Mahlgemeinschaft: Ackermann für "mehr Neugier auf den Anderen"
Eine größere Wertschätzung von Vielfalt wünscht sich der katholische Bischof von Trier, Stephan Ackermann, von seiner Kirche. Vielfalt auch in der Liturgie sei in der weltweiten katholischen Kirche normal, für deutsche Katholiken könne aber etwa die Feier einer mit Rom verbundenen Ostkirche fremder wirken als ein lutherischer Abendmahlsgottesdienst, sagte Ackermann am Freitag in Trier. Insofern sei Vielfalt nicht immer ein Zeichen von Spaltung. Er wünsche sich in dieser Hinsicht "mehr Neugier auf den Anderen" in der katholischen Kirche.
Ackermann äußerte sich bei einer von seinem Bistum veranstalteten und im Internet übertragenen Gesprächsrunde zum Votum des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen (ÖAK) mit dem Titel "Gemeinsam am Tisch des Herrn". Als prägende Erfahrung nannte er die gemeinsame Pilgerfahrt von Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ins Heilige Land 2016. Bei den dort gefeierten Gottesdiensten hätten die Teilnehmer schmerzlich die Trennung bei der Kommunion erlebt. Zugleich sei das gegenseitige Vertrauen gewachsen, fügte er hinzu.
Zugleich forderte Ackermann mehr ökumenische Sensibilität in der katholischen Kirche. So sollte mit Blick auf das evangelische Amts- und Abendmahlsverständnis nicht immer von "Defiziten" gesprochen werden. Dabei sei ohnehin unklar, was die katholische Seite von den Protestanten genau erwarte. Diese Diskussion werde auch innerhalb der Bischofskonferenz geführt.
Gerade im Hinblick auf konfessionsverbindende Ehen gebe es laut Ackermann eine "besondere Verpflichtung". Wenn evangelische Christen zur Eucharistie hinzutreten, sei dies aus seiner Sicht im Einzelfall auch katholisch "ohne schlechtes Gewissen" inzwischen möglich und verantwortbar. "Wir müssen lernen, über die Grenzen der eigenen Konfession hinauszudenken", erklärte der Bischof. Ackermann lobte die theologische Substanz des Papiers "Gemeinsam am Tisch des Herrn" aus dem Jahr 2019 zum Thema. Das ÖAK-Votum, laut dem Christen guten Gewissens an der Feier der Eucharistie oder des Abendmahls der jeweils anderen Konfession teilnehmen können, ziehe die praktischen Konsequenzen aus den festgestellten theologischen Annäherungen; deshalb sei es so brisant.
Theologin Rahner warnt vor "Ideologisierung" und "Ablenkungsmanövern"
Die katholische Theologieprofessorin Johanna Rahner, Mitautorin des Papiers, bedauerte die "zum Teil aggressive Rezeption" nach Erscheinen unter anderem aus Rom. Sie warnte vor einer "katholischen Ideologisierung" beim Thema Eucharistie und vor "Ablenkungsmanövern", etwa dass die Einladung von Protestanten die Gemeinschaft mit der orthodoxen Kirche gefährde.
Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, betonte, auch innerevangelisch seien weitere Diskussionen notwendig, etwa zur Frage des Vorsitzes beim Abendmahl durch ordinierte Geistliche. Zudem stelle die durch die Corona-Pandemie aufgekommene Debatte um digitale Abendmahlsfeiern neue grundsätzliche Fragen. Dabei gehe es für ihn auch um Machtfragen: "Wer hat die Auslegungshoheit über die biblischen Texte und wer lädt ein? Christus oder doch die Kirche?" Dabei könnten die Kirchen in der Abendmahlspraxis voneinander lernen. "Wir berauben uns viel, wenn wir nicht miteinander feiern können", so der Präses der rheinischen Kirche.
Latzel riet dazu, sich auf solche offenen Prozesse einzulassen und nicht immer von vornherein zu sagen: "Das geht nicht." Viele evangelische Christen feierten nur selten das Abendmahl, so der rheinische Präses. Er hoffe, dass die aktuelle Diskussion zu einer größeren Wertschätzung des Sakraments beitrage. Latzel warb für "mehr jesuanischen Mut zur Grenzüberschreitung". Angesichts des großen Vertrauensverlustes, den die Kirchen gerade erlebten, sei es wichtig, in der Einheit der Kirche spürbare Fortschritte zu erzielen, so der Präses.
Für den Kirchengeschichtler und Luther-Forscher Volker Leppin sind die Schranken zwischen evangelischer und katholischer Kirche beim Verständnis des Abendmahls lange nicht mehr so präsent und verständlich wie früher. Nicht die Zulassung einer gegenseitigen Einladung zum Abendmahl sei daher heute zu erklären, sondern deren Verweigerung. Auch die evangelische Kirche müsse mehr "ökumenische Sensibilität" zeigen, zum Beispiel beim Umgang mit Brot und Wein während und nach der Abendmahlsfeier, sagte Leppin, der ebenfalls Mitautor des ökumenischen Abendmahl-Papiers ist. (cst/epd/KNA)