Unser Adventsfenster
Für mich die perfekte Gelegenheit, nach Jahren anonymen Großstadtlebens, endlich wieder Anschluss an die Nachbarschaft zu finden. Dazu gehört das Schmücken der Fenster für den Karnevalsumzug ebenso, wie die obligatorische Teilnahme an der Martinstombola. (Ich habe ein Hähnchen gewonnen!)
Diesen Dezember aber gehe ich aufs Ganze: Gemeinsam mit meiner Vermieterin bin ich Teil des ökumenischen begehbaren Adventskalenders. Was das ist? An jedem Abend im Advent kommen Menschen zusammen, die Einladung richtet sich an alle. "Ein Adventsfenster öffnet sich - bunt gestaltet vom Gastgeber für eine halbe Stunde, umrahmt von Gebeten, Liedern oder einer Geschichte", so die Ankündigung im Erntedank -Gottesdienst.
Gelebte Ökumene
Meinen ersten Gedanken "Das ist doch eine super Sache!" äußere ich gleich gegenüber meiner Vermieterin, Christiane Budde, die neben mir in der Kirchenbank sitzt. Ihre Antwort kommt spontan: "Komm, da machen wir zusammen mit." Wow, denke ich: Das ist gelebte Ökumene! Schließlich ist Christiane evangelisch. Anfang November dann die Anmeldung. Die Liste ist schnell voll.
"Wir machen das zum zweiten Mal", erklärt mir Guntram Lohmann, Organisator und Mitglied der katholischen Gemeinde, am Telefon. Und schon 2012 sei das Interesse so groß gewesen, dass eine Warteliste angelegt wurde. Das ist in diesem Jahr nicht anders. Gute Voraussetzungen! Wir entscheiden uns für das 9. Fenster und steigen direkt in die kreative Planung ein.
Vorgaben gibt es eigentlich keine, außer, dass es kein Weihnachtsfenster, sondern ein Adventsfenster sein soll, wie Guntram Lohmann bei einem Orga-Treffen im Gemeindezentrum betont. Gut, bleibt der singende Weihnachtsmann also in der Kiste. Dafür entscheiden wir uns für das Motto "Plätzchen backen". Nicht besonders tiefgründig, aber einladend und heimelig.
Spaß und Stress
Am Wochenende vor dem 9. Dezember jonglieren wir mit Tannengrün, Strohsternen und Plätzchen-Ausstechern am Bande. Ein Besuch beim Großhändler bringt uns 18 Liter Kinderpunsch und eine Flasche Rum - zum Abschmecken. Die Plätzchen liefert meine Schwiegermutter. Das Fenster stellen Christianes Eltern zur Verfügung. Bei allem Herumwirbeln haben wir Spaß, aber auch Stress. Immerhin sind auch noch zwei Kleinkinder zu versorgen.
"Da hab mal wieder schneller gesprochen, als gedacht", meint Christiane zwischendurch und spricht mir aus der Seele. Pünktlich am Montagabend um 18 Uhr aber haben wir es aber geschafft. Nach zwei Stunden auf der Leiter leuchtet das Sprossenfenster in voller Pracht. Der Punsch köchelt im großen Bottich vor sich hin. Plätzchen, Tassen und Liederhefte liegen bereit.
Gemeinsam haben wir uns entschieden, nichts vorzutragen, sondern die Wärme, die von unserem Fenster ausstrahlt, lediglich mit Adventsliedern zu untermalen. Um halb sieben begrüßen wir viele gutgelaunte Menschen vor unserer Tür, von denen ich nur eine Handvoll kenne. Das macht aber nichts: Das gemeinschaftliche Gefühl stellt sich sofort ein, wenn man im Dunkeln auf der Straße steht und Lieder singt.
Echtes Adventsgefühl
"Was mir am begehbaren Adventskalender gefällt, ist das Integrative. Wie oft läuft man durchs Dorf und trifft die gleichen Menschen, ohne sich zu kennen. Hier kommt man dann ins Gespräch", freut sich Guntram Lohmann. Aber auch ein anderer Gedanke ist ihm wichtig: "Ich möchte Abstand zum Weihnachtstrubel gewinnen und mit anderen zusammen zur Besinnung kommen." Hier erlebe er in einem ruhigeren Rahmen echtes Adventsgefühl.
"Die Fenster werden meist nach einem bestimmten Impuls gestaltet", erzählt Susanne Heselhaus, die die Idee ins Dorf gebracht hat. "So entstehen ganz unterschiedliche Adventsfenster", sagt Lea. Die Konfirmandin ist mit ihren Freunden Marten und Floriana hier. Besonders gut habe ihr ein Fenster gefallen, auf das ein Fernseher aufgemalt war, als Zeichen dafür, dass abends viele auf dem Sofa sitzen und sich berieseln lassen. Dann sei das Fenster plötzlich dunkel geworden: "Denn im Advent soll man sich einfach mal ausklinken, aus dem Alltag."
Ganz schön hintergründig denke ich, mit zweifelndem Blick auf unser eher vordergründiges Weihnachtsbäckerei-Fenster. Bin aber gleich wieder beruhigt, als die Drei einräumen: "Wir kommen vor allem, um uns zu treffen und Plätzchen zu essen." Und auch Organisatorin Susanne sagt: "Weihnachtsstimmung gehört dazu." Na, damit können wir an diesem Abend wirklich dienen.
Mein Fazit: Wenige Verluste - ein paar Nerven, eine Punschtasse und eine Keksdose samt Inhalt, die vom Fensterbrett fiel. Vor allem aber habe ich etwas gewonnen: Zum einen die Erkenntnis, dass sich der Stress und die Vorbereitung auch für eine halbe Stunde gelohnt haben. Zum anderen die Einsicht, dass die wahre Kirche aus Menschen gemacht ist, die sich - zum Beispiel - an einem Adventsabend vor einem Fenster begegnen.
Von Janina Mogendorf