Institution lasse Menschen mit religiösen Fragen allein

Kirchenhistoriker: Kirche braucht Reformen – auf Tradition gestützt

Veröffentlicht am 22.05.2021 um 12:18 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg im Breisgau ‐ Eine Hierarchie, die in den Laien nur "blökende Schafe" sehe: Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf fordert als Konsequenz des Missbrauchsskandals Reformen in der Kirche. Er findet aber auch deutliche Worte für den deutschen Synodalen Weg.

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Der Kirchenhistoriker Hubert Wolf hat grundlegende Reformen in der katholischen Kirche gefordert. In den vergangenen Jahrzehnten hätten "die Hierarchien des Männerbundes katholische Kirche" immer wieder verhindert, dass entscheidende Fragen gestellt wurden, sagte der Theologe im Interview der "Badischen Zeitung" (Samstag). Dabei gehe es um "Sexualität, um Macht, Missbrauch und Vertuschung, um eine unkontrollierte Hierarchie, die in den Laien nur blökende Schafe sieht, die ihre Ehrerbietung entgegenbringen müssen, und um Frauen, die allein aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden".

Dafür, dass die Kirche trotzdem seit 2.000 Jahren bestehe, sei "nicht das Bodenpersonal der Firma Gott & Sohn verantwortlich", sondern die Grundbotschaft des Glaubens. Die Kirche selbst lasse die Menschen mit ihren religiösen Fragen hingegen häufig allein. "Sie kreist um sich selber. Die Hierarchien sind kaum bereit, aus Respekt vor den Opfern endlich wirkliche Konsequenzen aus dem furchtbaren Missbrauchsskandal zu ziehen und Verantwortung zu übernehmen". Bei der Glaubensverkündigung gehe es aber um Glaubwürdigkeit. "Glaube hängt mit Vertrauen zusammen. Wie soll ich jemandem vertrauen, der mich offen anlügt?", so Wolf.

Reformen auf Tradition stützen

Aus Sicht des Theologen sollte sich die katholische Kirche bei Reformbemühungen auf ihre Tradition stützen. "Reform ist jederzeit möglich und wäre angeraten. Aber Reform heißt nicht, das Rad neu zu erfinden", sagte Wolf. Die Kirche könne auf "vielfältige Modelle" zurückgreifen, die im Laufe der Geschichte entstanden seien. "Wir haben heute selbstverständlich verheiratete Priester in den katholischen Ostkirchen. Wir hatten 1.000 Jahre Fürstäbtissinnen, die quasi als Bischöfinnen fungiert haben. Wir hatten Sündenvergebung durch Nicht-Geweihte. Katholisch heißt: gemäß dem Ganzen, umfassend. Das impliziert Vielfalt. Fundamentalismus und Einheitsbrei widerstreben jeder wahren Katholizität."

Den Reformprozess des Synodalen Wegs halte er "im Grunde nur für eine Beruhigungspille". "Eine Reform wird er kaum bringen, die Roten Karten mancher deutschen Bischöfe, aber auch von Papst Franziskus, sind schon gezogen worden." Im Synodalen Weg beraten deutsche Bischöfe und Laienvertreter seit 2019 über die Zukunft der katholischen Kirche. In der Debatte geht es vor allem um die Themen Macht, Priestertum und Sexualmoral sowie um die Rolle der Frauen in der Kirche. (KNA)