich ohnehin durchsetzen.

Begründet wird der Widerspruch zum römischen "Nein" zur Segnung homosexueller Verbindungen kategorisch immer wieder mit neueren Erkenntnissen der Theologie und der Humanwissenschaften. Es scheint, als werde diesen Erkenntnissen eine gewisse Unfehlbarkeit attestiert. Um welche neuen humanwissenschaftlichen Erkenntnisse handelt es sich, die die Sexualmoral der Kirche noch nicht rezipiert habe, und die dazu führen, die in der christlichen Anthropologie gründende Sinnstruktur von Sexualität, neu zu definieren, die den Geschlechtsverkehr in einer unauflöslichen Ehe verortet? Auf welche Humanwissenschaftler beruft man sich da?

Wenn man das jüngst erschienene Positionspapier der Bundeskonferenz der diözesanen Präventionsbeauftragten durchliest, so wird beispielsweise die Theorie des Philosophen und Humanwissenschaftlers Michel Foucault herangezogen, der die Sexualität vor allem als "Durchgangspunkt für Machtbeziehungen" sieht, um zu begründen, wie eng Macht und Sexualität miteinander verwoben sind. Ob seine Theorie zutrifft oder nicht, kann man ja diskutieren. Aber sich bei einem Thema, bei dem es um sexuellen Missbrauch geht, auf einen Wissenschaftler zu berufen, der in einvernehmlichen sexuellen Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern ein Ausdruck der Befreiung sah und argumentierte, dass der eigentliche Missbrauch darin liege, dass Kindern die Fähigkeit abgesprochen werde, dem sexuellen Missbrauch zuzustimmen, fordert die Vernunft heraus. Es stellt sich die Frage: Welchem Humanwissenschaftler wollen wir denn vertrauen? Und wann werden welche Erkenntnisse wieder überholt sein? Zudem zeugt die Berufung auf Michael Foucault nicht gerade von großer Sensibilität gegenüber Missbrauchsopfern.

Von Martin Rothweiler

Der Autor

Martin Rothweiler ist der Programmverantwortliche des katholischen Fernsehsenders EWTN Deutschland.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.