Religionsvertreter verurteilen Antisemitismus in Deutschland

Bischof Meier und Aiman Mazyek: Gemeinsam für Religionsfreiheit

Veröffentlicht am 14.05.2021 um 16:32 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Wie viel Religion darf in einer säkularen Gesellschaft überhaupt noch sein? Augsburgs Bischof Bertram Meier und der Zentralratsvorsitzende der Muslime, Aiman Mazyek, plädieren dafür, dass Religion weiter Bestandteil des öffentlichen Lebens bleibt.

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Der Augsburger Bischof Bertram Meier und der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, plädieren für eine stärkere Diskussion über die Präsenz von Religion in der Gesellschaft. "Wir stehen vor der Frage, wie multireligiös kann und muss unsere Gesellschaft sein? Und wie viel dürfen Religionen im öffentlichen Raum noch an Recht beeinflussen", fragte Meier am Freitag bei einer Talkrunde auf der SocialMedia-App Clubhouse, organisiert von katholisch.de und der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) im Katholischen Medienhaus in Bonn. Mazyek betonte: "Es ist der Anspruch des Grundgesetzes, dass man Religion nicht aus der Öffentlichkeit verdrängt, sondern dass es eben ein Bestandteil des öffentlichen Daseins ist."

In der säkularen Gesellschaft, ergänzte Meier, gebe es die Tendenz zu fragen: "Wie viel Religion darf überhaupt noch sein?" Als Beispiel nannte er Diskussionen um religiöse Symbole wie Kippa, Kreuz und Kopftuch im öffentlichen Raum. Hier sollten die Religionen seiner Ansicht nach gemeinsam ein "Ausrufezeichen" setzen: "Uns gibt es, und wir beanspruchen auch das Recht auf Religionsfreiheit", so der Beauftragte der Bischofskonferenz für den interreligiösen Dialog.

Mazyek warnte: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht Diskursverschiebungen haben, die letztendlich der Rechtssprechung und unserer Verfassung zuwiderlaufen." Er verwies auf das jüngste Bundesgesetz zum Erscheinungsbild von Beamten: "Da ging es ursprünglich um Tätowierungen. Aber dann gab es doch noch einen Schlenker zu religiösen Symbolen, einschließlich Kippa und Kopftuch. Da mache ich mir durchaus Sorgen, dass wir unser Grundgesetz nicht mehr richtig auslegen", so der Zentralratsvorsitzende: "Da müssen wir als Religionsgemeinschaften für unser Grundgesetz einstehen."

Der Bundesrat hatte am 7. Mai dem neuen Gesetz zugestimmt. Demnach können "religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds" künftig "eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen".

Meier und Mazyek verurteilen antisemitische Angriffe

Zusammen mit dem Rabbiner Walter Homolka verurteilten Meier und Mazyek auch die antisemitischen Angriffe auf Juden und jüdische Einrichtungen in Deutschland. "Wer sich über Rassismus beschwert und dann selbst Hass gegen Juden verbreitet, hat es verwirkt, sich zu solchen Themen zu äußern und ernst genommen zu werden", sagte Mazyek. Auch in der muslimischen Community sei hier immer wieder Aufklärungsarbeit nötig.

Meier warnte vor einer Geschichtsvergessenheit in Deutschland. Die jüngsten Angriffe auf Synagogen, aber auch "Querdenkerdemos mit Judenstern" und ähnliche Ereignisse zeigten, dass manche die schlimmen Geschehnisse der deutschen Vergangenheit offenbar gerne ausblendeten, sagte er.

Natürlich, so der Bischof weiter, müsse es möglich sein, sich kritisch zur aktuellen Politik Israels zu äußern. Doch viel zu oft würde dies mit dumpfen antisemitischen Vorurteilen verknüpft und mit pauschalen Angriffen und Shitstorms im Netz verstärkt. Hier müssten die Kirchen und die anderen Religionen deutlich ihre Stimme erheben und auch zu mehr Bildung, Aufklärung und Geschichtsbewusstsein beitragen.

Auch Homolka, Rektor des Abraham Geiger Kollegs in Potsdam, verurteilte die jüngsten Angriffe und dankte allen Vertretern anderer Religionen, die sich an die Seite der Juden in Deutschland stellen. Als sehr "wohltuend" bezeichnete er unter anderem die Unterstützung der Kirchen in Deutschland und nannte als Beispiel den Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. Dieser hatte den Juden die Verbundenheit aller Christen zugesagt und erklärt: "Für Antisemitismus - egal von welcher Seite - ist bei uns im Ruhrgebiet kein Platz."

Zugleich bat Homolka um Unterstützung der Kirchen auch in den aktuellen politischen Debatten. Bei ihm in Brandenburg etwa werde seit Monaten über eine Verfassungsänderung im Kampf gegen Antisemitismus gestritten. Hier hoffe er zum Beispiel auf konkrete Hilfe vonseiten der Kirchen, die den Prozess beschleunigen könne. (cst/KNA)