Ein Überblick über das Pfingstfest
Ursprünge
"Das Wochenfest sollst du für dich feiern mit den Erstlingsfrüchten von der Weizenernte und das Fest der Lese an der Jahreswende" (Ex 34,22): Wie Pessach und Sukkot ist auch das alte jüdische Fest Shawuot ein Wallfahrtsfest, zu dem gläubige Juden alljährlich nach Jerusalem hinaufgezogen waren. Die Anweisung aus dem Buch Exodus macht deutlich: Am Anfang war das Wochenfest ein Erntefest, bei dem die Landwirte die Erstlingsgaben im Tempel als Opfer darbrachten.
Der Termin von Shawuot im jüdischen Festkalender richtet sich dabei nach dem Pessach-Fest: 50 Tage nach Pessach, also sieben Wochen später, wird das Wochenfest begangen. So heißt es im Buch Deuteronomium: "Du sollst sieben Wochen zählen. Wenn man beginnt, die Sichel an den Halm zu legen, sollst du beginnen, die sieben Wochen zu zählen. Danach sollst du dem Herrn, deinem Gott, das Wochenfest feiern und dabei eine freiwillige Gabe darbringen, die du danach bemisst, wie der Herr, dein Gott, dich segnen wird." (Dtn 16,9f)
In der Tora ist Shawuot noch ein reines Erntefest, welches explizit einen agrarischen Hintergrund besitzt. Erst in der Zeit der Rabbinen kommt zum Fest Shawuot ein weiterer Aspekt hinzu: In Erinnerung an die Gabe der Tora an Mose auf dem Sinai wird Shawuot als Fest der Tora-Gabe begangen.
Neues Testament
Maßgeblich für die christliche Feier des Pfingstfestes ist der Bericht über das Pfingstereignis im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte. Dort wird die Sendung des Heiligen Geistes am Wochenfest Shawuot terminiert: Der griechische Name "Pentekoste" bedeutet "fünfzigst" und weist damit auf den Zeitraum hin, nach dessen Ablauf das jüdische Wochenfest begangen wurde. Aus dem griechischen "Pentekoste" hat sich dann das deutsche Wort "Pfingsten" abgeleitet. An diesem Tag also, an dem das jüdische Shawuot-Fest begangen wurde, waren gemäß der Apostelgeschichte die Jünger versammelt.
Nur bei Lukas findet sich eine so ausführliche Erzählung über das Pfingstereignis. Die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die versammelte Jüngerschar, wird dabei mit allerhand Begleiterscheinungen beschrieben: Der Geist kommt in Form eines Brausens und eines "heftigen Sturmes" (Apg 2,2) in das Haus, in dem Jünger beisammen sind. Sichtbar wird der Geist in Feuerzungen, die auf die Jünger herabkommen (Apg 2,3). Auch die Auswirkungen, welche die Geistgabe mit sich bringt, führt Lukas an: Vom Geist erfüllt beginnen die Jünger in fremden Sprachen zu reden (Apg 2,4), so, wie sie der Geist ihnen eingibt. Dass es sich bei der Geistsendung nicht um ein ruhiges, beschauliches Ereignis handelte, macht der Bericht aus der Apostelgeschichte ebenfalls deutlich: Ausdrücklich heißt es, dass sich "ein Getöse erhebt" (Apg 2,6), wodurch Schaulustige angezogen werden. Doch die Geistsendung dient nicht dazu, Aufsehen zu erregen. Vielmehr hat sie nur einen einzigen Grund, den Lukas ausdrücklich benennt: "Wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden" (Apg 2,11).
Anzumerken ist freilich noch eine wichtige Beobachtung: Nur Lukas kennt als Termin der Geistsendung das jüdische Wochenfest. In den anderen Evangelien geschieht die Geistgabe immer am Ostertag selbst. So heißt es noch im spät entstandenen Johannesevangelium, der Auferstandene sei den Jüngern am "Abend des ersten Tages der Woche" erschienen (Joh 20,19) und habe sich ihnen als der Lebende offenbart. Und weiter berichtet Johannes: "Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!" (Joh 20,22)
Lukas übernimmt den Bericht der Geistgabe, baut ihn aber am Beginn seiner Apostelgeschichte zu einem eigenen Narrativ aus. Dabei sind sowohl der Termin, die Art der Herabkunft des Geistes in Feuerzungen als auch die Wirkung der Geistgabe in Form der Sprachverwirrung neutestamentlich singulär. Vor dem lukanischen Bericht aus Apg 2 ist jedenfalls keine Tradition, welche das jüdische Wochenfest mit der Geistgabe verbinden würde, nachweisbar.
