Publizist: Antikirchliche Welle in Polen ist gefährlich
Der polnische Publizist und Ex-Dissident Adam Michnik hält antikirchliche Agitation in seinem Land für gefährlich. Die Menschen bräuchten die katholische Kirche, sagte Michnik nach Angaben der linksliberalen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" (Mittwoch), deren Chefredakteur er ist. "Ohne die Kirche bleiben nur Leere und Sekten."
Wer Polen zum Besseren verändern wolle, dürfe das nicht mit "Verachtung der Kirche und der Katholiken" tun. "Schließlich werden wir sowieso alle in einem Haus wohnen", so der 74-Jährige. Zugleich kritisierte er, die Kirche habe sich in die falsche Richtung entwickelt: "Mental ist sie in die Fußstapfen der späten 30er Jahre getreten, in denen sich Europa braun färbte." Sie mache eine große Krise durch.
"Kritzeln an den Denkmälern des Papstes ist eine unvernünftige Sache"
Das Problem sind Michnik zufolge sowohl die Bischöfe, die nicht auf Papst Franziskus hören wollten, als auch jene, die die Denkmäler von Johannes Paul II. (1978-2005) verwüsteten. "Das Kritzeln an den Denkmälern des Papstes ist eine unvernünftige Sache. Er war ein guter Mensch, ein edler Mann; er hat nie die Menschenwürde angegriffen."
Ein Urteil des Verfassungsgerichts für ein fast vollständiges Abtreibungsverbot hatte im Oktober eine landesweite Protestwelle ausgelöst. Sie richtete sich auch gegen die Kirche. Laut einer Reihe von Umfragen sind sehr viele Polen mit der Arbeit der Kirche unzufrieden. Auf die Frage "Soll die ganze Bischofskonferenz angesichts der Enthüllung weiterer Pädophilie-Skandale in der Kirche zurücktreten?" antworteten im Februar knapp 59 Prozent mit "Ja".
Michnik äußerte sich in einem Video-Interview mit dem rechtsliberalen EU-Abgeordneten Radoslaw Sikorski. Der Chefredakteur war ein wichtiger Unterstützer des Vorsitzenden der Gewerkschaft Solidarnosc und Revolutionsführers Lech Walesa. Nach der Verhängung des Kriegsrechts 1981 steckte ihn das kommunistische Regime viele Jahre ins Gefängnis. Für die ersten halbfreien Parlamentswahlen in Polen im Juni 1989 gründete er die "Gazeta Wyborcza" (Wahlzeitung). Sie ist heute mit etwa 60.000 Exemplaren eine der meistgelesenen Tageszeitungen des Landes. Nur zwei Boulevardblätter haben eine höhere Auflage. (KNA)