Die Doppelmoral der Kirche kann ich nicht mehr verteidigen
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Wer in Berlin lebt, ist es mehr noch als anderswo gewohnt, sich für seinen Glauben und mehr noch für seinen Katholizismus rechtfertigen zu müssen. Oder sagen wir nicht "rechtfertigen", sondern besser: Man muss erklären, begründen und argumentieren. Nun kenne ich also gewisse hämische oder auch bemitleidende Kommentare, wenn es mal wieder ein neuer Skandal aus dem katholischen Sumpf in die säkulare Presse schafft. Ich pariere mal fromm, mal tapfer, hoffentlich selten zynisch. Es schärft das Denken, sage ich mir meist.
Gestern nun blieb mir die Spucke weg. Ich merkte, ich habe keine Lust mehr. Das Ding war gar nicht so groß, dennoch, es reicht. Nachdem mir der Freund einen Link vom Bayrischen Rundfunk weitergeleitet hat, mit dem Kommentar "Das ist aber bitte nicht wahr, oder?", hab ich einfach zurück geschrieben: "Mir geht es gut." Und ich hab ihm den Affen, der sich die Hände vor die Augen hält, geschickt. Da wird also einer aus dem Priesterseminar geschmissen, weil er auf Instagram ein Bild mit einem schwulen TV-Star veröffentlicht hat.
Theologisch ist die Sache natürlich komplizierter, als man denkt, das konnte ich meinem Freund aber nicht zumuten. Der Regens äußert sich zum Rauswurf konkret gar nicht, nur prinzipiell. Daraus lässt sich irgendwie schließen, der Priesteramts-Kandidat ist nicht wegen seiner eigenen Homosexualität raus geflogen. Vielmehr wegen seines Verhaltens auf Instagram. "Wenn jemand homosexuell geprägt ist, es aber schafft, unaufgeregt ein gesundes Beziehungsgefüge zu Männern und zu Frauen zu entwickeln, wenn also dieses Thema der Sexualität nicht dauernd im Vordergrund steht, für den sehe ich keinen Grund, warum er nicht Priester werden kann", sagt der Regens.
Auch ich kann zu dem konkreten Fall nichts sagen. Überall gibt es auch Kündigungen, überall könnten Leute auch mal ungeeignet sein. Überall finden das auch mal Leute blöd. Keine Frage! Noch nicht mal nur die Lehrmeinung der Kirche zur Homosexualität an sich, reicht hier zum Skandal. Nein, es sind Verlogenheit, Doppelmoral – und Zynismus, die ich, wo sie auftauchen, nicht verteidigen kann, kaum mehr ertrage. Es ist doch eben leider die katholische Amtskirche selbst, bei der dauernd "Sexualität im Vordergrund" steht. Es ist doch leider die Institution Kirche selbst, die nicht "unaufgeregt ein gesundes Beziehungsgefüge zu Männern und zu Frauen" zu entwickeln in der Lage ist. Es ist die schmerzhafte Unehrlichkeit in Teilen der Kirche sich selbst gegenüber, die mich sprachlos macht.
Der Autor
Volker Resing ist Chefredakteur der Herder Korrespondenz.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.