Beer zu Missbrauchsaufarbeitung: Kirche sollte schon weiter sein
Der Kinderschutzexperte Peter Beer ist unzufrieden mit dem Tempo der kirchlichen Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. "Wir könnten und sollten schon weiter sein", sagte Beer im neuen Podcast "Würde.Leben" des päpstlichen Kinderschutzzentrums in Kooperation mit dem Sankt Michaelsbund. Der Professor am Centre for Child Protection verwies darauf, dass die katholische Kirche in Deutschland seit über zehn Jahren einen Skandal mit sich herumschleppe. Aber anscheinend habe sie nicht "die geistliche Kraft und geistliche Größe, für Abhilfe zu sorgen und den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen", so der frühere Münchner Generalvikar.
In dem Podcast ging Beer zudem auf die langjährigen Schwächen in der kirchlichen Verwaltung ein. In verschiedenen Gutachten, auch in einem 2010 von einer Kanzlei für die Erzdiözese München und Freising erstellten, waren massive Defizite benannt worden. Der einstige Generalvikar räumte ein, dass in den Ordinariaten lange davon ausgegangen worden sei, Verwaltung sei nicht so wichtig. Es habe das Prinzip gegolten: "Wir sind ja für die Menschen da und nicht für die Akten." Das Thema sei an den Rand gedrängt worden. Auch hätten die meisten der damit Betrauten keine klassische Verwaltungsausbildung gehabt.
Aus verwaltungstechnischer Sicht über Jahre unprofessionell gearbeitet
Aus verwaltungstechnischer Sicht sei über die Jahre unprofessionell gearbeitet worden, erklärte Beer. Aus seelsorglicher Sicht könne man darüber natürlich streiten. Daran, wie sich die Verwaltung bei Staat und Kommunen entwickelt habe, müsse die Kirche sich heute orientieren. Sie müsse auf dem Stand der Zeit sein. Denn Verwaltung garantiere Transparenz, Nachvollziehbarkeit und damit auch Gerechtigkeit, betonte der Priester. Damit sei sie Teil der Missbrauchsprävention.
Beer sagte, dass klar definiert werden müsse, welche Pflichtdokumente in eine Akte gehörten. Zudem sollten die Seiten durchnummeriert sein, damit es so schwer wie möglich gemacht werde, daraus etwas zu beseitigen. Die in den vergangenen Jahrzehnten häufig von Klerikern ohne fundierte Ausbildung geführten Bistumsverwaltungen hätten "Freundschaftsdienste" unter Priestern und die Vertuschung von Missbrauch begünstigt.
Peter Beer (55) war von 2009 bis 2019 Generalvikar im Erzbistum München und Freising. Anschließend wechselte er als Professor ans Zentrum für Kinderschutz (CCP) an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. (tmg/KNA)