Liturgische Feier
Bereits in der Antike gab es die Tradition, die Feier des Pascha-Mysteriums auf sieben Wochen auszudehnen. Maßgebliche Grundlage hierfür war eben die lukanische Pfingsterzählung, welche die Geistgabe sieben Wochen nach dem Pessach-Fest ansetzt. In den ersten vier christlichen Jahrhunderten wurden die gesamten fünfzig Tage als Einheit betrachtet, man feierte sie wie einen einzigen Sonntag, wie einen einzigen Tag, an dem man der Auferstehung des Herrn gedachte. Erst im 4. Jahrhundert bekam der fünfzigste Tag eine eigenständige Form, die zunächst mit der Himmelfahrt des Herrn verbunden war, später den Fokus aber mehr und mehr auf die Geistgabe legte. Es entstand das Pfingstfest, welches – wie es damals üblich war – eine Oktav erhielt. Bis zur Liturgiereform in den 1970er Jahren zählte man nach dem Abschluss des Osterfestkreises die "Sonntage nach Pfingsten".
In der heutigen Liturgie wird Pfingsten besonders als Abschluss der Osterzeit gefeiert: "Heute sind die fünfzig Tage erfüllt", heißt es daher auch in der Magnificat-Antiphon in der Vesper des Pfingsttages. Als eigenständige Feierform hat sich die Messe am Vorabend entwickelt, die als Vigilfeier mit mehreren Schriftlesungen begangen werden kann. In der Eucharistiefeier am Pfingsttag wird als erste Lesung immer der lukanische Pfingstbericht gelesen, vor dem Evangelium ist die Sequenz "Veni, Sancte Spiritus" vorgesehen. Mit der zweiten Vesper des Pfingstsonntags endet die Osterzeit. Als sichtbares Zeichen hierfür wird die Osterkerze, die seit der Osternacht im Altarraum zu jedem Gottesdienst entzündet wurde, zum Taufbrunnen der Kirche gebracht.
Eine Schwierigkeit bereitet freilich der Pfingstmontag, der in Deutschland gesetzlicher Feiertag ist. Denn einen solchen Pfingstmontag gibt es seit der Liturgiereform eigentlich nicht mehr, da die Pfingstoktav abgeschafft wurde. Die Osterzeit endet mit der Vesper des Pfingsttages, der Pfingstmontag hingegen liegt schon im Jahreskreis. Neben der Votivmesse zum Heiligen Geist, die an diesem Tag oft als Messformular für den Gottesdienst verwendet wird, hat Papst Franziskus 2018 verfügt, den Pfingstmontag fortan als "Gedenktag der seligen Jungfrau Maria, Mutter der Kirche" zu begehen. In Deutschland jedenfalls greift hier eine Sonderregelung: In jenen Ländern, in denen der Pfingstmontag als gesetzlicher Feiertag begangen wird, soll weiterhin das Messformular vom Pfingstmontag oder die Votivmesse vom Heiligen Geist verwendet werden.
Frömmigkeitsgeschichte
Ikonographisch hat man im Lauf der Zeit gerne das Motiv der Feuerzungen verwendet: Es gibt viele Darstellungen, die zeigen, wie die Jünger beieinander sitzen und sich dabei Feuerzungen auf ihren Häupter niederlassen. Diese Darstellungsform hat auch in der Frömmigkeitsgeschichte ihre Spuren hinterlassen: Während des Pfingstgottesdienstes ist es in vielen Kirchen üblich geworden, aus einem kleinen Loch im Dachboden Rosenblätter auf die Gläubigen herabrieseln zu lassen. Ebenfalls hatte es sich in manchen Gemeinden eingebürgert, durch ebendieses Loch eine Holzfigur in Form einer Taube herabzulassen. Ob Rosenblätter oder Taube: Beides sind eben Versuche, das darzustellen, was sich jeder Möglichkeit der Abbildung entzieht. Das Wirken des Geistes ist eben geheimnisvoll und unsichtbar, die Kraft des Geistes durchdringt die Menschen und befähigt sie, freimütig Zeugnis zu geben vom auferstandenen und in den Himmel aufgefahrenen Herrn Jesus Christus.
Relativ spät haben sich auch bestimmte Formen der Prozession mit dem Pfingsttag verbunden. Im Nachklang der Bitttage, die eigentlich vor Christi Himmelfahrt begangen werden, finden an Pfingsten mancherorts noch Flurumgänge statt, bei denen die Felder gesegnet werden. Die bekannteste Pfingstprozession ist wohl die Echternacher Springprozession, die alljährlich am Dienstag nach Pfingsten begangen wird.