Standpunkt

Ein fataler deutscher Sonderweg? Das stimmt so nicht

Veröffentlicht am 07.05.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Stein des Anstoßes ist vor allem der Synodale Weg: Manche Kardinäle und Bischöfe im Ausland zeichnen ein merkwürdig negatives Bild von der katholischen Kirche in Deutschland, kommentiert Christof Haverkamp. Gegen die Vorurteile helfe nur Dialog.

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Hartnäckig werfen manche Kardinäle und Bischöfe der katholischen Kirche in Deutschland einen fatalen Sonderweg vor. Erst vor drei Tagen hat der italienische Kardinal Camillo Ruini vor einem Schisma wegen der geplanten Segensfeiern auch für homosexuelle Paare gewarnt. Und der spanische Bischof José Ignacio Munilla Aguirre hat vor zwei Wochen zum Gebet für die Katholiken in Deutschland aufgerufen, verbunden mit der Befürchtung, dort könne man in Rebellion verfallen und dem Lehramt untreu werden.

Sie und andere zeichnen ein merkwürdig negatives Bild von der katholischen Kirche hierzulande – oft ergänzt durch scharfe Töne. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Verbreiter dieses Zerrbilds weder die realen Verhältnisse kennen noch mit ihren deutschen Amtsbrüdern gesprochen haben. Gerade den Synodalen Weg rücken sie in ein schlechtes Licht. Als ob im Land der Reformation die Katholiken protestantisch werden, eine Nationalkirche gründen oder blind dem Zeitgeist hinterherrennen wollten.

Zu den Fakten gehört, dass sich im Kern die meisten deutschen Bischöfe und das die Laien vertretende Zentralkomitee der deutschen Katholiken einig sind. Niemand will ein Schisma, eine Sonderrolle, eine Los-von-Rom-Bewegung. Ausgeprägt ist aber der Wunsch nach Reformen auf der Grundlage neuer theologischer und anderer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Und wenn schon der Zeitgeist angeführt wird: Niemand will ein Festhalten am Zeitgeist des 19. und frühen 20. Jahrhunderts mit Demokratiefeindlichkeit und Antimodernisteneid.

Zudem beschränken sich die Debatten über Veränderungen nicht auf Deutschland. Auch in Irland, Österreich, Australien, Frankreich und Lateinamerika wird darüber gesprochen. Um Vorurteilen und Stimmungsmache zu begegnen, wären mehr Informationen, Begegnungen und Gespräche nötig – etwa im Vatikan, in Polen und Italien, ja weltweit. Dazu gehört das intensive Zuhören und der Austausch von Argumenten. Vieles geschieht bereits, ist aber noch ausbaufähig. Die Corona-Pandemie erschwert leider die direkte Kommunikation, und das ist jammerschade.

Von Christof Haverkamp

Der Autor

Christof Haverkamp ist Pressesprecher und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der katholischen Kirche in Bremen und Senderbeauftragter der katholischen Kirche bei Radio Bremen.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.